Studie: Recycling steht nicht immer für mehr Nachhaltigkeit
Eine neue Studie zeigt, dass Wiederverwendung und Recycling ohne gezielte Planung mehr Emissionen verursachen können als das Neudesign von Produkten.
Nur ein durchdachtes Produktdesign kann die Emissionen wirklich senken – Recycling allein reicht nicht aus. © Unsplash
Recycling gilt als Paradebeispiel für umweltbewusstes Handeln. Alte Produkte wiederverwenden, Ressourcen schonen, Abfall vermeiden – so lautet das Versprechen. Doch eine neue internationale Studie zieht eine ernüchternde Bilanz: Nur wenn Produkte schon beim Design grundlegend neu gedacht werden, lassen sich Emissionen wirklich senken. Reines Recycling kann dagegen sogar mehr schaden als nützen.
Die Untersuchung stammt von einem Forschungsteam der Freien Universität Bozen, das gemeinsam mit dem Worcester Polytechnic Institute (USA) und Partnern aus Frankreich gearbeitet hat. Die Wissenschaftler analysierten 1.599 Industrieunternehmen aus 51 Ländern und 21 Branchen über acht Jahre. Ziel war es, herauszufinden, welche Strategien der Kreislaufwirtschaft tatsächlich Emissionen senken.
Nur Produkt-Redesign senkt Emissionen messbar
Das wichtigste Ergebnis: Nur die Neugestaltung von Produkten führt zu einer spürbaren Reduktion von Emissionen. Firmen, die Materialien einsparen, Bauteile vereinfachen oder Reparaturen erleichtern, verursachen deutlich weniger direkte und indirekte Emissionen. Studienleiter Guido Orzes von der Freien Universität Bozen erklärt:
Kreislaufwirtschaft ist wichtig, aber sie muss richtig umgesetzt werden. Wenn wir sie als Wundermittel betrachten, täuschen wir uns selbst.
Recycling, Wiederverwendung und Wassersparmaßnahmen dagegen zeigen oft gegenteilige Effekte. Zusätzliche Transporte, energieintensive Sortierprozesse oder lange Lieferketten erhöhen den Energiebedarf. Laut der Analyse stiegen in vielen Fällen sogar die Emissionen entlang der Lieferkette – im Durchschnitt um 0,74 Punkte in der CO₂-Bilanz.
Wenn Nachhaltigkeit mehr Energie kostet
Die Studie entstand im Rahmen des EU-Projekts SME 5.0, das kleine und mittlere Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltigerer Produktion begleitet. Sie zeigt mehrere Widersprüche – etwa beim Wassersparen. In der Elektronik- und Textilindustrie werden Filtersysteme eingesetzt, die zwar weniger Wasser, aber deutlich mehr Strom benötigen.
„Wir hatten eine generelle Bestätigung der Versprechen der Kreislaufwirtschaft erwartet, aber die Ergebnisse sind weit vielfältiger“, sagt Mitautorin Margherita Molinaro. Viele Maßnahmen, die auf dem Papier gut aussehen, führen in der Praxis zu mehr Energieverbrauch, weil sie nicht als Gesamtprozess geplant sind.
Kreislaufwirtschaft müsse als übergreifendes Konzept verstanden werden – von der Produktentwicklung über die Energieversorgung bis zur Logistik. „Ohne effiziente Infrastrukturen, erneuerbare Energiequellen und geeignete Technologien kann ihr ökologischer Nutzen nicht vollständig ausgeschöpft werden“, so Molinaro.

Kreislaufwirtschaft kann Wirtschaft stärken
Neben ökologischen Aspekten hat die Studie auch die wirtschaftliche Bedeutung unter die Lupe genommen. Laut Europäischer Kommission kann die Kreislaufwirtschaft bis 2030 rund 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen und die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen um bis zu 20 Prozent verringern. In Italien hat die Branche bereits heute einen Wert von etwa 90 Milliarden Euro und beschäftigt Hunderttausende Menschen.
Das Potenzial greift jedoch nur, wenn Verfahren effizient und energiearm sind. Symbolpolitik ohne messbare Wirkung könne langfristig sogar Wettbewerbsnachteile schaffen.
Kreislaufwirtschaft braucht klare Standards für mehr Nachhaltigkeit
„Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn sie geplant, gemessen und mit verlässlichen Daten umgesetzt wird – nicht, wenn sie nur als Etikett dient“, sagt Orzes. Der entscheidende Hebel liegt im Design. Unternehmen, die ihre Produkte von Anfang an effizient, langlebig und reparierbar gestalten, können ihren Energieverbrauch senken und Rohstoffe sparen. Recycling allein reicht dafür nicht.
Redesign senkt den Energieeinsatz, verlängert Lebenszyklen und verringert den Abfall. Dadurch wird nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Die Experten fordern einheitliche Standards, um Fortschritte besser vergleichen zu können. Noch fehlt in vielen Branchen eine gemeinsame Grundlage, um echte Zirkularität messbar zu machen.
Kurz zusammengefasst:
- Die Studie der Freien Universität Bozen zeigt, dass Recycling und Wiederverwendung nicht automatisch nachhaltiger sind – sie können in der Praxis sogar mehr CO₂ verursachen als eine Neuproduktion.
- Nur ein durchdachtes Produkt-Redesign, das Materialien spart, Prozesse effizienter macht und Langlebigkeit fördert, senkt Emissionen wirklich messbar.
- Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit funktioniert nur mit Planung, Daten und klaren Standards – sonst bleibt sie Symbolpolitik ohne echten Klimanutzen.
Übrigens: Forscher der TU Wien haben ein Verfahren entwickelt, das Mischtextilien in nur fünf Minuten recyceln kann – ganz ohne Qualitätsverlust. Mehr dazu in unserem Artikel.
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