Geheime Kräfte wie ein Spinnennetz – Forscher erklären, warum Brücken Katastrophen überstehen

Selbst nach schweren Schäden tragen Brücken weiter. Spanische Forscher entdeckten geheime Mechanismen, die Stabilität und Sicherheit sichern.

Selbst nach schweren Schäden tragen Brücken weiter: Spanische Forscher entdeckten geheime Mechanismen, die Stabilität und Sicherheit sichern.

Spanische Forscher zeigen, dass Brücken selbst nach schweren Schäden stabil bleiben, weil verborgene Mechanismen ihre Sicherheit gewährleisten. © Pexels

Wenn Brücken beschädigt werden, hat das gravierende Folgen: tagelange Sperrungen, hohe wirtschaftliche Verluste und ein Risiko für die Sicherheit. Dennoch stürzen viele Stahlfachwerkbrücken nicht sofort ein, selbst wenn zentrale Teile versagen. Warum das so ist, haben Forscher der Universitat Politècnica de València (UPV) und der Universität Vigo untersucht. Ihre im Fachjournal Nature veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Brücken verhalten sich in mancher Hinsicht wie Spinnennetze.

Verborgene Mechanismen schützen die Sicherheit von Brücken

Die Forscher sprechen von unsichtbaren Mechanismen, die Lasten umleiten. Diese greifen erst, wenn ein wichtiges Bauteil ausfällt. Dann übernehmen andere Teile die Arbeit.

„Wir konnten zeigen, dass beschädigte Stahlfachwerkbrücken ähnlich wie Spinnennetze funktionieren: Trotz Schäden tragen sie oft sogar höhere Lasten als im normalen Betrieb – ohne einzustürzen“, erklärt Projektleiter José M. Adam.

Forscher der Universitat Politècnica de València und der Universität Vigo enthüllen in Nature, warum Stahlfachwerkbrücken Katastrophen wie Spinnennetze überstehen.
Ein Team der Universitat Politècnica de València und der Universität Vigo erklärt in Nature, warum Stahlfachwerkbrücken selbst nach Katastrophen standhalten – ähnlich wie Spinnennetze. © UPV

Brücken verhalten sich wie Spinnennetze

Reißt im Netz einer Spinne ein Faden, bleibt das Konstrukt stabil. Übertragen auf Brücken bedeutet das: Fällt eine Stütze oder Strebe aus, entstehen neue Wege, über die die Kräfte abgeleitet werden. Fachleute sprechen von „Alternative Load Paths“.

Die Forscher haben sechs verschiedene Mechanismen identifiziert, die eine Brücke im Schadensfall stabil halten. Jeder verteilt die Lasten anders – je nachdem, welches Element zuerst versagt.

  • Verformung einzelner Felder: Teile der Brücke biegen sich und übernehmen so zusätzliche Kräfte.
  • Querverbände übernehmen Lasten: Diese Elemente leiten Kräfte von beschädigten Bauteilen weiter.
  • Verdrehung der gesamten Struktur: Die Brücke reagiert flexibel, indem sie sich als Ganzes leicht verwindet.
  • Lokale Scharniere entstehen: Bestimmte Verbindungen wirken wie Gelenke und ermöglichen Bewegungen.
  • Biegung außerhalb der Ebene: Teile der Brücke verformen sich nach außen, um Belastungen aufzunehmen.
  • Einfache Biegung benachbarter Teile: Direkt angrenzende Elemente überbrücken den Schaden.

Zusammen sorgen diese Prozesse dafür, dass eine beschädigte Brücke oft stabil bleibt, bis weitere Bauteile nachgeben.

Labortests mit echten Belastungen

Um diese Prozesse sichtbar zu machen, bauten die Forscher ein Modell nach dem Vorbild einer Eisenbahnbrücke. Es bestand aus Stahl S275 mit einer Streckgrenze von 275 Megapascal. Das Modell wog 4,2 Kilonewton, ergänzt durch ein Prüf-Rig von 5,4 Kilonewton.

Neun Schadensfälle spielten die Ingenieure im Labor nach. Sie schnitten gezielt Bauteile durch und beobachteten die Reaktionen. 80 Dehnungsmessstreifen und 14 Wegaufnehmer zeichneten jede Bewegung auf. Zusätzlich simulierte das Team am Computer 222 weitere Szenarien.

Ein verkleinertes Modell einer Eisenbahnbrücke wird im Labor getestet. Es basiert auf einer realen Brückenspannweite, und die Belastungen wurden so angelegt, dass auch ungünstige Szenarien wie bei einem Bauteilversagen untersucht werden können.
Das Original einer Eisenbahnbrücke diente als Vorlage für das verkleinerte Modell, das im Labor getestet wurde. Die Forscher legten dafür spezielle Belastungs­aufbauten fest, um auch ungünstige Lastsituationen realistisch nachzustellen. © Nature (2025)

Modelle halten mehr aus als gedacht

Die Ergebnisse überraschten selbst die Experten: Auch im beschädigten Zustand hielten die Modelle das 1,8- bis 3-Fache der vorgesehenen Betriebslast von 80 Kilonewton aus. Erst wenn mehrere Teile nacheinander nachgaben, brach das System zusammen.

„Dank dieser Erkenntnisse verstehen wir, wie Brücken auch nach dem Ausfall eines einzelnen Elements weiter Lasten tragen können“, sagt Carlos Lázaro, leitender Forscher an der UPV.

Welche Bauteile für die Sicherheit von Brücken entscheidend sind

Nicht jeder Schaden wirkt gleich. Versagten Obergurte oder Stiele, kam es schneller zu spröden Brüchen. Diese Elemente tragen hohe Druckkräfte. Untergurte, die Zug aufnehmen, verhielten sich dagegen dehnbar und gaben dem System mehr Zeit. Diagonalen lagen zwischen diesen Extremen.

Querverbände spielten eine Schlüsselrolle bei der Umleitung von Kräften. Fielen sie selbst aus, war das Bauwerk insgesamt weniger gefährdet, doch das Risiko für den Betrieb stieg: Züge könnten entgleisen, Fahrzeuge schneller in Gefahr geraten.

Schäden kosten Millionen

Brücken sind zentrale Knotenpunkte. Ihr Ausfall trifft sofort die Wirtschaft. Sperrungen verursachen Schäden in Millionenhöhe – und zwar pro Tag. „Angesichts immer heftigerer und unvorhersehbarer Naturereignisse sowie Umweltveränderungen, die die Alterung von Brücken beschleunigen, ist es entscheidend, dass diese Bauwerke nach einem lokalen Schaden nicht einstürzen. In diesem Punkt sind wir in unserer Studie vorangekommen“, erklärt Belén Riveiro von der Universität Vigo.

Die Studie hilft, Wartung und Sanierung gezielter zu planen. Mit den neuen Erkenntnissen können Ingenieure besser einschätzen, welche Bauteile regelmäßig kontrolliert werden müssen. Außerdem lassen sich Reparaturen effizienter umsetzen. Das spart Zeit und Geld.

Für die Praxis ergeben sich drei große Vorteile:

  • Mehr Sicherheit: Auch bei Schäden bleibt Zeit zum Handeln.
  • Wirtschaftlicher Nutzen: Weniger Sperrungen und schnellere Reparaturen.
  • Neue Standards: Bauvorschriften können angepasst werden, um Brücken langlebiger zu machen.

„Unser zentrales Ziel ist es, die Sicherheit dieser wichtigen Verkehrs­bauwerke zu erhöhen. Dabei liefert die Natur den Schlüssel: Dieses Mal haben wir von Spinnennetzen gelernt, deren Verhalten dem von Stahlfachwerkbrücken ähnelt“, fasst Adam zusammen.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Forschung belegt, dass die Sicherheit von Brücken davon abhängt, wie gut unsichtbare Mechanismen im Inneren die Kräfte nach einem Schaden neu verteilen.
  • In Labortests hielten beschädigte Modelle noch das 1,8- bis 3-Fache der vorgesehenen Betriebslast von 80 Kilonewton aus, bevor sie zusammenbrachen.
  • Die Ergebnisse helfen, Brücken gezielter zu überwachen, Sanierungen effizienter zu planen und neue Bauvorschriften zu entwickeln, um Ausfälle und Millionenschäden zu verhindern

Übrigens: Plastikmüll könnte nicht nur die Umwelt belasten, sondern auch Teil der Lösung werden. Wie Abfall künftig sogar CO2 aus der Luft filtern soll, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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