Pinguinkot in der Antarktis kühlt die Luft – Forscher entdecken überraschenden Klimaeffekt
Pinguinkot setzt Ammoniak frei, fördert Wolkenbildung und senkt die Temperatur – ein bislang unterschätzter Klimaeffekt in der Antarktis.

In der Antarktis wirkt Pinguinkot wie Dünger für die Atmosphäre: Bei Wind aus Kolonierichtung steigen die Ammoniakwerte auf Agrar-Niveau. © Wikimedia
Pinguinkot könnte in der Antarktis einen überraschenden Einfluss auf das Klima haben. In Küstengebieten rund um Pinguinkolonien haben Forscher besonders hohe Konzentrationen von Ammoniak gemessen. Diese Substanz fördert die Wolkenbildung – und kann so die Luft abkühlen und das Meereis schützen.
Pinguinkot in der Antarktis: Ammoniakwerte steigen bei Wind aus Kolonierichtung
Auf der antarktischen Seymour-Insel registrierte das Forschungsteam besonders hohe Ammoniakwerte, sobald der Wind aus Richtung einer Adeliepinguinkolonie mit rund 60.000 Tieren wehte. Die Konzentration stieg dann auf bis zu 13,5 Teile pro Milliarde – das Tausendfache des üblichen Werts. „Wenn der Wind aus Richtung der Pinguinkolonie kam, stiegen die Werte sprunghaft an“, erklärt Matthew Boyer, leitender Autor der Studie.
Das Ammoniak stammt direkt aus dem Guano der Pinguine. Selbst nachdem die Tiere ihre Brutplätze verlassen hatten, blieben die Werte über Wochen erhöht. Der mit Kot angereicherte Boden setzte weiterhin Ammoniak frei – ähnlich wie gedüngte Äcker im Sommer. „Unsere Daten zeigen, dass es lokale Hotspots rund um die Küste der Antarktis gibt, die Ammoniak-Konzentrationen erreichen können, die im Sommer mit landwirtschaftlich genutzten Flächen vergleichbar sind“, erklären die Autoren.
Wolkenbildung verstärkt sich – Kühlungseffekt möglich
Solche Hotspots könnten größere Bedeutung haben als bisher angenommen. Die Forscher beobachteten, dass aus dem Ammoniak in Kombination mit schwefelhaltigen Gasen neue Aerosolpartikel entstanden. Diese dienen als sogenannte Kondensationskeime, an denen sich Wasserdampf zu Wolken verdichten kann.
Die Wolken wirken wie eine isolierende Schicht und können die Erderwärmung regional bremsen. Besonders interessant: Der Effekt trat fast ausschließlich bei erhöhten Ammoniakwerten auf, also bei Wind aus Pinguinkolonien. In anderen Windrichtungen – etwa vom offenen Ozean – blieb die Luft sauber. „Unsere Beobachtungen zeigen, dass Pinguinkolonien eine große Quelle für Ammoniak in Küstenbereichen der Antarktis sind, während Ammoniak aus dem Südlichen Ozean im Vergleich dazu vernachlässigbar ist“, heißt es in der Studie.
Dimethylamin aus Guano beschleunigt Partikelbildung stark
Verstärkt wurde der Effekt durch ein weiteres Gas: Dimethylamin (DMA), das ebenfalls aus dem Pinguinkot stammt. Es beschleunigt die Partikelbildung um das bis zu 10.000-fache. „Dimethylamin, das vermutlich aus Pinguin-Guano stammt, ist ebenfalls an den ersten Schritten der Partikelbildung beteiligt“, schreiben die Forscher.
An Tagen mit starkem Partikelwachstum beobachteten die Forscher eine auffällige Zunahme von Wolken und Nebel. Die Messdaten zeigen: Diese Partikel bestehen fast ausschließlich aus Ammoniumsulfat – einem typischen Reaktionsprodukt von Ammoniak und Schwefelsäure. Der Zusammenhang zwischen der Pinguinkolonie, der Partikelbildung und der Wolkenentwicklung war eindeutig.
In einem Fall registrierten die Forscher über 16.000 neue Partikel pro Kubikzentimeter Luft. Diese entwickelten sich innerhalb von sechs Stunden zu größeren Tröpfchen – sichtbar als Nebel. Auch nach dem Nebelereignis blieben die Partikel in der Luft erhalten, was auf eine starke regionale Wirkung hindeutet.
Neues Verständnis für klimarelevante Prozesse am Südpol
Über 50 Prozent der weltweiten Wolkenkondensationskeime stammen laut den Autoren aus genau solchen Neupartikelbildungen – in der Antarktis möglicherweise sogar noch mehr. Die Studie macht deutlich, wie eng biologische und klimatische Prozesse dort verknüpft sind. Änderungen im Lebensraum der Pinguine könnten direkte Rückwirkungen auf das regionale Klima haben.
„Einige Pinguinarten sind bereits aufgrund von Umweltveränderungen bedroht“, warnen die Forscher. Wenn ihre Zahl weiter zurückgeht, könnte das auch die Bildung klimarelevanter Aerosole verringern – mit möglicherweise negativen Folgen für das regionale Klima in der Antarktis. Die Wissenschaftler sehen darin einen weiteren Grund, Pinguinkolonien und ihren Lebensraum zu schützen.
Kurz zusammengefasst:
- Pinguinkot setzt in der Antarktis große Mengen Ammoniak frei, vor allem bei Wind aus Richtung der Kolonien – ähnlich hohe Werte kennt man sonst nur aus der Landwirtschaft.
- Ammoniak bildet mit anderen Gasen neue Partikel, die Wolken entstehen lassen und so die Oberflächentemperatur senken können.
- Der Effekt könnte helfen, das schmelzende Meereis zu stabilisieren – gleichzeitig zeigt er, wie wichtig der Schutz von Pinguinen für das antarktische Klima ist.
Bild: © ravas51 via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0