Rätsel gelöst: Warum manche Vulkane ruhig bleiben, während andere explodieren
Scherkräfte im aufsteigenden Magma lösen frühzeitig Gasblasen aus und erklären, warum manche eigentlich explosiven Vulkane überraschend ruhig bleiben.
Im Inneren eines Vulkans bewegt sich Magma unterschiedlich schnell – diese Reibung wirkt wie ein Rührwerk und kann den Druck rechtzeitig abbauen. © Unsplash
Sie können monatelang still vor sich hin rauchen und dann in Sekunden ganze Landschaften verwandeln. Vulkane gehören zu den mächtigsten, aber auch rätselhaftesten Kräften der Erde. Forscher suchen seit Jahrzehnten nach einer Antwort auf die Frage, warum manche Feuerberge explosionsartig ausbrechen, während andere ruhig Lava ausfließen lassen.
Eine neue Studie der ETH Zürich bringt nun Licht in dieses Rätsel. Entscheidend sind nicht nur die Druckverhältnisse im Inneren, sondern auch die Bewegung der Magma. Denn winzige Gasblasen im Inneren der Vulkane können darüber bestimmen, ob sich gefährlicher Druck aufbaut oder frühzeitig entweicht.
Bewegung im Magma verändert Vulkane und löst Gasblasen aus
Das Forschungsteam um Professor Olivier Bachmann wollte verstehen, warum manche Vulkane trotz gasreicher Magma harmlos bleiben. Dafür entwickelten die Wissenschaftler ein Labor-Experiment mit einer zähflüssigen, kohlendioxidreichen Flüssigkeit, die der Zusammensetzung von Magma ähnelt.
Sie versetzten das Gemisch in Bewegung – ähnlich wie beim Rühren eines Glases Honig. Sobald sich die Flüssigkeit ungleichmäßig bewegte, entstanden spontan Gasblasen, obwohl der Druck gleich blieb. „Unsere Experimente zeigten, dass die Bewegung im Magma durch Scherkräfte ausreicht, um Gasblasen zu bilden – auch ohne Druckabfall“, erklärt Bachmann.
Besonders viele Blasen bildeten sich dort, wo das Magma an den Wänden des Vulkanschlots haftete. Dort ist die Reibung am stärksten. Bereits vorhandene Blasen verstärkten den Effekt zusätzlich. „Je mehr Gas das Magma enthält, desto weniger Scherung braucht es für die Blasenbildung und das Wachstum“, so Bachmann.
Scherkräfte im Magma steuern Vulkane und Gasblasenbildung
Magma fließt im Schlot nie gleichmäßig. In der Mitte bewegt es sich schneller, an den Rändern langsamer. Diese Geschwindigkeitsunterschiede erzeugen Reibung – sogenannte Scherkräfte – und wirken wie ein natürliches Rührwerk. Dabei wird die Schmelze regelrecht „geknetet“, winzige Gasansammlungen verbinden sich zu Blasen, die weiter wachsen.
Diese Blasen können sich zusammenschließen und bilden Kanäle, durch die Gase entweichen. So verringert sich der Druck, bevor das Magma an die Oberfläche gelangt. Computersimulationen bestätigten, dass dieser Prozess besonders stark dort abläuft, wo das Magma zähflüssig ist und an den Schlotwänden haftet – also genau in den Bereichen mit der größten Reibung.
Ein neues Verständnis für Ausbrüche
Die Wissenschaftler kombinierten ihre Laborversuche mit theoretischen Analysen und Simulationen. Das Ergebnis: Scherkräfte sind ein bisher übersehener Mechanismus der Gasblasenbildung.
- Zweite Ursache: Gasblasen entstehen nicht nur durch sinkenden Druck, sondern auch durch Bewegung im Magma.
- Doppelte Wirkung: Scherkräfte können Magma beruhigen oder antreiben – je nach Gasgehalt.
- Frühe Entgasung: Wenn Blasen in der Tiefe entstehen, kann Druck rechtzeitig entweichen und eine Explosion verhindern.
Diese Erkenntnisse ändern das Verständnis, wie Vulkane funktionieren. Bachmann erklärt:
Um das Gefahrenpotenzial besser einzuschätzen, müssen wir unsere Modelle anpassen und die Scherkräfte im Inneren berücksichtigen.
Dieselben Kräfte, die einen Vulkan entschärfen, können ihn im falschen Moment zur Explosion bringen. Bei geringem Gasgehalt kann Scherung den entscheidenden Schub liefern, der Magma explosionsartig nach oben treibt.
Warum manche Vulkane ruhig bleiben
Die neuen Erkenntnisse erklären, warum selbst gasreiche Vulkane manchmal friedlich bleiben. Wenn sich Gasblasen tief im Inneren bilden, können sie sich verbinden und kleine Entlüftungskanäle schaffen. Über diese Kanäle entweichen Gase, bevor der Druck zu groß wird. Das Magma verliert an Spannung – ein potenziell explosiver Ausbruch bleibt aus.
Ein klassisches Beispiel ist der Mount St. Helens im US-Bundesstaat Washington. Beim Ausbruch 1980 trat zunächst nur langsam fließende Lava aus, obwohl die Magma stark mit Gas gesättigt war. Erst als ein Erdrutsch den Schlot abriss und der Druck abrupt abfiel, folgte die gewaltige Explosion. Die Forscher vermuten, dass die Scherkräfte im Inneren zuvor bereits eine frühe Entgasung ermöglichten.
Kurz zusammengefasst:
- Ob Vulkane ruhig bleiben oder explosiv ausbrechen, hängt davon ab, wann und wie Gasblasen im Magma entstehen – nicht nur vom Druck, sondern auch von innerer Bewegung.
- Laut einer neuen Studie reicht bereits das „Kneten“ im Vulkanschlot aus, um Gas aus der Schmelze zu lösen. So können Magmen frühzeitig entgasen und gefährliche Druckanstiege vermeiden.
- Die Erkenntnisse helfen der Wissenschaft, das Risiko von Eruptionen genauer einzuschätzen und zu erklären, warum manche Vulkane trotz hoher Gasmenge ruhig bleiben.
Übrigens: Auch Vulkane mitten im Ozean können Spuren uralter Kontinente tragen. Neue Analysen zeigen, dass sich Kontinente tief unter der Erde langsam abschälen und genau daraus entstehen Vulkane fernab der Plattengrenzen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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