Siebter Patient von HIV „geheilt“: Warum Wissenschaftler begeistert sind

Ein 60-jähriger Patient aus Deutschland ist seit fast sechs Jahren HIV-frei. Diese Entdeckung könnte die HIV-Behandlung revolutionieren.

HIV Patient

Koloriertes Bild einer HIV-infizierten H9-T-Zelle. © Wikimedia

Ein 60-jähriger Patient aus Deutschland soll nach einer Stammzelltransplantation seit fast sechs Jahren HIV-frei sein. Die Stammzellen sollen von einem Spender stammen, der nur eine Kopie des mutierten CCR5-Gens habe, das normalerweise HIV daran hindert, in die Immunzellen einzudringen. Diese Entdeckung könnte die Behandlungsmöglichkeiten für HIV-Patienten revolutionieren. Laut Nature sei der Mann der siebte bekannte Fall, in dem eine Stammzelltherapie eine Heilung bewirkt habe.

HIV-Patient findet seltenen Stammzellspender

Der Mann erhielt die Diagnose HIV im Jahr 2009 und entwickelte 2015 eine akute myeloische Leukämie. Die Suche nach einem geeigneten Stammzellspender gestaltete sich schwierig, da keine vollständig resistenten Spenderzellen gefunden wurden. Schließlich fanden die Ärzte eine Spenderin mit einer Kopie des mutierten CCR5-Gens. Die Transplantation im Jahr 2015 verlief erfolgreich, und der Patient setzte 2018 die antiretrovirale Therapie (ART) ab.

Laut Christian Gaebler, Mediziner und Immunologe an der Charité Berlin, sei die Krebsbehandlung sehr gut verlaufen. Innerhalb eines Monats wurden die Stammzellen des Patienten vollständig durch die des Spenders ersetzt.

Unabhängigkeit vom CCR5-Rezeptor

Der Erfolg dieser Behandlung widerlegt die bisherige Annahme, dass eine Heilung von HIV ausschließlich vom CCR5-Rezeptor abhängt. Sharon Lewin, Medizinerin für Infektionskrankheiten und Leiterin des Peter Doherty Institute for Infection and Immunity in Melbourne, Australien, betont: „Der Fall sendet eine klare Botschaft, dass es bei der Heilung von HIV nicht nur um CCR5 geht.“

Frühere Heilungsversuche mit regulären CCR5-Stammzellen scheiterten oft, da das Virus nach dem Absetzen der ART wiederkehrte. Diesmal jedoch nicht. Die Forscher vermuten, dass die Kombination aus ART, Chemotherapie und der partiellen Resistenz der Spenderzellen zu diesem Erfolg führte. „Wenn man das Reservoir genug verkleinern kann, kann man Menschen heilen“, sagt Lewin.

Neue Therapien erweitern Heilungschancen erheblich

Dieser Durchbruch könnte die Möglichkeiten für zukünftige HIV-Behandlungen erheblich erweitern. Der Ansatz, den CCR5-Rezeptor durch Geneditierungstechniken wie CRISPR–Cas9 aus den Zellen zu entfernen, könnte ebenfalls vielversprechend sein. Laut Nature könnten diese Therapien auch dann wirken, wenn sie nicht jede einzelne Zelle erreichen.

Der Patient, bekannt als der „nächste Berliner Patient“, reiht sich in eine kleine Gruppe von Menschen ein, die durch Stammzelltransplantationen geheilt wurden. Die erste bekannte Heilung war Timothy Ray Brown, bekannt als der „Berliner Patient“, der 2007 geheilt wurde. Die aktuellen Erkenntnisse könnten nun die Anzahl potenzieller Spender erhöhen, da etwa 10 Prozent der Menschen europäischer Abstammung eine Kopie des mutierten CCR5-Gens besitzen.

HIV-Behandlung könnte sich grundlegend ändern

Die Forschungsergebnisse könnten das Verständnis von HIV und dessen Heilung entscheidend beeinflussen. Sara Weibel, medizinische Wissenschaftlerin an der University of California, San Diego, sagt, der Fall erweitere den Horizont dessen, was bei der Behandlung von HIV möglich sei. Rund 40 Millionen Menschen weltweit leben mit HIV. Diese neuen Erkenntnisse könnten einen bedeutenden Fortschritt in der Bekämpfung des Virus darstellen.

Das Team von Wissenschaftlern arbeitet nun daran zu verstehen, warum diese speziellen Transplantationen erfolgreich waren, während andere scheiterten. Mögliche Mechanismen könnten die Kombination aus ART, Chemotherapie und der schnellen Ersetzung der Stammzellen sein. Christian Gaebler erklärt, dass die Tatsache, dass sowohl der Patient als auch der Spender eine Kopie des mutierten CCR5-Gens hatten, eine zusätzliche Barriere für das Virus geschaffen haben könnte.

Was du dir merken solltest:

  • Ein 60-jähriger HIV-Patient aus Deutschland ist nach einer Stammzelltransplantation seit fast sechs Jahren HIV-frei.
  • Die Stammzellenspenderin hatte eine Kopie des mutierten CCR5-Gens, was bisher als weniger effektiv galt.
  • Diese Entdeckung könnte die Möglichkeiten für zukünftige HIV-Behandlungen erheblich erweitern.

Bild: © National Institutes of Health (NIH) via Wikimedia unter Public Domain

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert