Unsichtbare Kämpfer: Wie Bakterien sich mit Nano-Harpunen verteidigen
Bakterien setzen tödliche Nano-Harpunen ein, sobald ihre Zellhülle angegriffen wird. Forscher entdeckten, dass sie nach einer mechanischen Beschädigung blitzschnell zurückschlagen.

Pseudomonas-Bakterien wehren sich mit Nano-Harpunen, wenn man sie mit einer spitzen „Nadel“ piekst. (15.000-fache Vergrößerung). © Universität Basel, Biozentrum/SNI, Nano Imaging Lab
Bakterien leben in einer Welt voller Konkurrenz. Platz und Nährstoffe sind knapp, und wer sich nicht durchsetzt, hat schlechte Karten. Doch manche Bakterien haben eine raffinierte Verteidigungsstrategie: Sie feuern Nano-Harpunen auf ihre Gegner ab – eine winzige Waffe, die tödliche Moleküle injiziert. Wissenschaftler der Universität Basel haben jetzt genauer untersucht, wie diese Abwehrmechanismen funktionieren.
Präziser Gegenschlag bei Angriff
Schon länger ist bekannt, dass Bakterien ihr Typ-VI-Sekretionssystem (T6SS) aktivieren, wenn sie angegriffen werden. Doch was genau löst diesen Mechanismus aus? „Uns war bereits bekannt, dass dieses Bakterium seine Nano-Harpune erst dann einsetzt, wenn es angegriffen wird“, sagt Prof. Dr. Marek Basler von der Universität Basel. „Wir wussten jedoch nicht genau, was den Zusammenbau der Nano-Harpune auslöst: Reicht der direkte Kontakt mit Nachbarzellen, sind es toxische Moleküle oder einfach nur Schäden an der Zelle?“
Um das herauszufinden, simulierten die Forscher einen Angriff, indem sie die äußere Hülle der Bakterien mechanisch beschädigten. Sie stachen mit einer extrem feinen „Mini-Nadel“ in die Zellmembran und beobachteten die Reaktion. Das Ergebnis: Die Bakterien feuerten erst dann ihre Nano-Harpune ab, wenn ihre Zellhülle tatsächlich verletzt wurde.
Angriff mit dem Rasterkraftmikroskop
Diese Versuche wurden mit einer speziellen Technik durchgeführt – der Rasterkraftmikroskopie (AFM). „Mit dem Rasterkraftmikroskop konnten wir einen bakteriellen T6SS-Angriff imitieren“, erklärt Mitchell Brüderlin, Doktorand am Swiss Nanoscience Institute (SNI) und Erstautor der Studie. „Mit der nadelartigen Spitze des AFM können wir die Bakterienoberfläche berühren und, indem wir schrittweise den Druck erhöhen, gezielt die äußere und innere Membran der Bakterien durchstoßen.“
Durch die Kombination mit Fluoreszenzmikroskopie ließ sich genau beobachten, wie schnell die Bakterien auf einen Angriff reagieren. „Innerhalb von zehn Sekunden bauen die Bakterien ihr T6SS an der beschädigten Stelle zusammen und feuern meist mehrmals mit höchster Präzision zurück“, sagt Basler.
Präzision als Überlebensvorteil
Die größte Herausforderung war die winzige Größe der Bakterien. „Bisher haben wir mit dem AFM nur eukaryotische Zellen untersucht, darunter auch menschliche Zellen“, sagt Roderick Lim, Professor für Nanobiologie. „Die stäbchenförmigen Pseudomonas aeruginosa sind jedoch mehr als zehnmal kleiner als menschliche Zellen. Die richtige Stelle mit der AFM-Spitze zu treffen, war daher äußerst anspruchsvoll.“
Trotz der technischen Hürden gelang es den Forschern zu zeigen, wie effizient Bakterien sich verteidigen. „Da die Bakterien nach einem Angriff sehr gezielt und schnell mit dem T6SS zurückfeuern, sinkt das Risiko, dass sie am Gegner vorbeischießen“, erklärt Basler. Die Nano-Harpune ist also nicht nur eine effektive, sondern auch eine taktisch kluge Waffe.
„Der Aufwand, die Nano-Harpune herzustellen, lohnt sich für die Bakterien insgesamt betrachtet“, sagt Basler. Indem sie gezielt Angreifer ausschalten, sichern sie sich ihren Platz im mikroskopischen Ökosystem.
Kurz zusammengefasst:
- Bakterien nutzen Nano-Harpunen (Typ-VI-Sekretionssystem, T6SS), um sich gegen Angriffe zu verteidigen – sie feuern erst, wenn ihre Zellhülle mechanisch beschädigt wurde.
- Forscher der Universität Basel haben mithilfe von Rasterkraftmikroskopie (AFM) gezeigt, dass Bakterien innerhalb von zehn Sekunden nach einer Verletzung präzise zurückschlagen.
- Die gezielte und schnelle Abwehr gibt den Bakterien einen Überlebensvorteil, da sie Feinde effizient ausschalten und Ressourcen in mikrobiellen Ökosystemen sichern.
Bild: © Universität Basel, Biozentrum/SNI, Nano Imaging Lab