Studie: Artenvielfalt schützt Wälder nicht bei Dürre
Was lange als Vorteil galt, kehrt sich bei Dürre ins Gegenteil. Vielfalt kann Bäume schwächen, statt sie zu schützen.

Die Universität Freiburg untersucht im BIOTREE-Experiment in Kaltenborn, wie sich verschiedene Baumarten in Mischwäldern auf Wachstum und Stabilität auswirken. © Hernán Serrano-León
Wälder gelten als wichtige Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel, und unterschiedliche Baumarten sollen sich dabei gegenseitig ausgleichen, Wasser besser nutzen und so das Ökosystem stabiler machen. Doch eine großangelegte Untersuchung unter Leitung der Universität Freiburg kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Bei anhaltender Dürre hilft Vielfalt den Bäumen nicht – sie kann ihnen sogar schaden.
Untersucht wurden dafür 948 Bäume in neun Versuchsflächen, verteilt auf sechs Länder von Südeuropa bis Skandinavien. Die Flächen wurden gezielt so angelegt, dass dort zwischen einer und sechs Baumarten nebeneinander wachsen. Die Bäume waren zwischen acht und 23 Jahre alt, also jung genug, um noch empfindlich auf Wetterextreme zu reagieren.
Nicht jede Baumart kommt mit Dürre klar – Vielfalt reicht nicht aus
Um die Trockenheit zu messen, nutzten die Forscher eine spezielle Skala, die Dürren vergleichbar macht. Ab einem Wert von –1,3 spricht man von schwerer Trockenheit – in den untersuchten Regionen lagen die Werte sogar noch darunter, bis zu –2,9. Das bedeutet: Wochenlang fiel kaum Regen, in manchen Jahren blieben die Böden bis zu 91 Tage fast ohne Wasser.
„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich: Eine größere Baumartenvielfalt kann angesichts zunehmender und intensiverer Dürren keine Universalempfehlung sein“, sagt Hernán Serrano-León, Erstautor der Studie. Wichtiger als die Zahl der Arten sei, wie gut sie mit Trockenheit umgehen können.
Standort entscheidet über Wirkung der Vielfalt
Besonders spannend: In Freiburg zeigte sich bei längeren Trockenphasen tatsächlich ein Vorteil der Vielfalt. Dort wuchsen Bäume mit hoher Trockentoleranz stabiler, weil sie von resistenten Nachbarn profitierten. Ganz anders dagegen in Finnland und Belgien: Hier führte mehr Vielfalt zu stärkerem Konkurrenzkampf um das knappe Wasser. Sensible Arten litten dort noch stärker und das Wachstum brach ein.
„Arten mit einem höheren hydraulischen Sicherheitsspielraum hatten deutlich geringere Wachstumsverluste“, so Serrano-León. Gemeint ist die Fähigkeit, bei Wasserknappheit die Leitbahnen im Holz länger funktionsfähig zu halten. Damit wird klar: Nicht die Intensität einer Trockenperiode ist ausschlaggebend, sondern ihre Dauer und die Eigenschaften der Baum-Nachbarn.
Präzise Daten aus Europas größtem Versuchsnetz
Die Datengrundlage war außergewöhnlich breit. Sie stammt aus TreeDivNet, dem weltweit größten Netzwerk für Baumartenvielfalt. Dort lassen sich Versuchsflächen systematisch vergleichen, weil Alter, Pflanzdichte und Pflegebedingungen ähnlich sind. Das Team nutzte Jahresringanalysen und Röntgentomografie, um selbst kleine Veränderungen im Wachstum sichtbar zu machen.
„Wir haben festgestellt, dass eine höhere Vielfalt in der Nachbarschaft im ersten Dürrejahr meist keinen Einfluss aufs Wachstum hatte. Bei längerer Dürre wurde der Effekt aber stärker und konnte sowohl positiv als auch negativ sein, abhängig vom Standort“, erklärt Serrano-León.
Die Erkenntnis ist für die Waldbewirtschaftung entscheidend. Mischwälder gelten bislang oft als „Königsweg“ gegen den Klimawandel. Doch die neue Studie zeigt: Ohne die gezielte Auswahl passender Arten kann Vielfalt im Wald auch zum Risiko werden.
Kurz zusammengefasst:
- Artenvielfalt macht Wälder nicht automatisch widerstandsfähiger: Bei langen Dürreperioden kann sie sogar zusätzlichen Stress auslösen.
- Entscheidend ist nicht die Anzahl der Baumarten, sondern ihre Fähigkeit, mit Trockenheit umzugehen und Wasser effizient zu nutzen.
- Für die Forstwirtschaft bedeutet das: Mischungen müssen gezielt an die regionalen Bedingungen angepasst werden, um Wälder stabil zu halten.
Übrigens: Der Amazonas schützt nicht nur Artenvielfalt, sondern auch Millionen Menschen vor Krankheiten. Neue Daten zeigen, wie stark Waldbrände die Gesundheit belasten – und wie indigene Gebiete Leben retten können. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Hernán Serrano-León