Neues Verfahren löst altes Recycling-Problem – Textilien können so fast vollständig wiederverwertet werden

Ein Menthol-Verfahren der TU Wien macht das Recycling von Mischfasern in Textilien einfacher und umweltfreundlicher.

Neues Recycling trennt Textilien in nur fünf Minuten

Weltweit entstehen jedes Jahr mehr als 100 Millionen Tonnen Textilien. Das neue Menthol-Verfahren soll helfen, sie umweltfreundlich zu recyceln. © Unsplash

Kleidung wird immer schneller produziert und ebenso schnell entsorgt. Weltweit entstehen inzwischen mehr als 120 Millionen Tonnen Textilien pro Jahr – doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Ein Großteil landet nach kurzer Nutzung im Müll oder wird verbrannt. Das Recycling von Textilien bleibt eine der größten Herausforderungen der Modeindustrie. Besonders problematisch sind Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester – robust, günstig und pflegeleicht, aber kaum wiederverwertbar.

Ein Forschungsteam der Technischen Universität Wien hat nun ein Verfahren entwickelt, das dieses Problem lösen könnte. Mithilfe eines neuartigen Lösungsmittels lassen sich beide Fasern in wenigen Minuten voneinander trennen, ohne ihre Struktur zu verändern.

Menthol und Benzoesäure ermöglichen sanftes Recycling

Die Forscher um Andreas Bartl und Nika Depope setzen auf zwei einfache Substanzen: Menthol und Benzoesäure. Beide sind ungiftig, leicht verfügbar und umweltfreundlich. Zusammen bilden sie eine Flüssigkeit – ein sogenanntes Deep Eutectic Solvent –, die bei Raumtemperatur fest ist, sich aber beim Erwärmen verflüssigt.

Wird das Lösungsmittel auf rund 216 Grad Celsius erhitzt, geschieht innerhalb von nur fünf Minuten ein bemerkenswerter Effekt: Der Polyesteranteil löst sich vollständig auf, während die Baumwolle unversehrt bleibt. Beim Abkühlen fällt der Polyester wieder aus und kann gefiltert werden. Die Baumwollfasern lassen sich anschließend waschen, trocknen und erneut verspinnen.

„Das wirklich Erstaunliche an diesem Verfahren ist, dass weder die Baumwolle noch der Polyester beschädigt oder chemisch verändert werden“, erklärt Bartl. „Beide Materialien behalten ihre ursprünglichen Eigenschaften.“

Nika Depope von der Technischen Universität Wien hat gemeinsam mit ihrem Team ein Verfahren entwickelt, das Mischtextilien in nur fünf Minuten recyceln kann. © TU Wien
Nika Depope von der Technischen Universität Wien hat gemeinsam mit ihrem Team ein Verfahren entwickelt, das Mischtextilien in nur fünf Minuten recyceln kann. © TU Wien

Menthol-Verfahren erzielt Rekordwerte beim Recycling von Textilien

Im Labor erzielte das Verfahren beeindruckende Rückgewinnungsraten: 100 Prozent Baumwolle und 97 Prozent Polyester konnten nahezu unverändert wiedergewonnen werden. Damit erreicht das Menthol-Verfahren eine Qualität, die mit bisherigen Methoden nicht erreichbar war.

Bei anderen Verfahren wird Polyester meist chemisch zerlegt und später neu zusammengesetzt – ein Prozess, der Energie kostet und die Materialqualität mindert. Das neue Verfahren erhält dagegen die Polymerketten vollständig.

Hohe Qualität trotz kurzer Prozesszeit

Die Analysen des Teams bestätigen, dass die Fasern stabil bleiben. Mikroskopische Aufnahmen zeigen, dass die Baumwolle ihre Struktur behält. Wärme- und Infrarotspektroskopien belegen, dass keine neuen chemischen Bindungen entstehen.

Auch die mechanische Qualität stimmt: Die Baumwollfasern verloren zwar etwas an Reißfestigkeit und Dehnbarkeit, blieben aber innerhalb der üblichen Toleranz für Recyclingfasern. Der recycelte Polyester wies sogar eine etwas höhere Kristallinität auf – ein Zeichen für eine stabile, gut geordnete Struktur.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Fasern problemlos wieder zu Garn verarbeitet werden können“, sagt Bartl. Das macht das Verfahren nicht nur umweltfreundlich, sondern auch wirtschaftlich interessant.

Wirtschaftliches Potenzial für nachhaltige Mode

Die Textilindustrie zählt zu den größten Umweltbelastungen weltweit. Laut dem Materials Market Report 2024 von Textile Exchange stammen weltweit weniger als ein Prozent aller Textilfasern aus recycelten Alttextilien. Der überwiegende Teil des recycelten Polyesters wird weiterhin aus alten Plastikflaschen gewonnen, während Baumwollfasern bislang kaum im Recyclingkreislauf landen.

Die Forscher der TU Wien sehen in dem neuen Verfahren eine Chance, das zu ändern. Die Methode könnte künftig große Mengen an Mischgeweben wiederverwertbar machen – ein wichtiger Schritt hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft.

TU Wien plant den nächsten Schritt

Derzeit wird das Menthol-Verfahren noch im Labor getestet. Das Team arbeitet daran, den Energieverbrauch zu senken und das Lösungsmittel mehrfach zu verwenden. Ziel ist eine industrielle Anwendung in Recyclinganlagen – etwa zur automatisierten Sortierung und Rückgewinnung von Textilfasern.

Das Projekt entstand am Josef Ressel Zentrum für Textilrückgewinnung der TU Wien, unterstützt von Industriepartnern wie EREMA Group GmbH, Salesianer Miettex GmbH und Starlinger & Co GmbH. Bartl und Depope sehen in der Zusammenarbeit mit der Industrie den Schlüssel zur Umsetzung im großen Maßstab.

Kurz zusammengefasst:

  • Forscher der Technischen Universität Wien haben ein neues Verfahren entwickelt, das Baumwolle und Polyester aus Mischtextilien in nur fünf Minuten trennen kann – mithilfe eines ungiftigen Lösungsmittels aus Menthol und Benzoesäure.
  • Das sogenannte Menthol-Verfahren erreicht eine Rückgewinnung von 100 Prozent Baumwolle und 97 Prozent Polyester, ohne die Materialien chemisch zu verändern oder ihre Qualität zu mindern.
  • Damit bietet die Methode eine realistische Lösung für das Recycling von Textilien und könnte dazu beitragen, den riesigen Müllberg der Modeindustrie deutlich zu verkleinern.

Übrigens: Plastikabfälle könnten bald mehr leisten, als nur Schaden anzurichten – Forscher aus Kopenhagen machen daraus ein Material, das CO₂ bindet und Müll in Klimaschutz verwandelt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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