Starkregen-Todesfälle massiv unterschätzt: Nature-Studie zeigt die wahre Bilanz

Wenn nach Starkregen in Mumbai die Opfer gezählt werden, fehlen viele Todesfälle – Statistiken erfassen indirekte Opfer nicht, zeigt eine neue Studie.

Starkregen-Todesfälle unterschätzt: Studie zeigt die wahre Bilanz

Blick auf Mumbai vor dem Regen: Nach heftigen Schauern steigen die Todesfälle – zur Flutphase noch stärker. © Wikimedia

Starkregen trifft Städte hart – nicht nur, wenn Straßen unter Wasser stehen. In den Wochen nach heftigen Schauern steigen die Todesfälle oft deutlich an, weil Krankheiten, Stromschläge oder blockierte Rettungswege Menschen gefährden. Dieser stille Teil der Katastrophe taucht in vielen Statistiken nicht auf.

Eine neue Untersuchung aus Mumbai liefert dafür belastbare Zahlen. Die Autorinnen und Autoren verknüpfen Todesregister mit fein aufgelösten Regen- und Tidendaten und schätzen den kausalen Effekt von Niederschlag auf die Sterblichkeit. Die Studie erschien in Nature – und sie zeigt, wie groß die Lücke in den amtlichen Meldungen tatsächlich ist.

Warum offizielle Zahlen das wahre Ausmaß verfehlen

Die Forscher schreiben wörtlich: „Regen verursacht mehr als 8 Prozent der Todesfälle Mumbais während der Monsunzeit.“ Der Großteil dieser Belastung trifft Menschen in Vierteln ohne sichere Wasser-, Abwasser- und Stromversorgung. „Mehr als 80 Prozent dieser Last tragen Slumbewohner.“

Entscheidend ist nicht nur die Regenmenge, sondern auch die Intensität. Ein Tag mit 150 Millimetern erhöht die Fünf-Wochen-Sterblichkeit im Mittel um 2,2 Prozent. Fällt dieselbe Menge in fünf besonders nassen Stunden (je 30 Millimeter), steigt das Risiko auf etwa 3 Prozent. Kurze, heftige Wolkenbrüche treffen urbane Systeme also besonders hart.

Gezeiten verschärfen das Risiko

Die Daten zeigen eine zweite Verstärkung: die Gezeiten. Trifft starker Regen auf steigendes Wasser während der Flutphase, läuft das Wasser schlechter ab – die Kanalisation gerät schneller an Grenzen. Eine Stunde mit 30 Millimetern Regen geht dann mit einem Sterblichkeitsanstieg von 0,95 Prozent einher; bei Niedrigwasser liegt der Effekt nur bei 0,12 Prozent. „Die Sterblichkeit steigt bei Regen während hoher Tiden stark an“, heißt es in der Studie.

Die Ergebnisse basieren auf Todesregistern und Regenmessungen im 15-Minuten-Takt aus den Jahren 2006 bis 2015. Um zu prüfen, ob der Zusammenhang echt ist, wurden die Regen-Daten absichtlich durcheinandergewürfelt – Zeiten und Orte passten dann nicht mehr zu den realen Ereignissen. Ergebnis: Der Effekt verschwand. Das zeigt, dass der Anstieg der Todesfälle nur auftritt, wenn tatsächlicher Regen zur tatsächlichen Zeit am tatsächlichen Ort einsetzt – also kein Zufall, sondern ein realer Zusammenhang.

Ein weiterer Aspekt der Untersuchung: Steigt der Meeresspiegel ohne Gegenmaßnahmen um 5 Zentimeter, erhöht sich der Anteil der Todesfälle nach Regen von 8,5 Prozent auf 9,1 Prozent. Bei 15 Zentimetern liegt der Anteil bei 10 Prozent.

Wer am meisten gefährdet ist – und warum

Besonders betroffen sind der Analyse zufolge bestimmte Gruppen: Kinder unter fünf Jahren sind prozentual am stärksten gefährdet. Frauen tragen ein höheres Risiko als Männer. Bei älteren Menschen fällt die absolute Zahl höher aus, weil ihre Grundsterblichkeit ohnehin größer ist.

Warum unterschätzen Statistiken dieses Geschehen? Viele Todesursachen tauchen in der Bilanz nicht auf, weil sie nach dem Starkregen oft mit Verzögerung auftreten, wie:

  • Durchfallerkrankungen
  • Typhus
  • Malaria
  • Herz-Kreislauf-Notfälle
  • Unfälle durch Strom oder einstürzende Bauteile
  • überfüllte Kliniken

Entsprechend verteilt sich der zusätzliche Anstieg über fünf Wochen – nicht nur auf die akute Ereigniswoche.

Für die Stadtplanung bedeutet das: Entwässerung, sauberes Trinkwasser und funktionierende Müllentsorgung sind Teil der Gesundheitsvorsorge. Wenn Gullys verstopfen, bleibt Regenwasser stehen – und daraus entstehen Infektionsherde. Abfall, der Kanäle verstopft, legt Pumpen lahm. Nur wo diese Systeme zuverlässig arbeiten, bleibt die Bevölkerung auch bei heftigen Schauern besser geschützt.

Kurz zusammengefasst:

  • Starkregen erhöht die Sterblichkeit deutlich: Laut Nature-Studie verursacht Regen während der Monsunzeit über 8 Prozent aller Todesfälle in Mumbai – besonders betroffen sind Menschen in Slums mit mangelhafter Infrastruktur.
  • Kurze, heftige Schauer sind gefährlicher als Dauerregen: Fällt dieselbe Regenmenge in wenigen Stunden, steigt die Fünf-Wochen-Sterblichkeit stärker an, vor allem wenn Flutwasser den Abfluss behindert.
  • Gesundheitsschutz braucht Stadtplanung: Verbesserte Entwässerung, sauberes Wasser und funktionierende Abfallentsorgung können verhindern, dass Starkregen über Krankheiten und Unfälle zu Hunderten zusätzlichen Todesfällen führt.

Übrigens: Eine neue KI erkennt Hochwasser Tage früher – sie verknüpft Physik mit Maschinenlernen und erhöht die Treffsicherheit um bis zu 40 Prozent. Das verschafft Behörden und Anwohnern kostbare Zeit – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Adiivp photography via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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