Forscher warnen: Die Sonne zu dimmen könnte das Klima ins Chaos stürzen
Eine Studie der Columbia University zeigt: Das künstliche Abdunkeln der Sonne ist technisch riskant, teuer und kaum kontrollierbar.

Die Idee klingt einfach: Weniger Sonnenlicht soll die Erde kühlen. Doch Forscher warnen – die Sonne zu dimmen könnte Wetter und Klima durcheinanderbringen. © Wikimedia
Einmal die Sonne dimmen – klingt nach der ultimativen Notlösung gegen den Klimawandel. Doch eine neue Studie der Columbia University zeigt, wie unbeherrschbar dieser Eingriff in das Klimasystem wäre.
Das Team um die Atmosphärenchemikerin V. Faye McNeill warnt: Selbst modernste Modelle unterschätzen, wie viele technische, wirtschaftliche und politische Hürden das Vorhaben tatsächlich hat.
Wie riskant es wirklich wäre, die Sonne zu dimmen
Die Idee hinter dem sogenannten Solar Geoengineering klingt simpel: In der Stratosphäre sollen reflektierende Partikel verteilt werden, um einen Teil des Sonnenlichts zu blockieren. Das würde die Erde abkühlen – ähnlich wie nach einem großen Vulkanausbruch. Doch laut der Columbia Climate School ist die Realität weitaus komplizierter. Schon kleine Abweichungen bei Ort, Zeitpunkt oder Menge der Partikel könnten das Weltklima empfindlich stören.
Ein Beispiel sind Monsune: Wird zu viel Material in bestimmten Breiten freigesetzt, könnten Regenzeiten ausfallen und Millionen Menschen ihre Ernten verlieren. „Es ist nicht einfach eine Frage, fünf Teragramm Schwefel in die Atmosphäre zu bringen. Es kommt darauf an, wo und wann man es tut“, sagt McNeill. Ohne internationale Abstimmung sei ein solches Projekt kaum kontrollierbar.
Forscher berechnen massive Unsicherheiten
Die Studie zeigt, dass selbst präzise Computermodelle die Risiken stark unterschätzen, wenn wir die Sonne dimmen würden. In der Praxis könnten Materialmangel, Transportprobleme und unklare Zuständigkeiten das Projekt scheitern lassen. „Die Bandbreite möglicher Folgen ist deutlich größer, als bisher angenommen“, so McNeill.
Das Forscherteam prüfte verschiedene Szenarien: zentral koordinierte Programme mit internationaler Kontrolle und dezentral organisierte Experimente einzelner Staaten. Das Ergebnis fällt eindeutig aus – nur globale Zusammenarbeit könnte eine minimale Chance bieten, die Risiken zu begrenzen. Doch die Autoren halten eine solche Koordination politisch für kaum erreichbar.
Warum Aerosole kaum zu steuern sind
Viele Modelle orientieren sich am Vulkanausbruch des Mount Pinatubo 1991. Damals sank die globale Durchschnittstemperatur um fast ein Grad. Doch die Folgen waren gravierend: gestörte Monsune, Ozonabbau und saurer Regen. Wenn künstliche Aerosole in der Stratosphäre verteilt würden, könnten ähnliche Nebenwirkungen auftreten – nur unkontrollierter und dauerhafter.
Die Forscher prüften mehrere Alternativen zu Schwefel, darunter Calciumcarbonat, Aluminiumoxid und Titandioxid. Zwar wirkten diese Stoffe in Simulationen vielversprechend, doch im Labor zeigten sich gravierende technische Hürden: Die Partikel verklumpten schnell, wurden zu schwer und verloren dadurch ihre reflektierende Wirkung. Damit sie funktionieren, müssten sie kleiner als ein Mikrometer bleiben – etwas, das bislang nur unter kontrollierten Laborbedingungen gelingt. In der Atmosphäre würden die Partikel jedoch zusammenkleben, absinken und dabei nicht nur weniger Sonnenlicht reflektieren, sondern auch Ozon und Luftströmungen verändern.
Außerdem stellt sich das Problem der Verfügbarkeit. „Die meisten Alternativen sind nicht nur teuer, sondern auch knapp“, erklärt Erstautorin Miranda Hack von der Columbia University. Diamant etwa hätte hervorragende optische Eigenschaften – ist aber als Rohstoff völlig unrealistisch. Selbst bei günstigeren Materialien wie Calciumcarbonat wäre der weltweite Bedarf enorm und die industrielle Produktion schnell überfordert.
Technische Grenzen und hohe Kosten bremsen die Umsetzung
Die Studie nennt auch logistische Probleme. Um große Mengen Partikel gleichmäßig in über 20 Kilometern Höhe zu verteilen, bräuchte es spezielle Flugzeuge oder Ballons mit Hochdrucksystemen. Diese Technik existiert nicht. Selbst bei vorhandenen Maschinen wären die Kosten laut Berechnungen bis zu zehnmal höher als in bisherigen Modellen angenommen.
Die Forscher sprechen deshalb von einer „engen Designspanne“: Ein wirklich risikoarmes Szenario sei kaum denkbar. Je realistischer die Annahmen, desto kleiner der mögliche Nutzen. Sulfatpartikel – ursprünglich wegen ihrer Risiken verworfen – erscheinen unter diesen Bedingungen sogar als die berechenbarere Variante.
Warum das künstliche Abdunkeln keine echte Lösung bietet
„Es wird nicht so ablaufen, wie 99 Prozent der bisherigen Modelle es zeigen“, warnt Gernot Wagner, Klimaökonom an der Columbia Business School. Das Projekt könne ungewollte Kettenreaktionen auslösen – von regionalen Dürren bis zu politischen Konflikten. Denn wer entscheidet, welche Länder mehr Sonne verlieren als andere?
Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass SAI – die stratosphärische Aerosol-Injektion – keine realistische Alternative zur Emissionsreduktion ist. Ohne globale Regeln und technische Lösungen bliebe sie ein riskantes Experiment. Die vermeintlich schnelle Lösung könnte am Ende das Gegenteil bewirken: ein instabiles Klima, das niemand mehr kontrollieren kann.
Deshalb besteht dringender Forschungsbedarf, bevor politische Entscheidungsträger solche Methoden ernsthaft erwägen. Die Risiken steigen mit jeder Unsicherheit – und davon gibt es viele: von der Materialproduktion bis zu den Auswirkungen auf Niederschlag und Ozon.
Selbst wenn die Technik eines Tages funktionieren sollte, bleibt eine zentrale Frage offen: Wer trägt die Verantwortung, wenn das Experiment schiefläuft? Solange darauf keine Antwort existiert, bleibt die Idee, die Sonne zu dimmen, vor allem eines – ein gefährlicher Traum vom Klimaschutz.
Kurz zusammengefasst:
- Die Methode, die Sonne zu dimmen, soll die Erde durch reflektierende Partikel in der Stratosphäre abkühlen, birgt aber hohe technische und politische Risiken.
- Experten zufolge sind die Materialien knapp, die Partikel schwer zu kontrollieren und Nebenwirkungen auf Klima und Ozon möglich.
- Die Methode ersetzt keine Emissionsminderung und gilt derzeit als zu unsicher, teuer und unberechenbar für einen realen Einsatz.
Übrigens: Auch in Arktis und Antarktis setzen einige Forscher auf technische Eingriffe ins Klima – von Schwefelpartikeln bis zu Glasperlen im Eis. Eine neue Analyse zeigt jedoch: Diese fünf Geoengineering-Ideen sind teuer, riskant und könnten das Klima noch stärker destabilisieren – mehr dazu in unserem Artikel.
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