Wie Mikroben Plastik herstellen – ganz ohne Erdöl und CO2
Ein neu entdecktes Enzym aus Bakterien könnte die Herstellung von Plastik klimafreundlich machen – ganz ohne Erdöl und CO2-Ausstoß.
Die Entdeckung basiert auf einem Enzym aus dem Bakterium Rhodospirillum rubrum, das den Kunststoffbaustein Ethylen klimaneutral herstellt. © Max-Planck für terrestrische Mikrobiologie/Geisel
Kunststoffe stecken in fast allem: Verpackungen, Kleidung, Möbeln, Elektronik oder medizinischen Geräten. Doch ihre Herstellung ist klimaschädlich – denn der wichtigste Ausgangsstoff, Ethylen, stammt fast immer aus Erdöl oder Erdgas. Dabei entstehen jedes Jahr Millionen Tonnen CO2. Ein Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat ein Enzym entdeckt, das eine nachhaltige Kunststoffproduktion ermöglichen könnte – ganz ohne fossile Rohstoffe und CO2-Ausstoß. Die Ergebnisse erschienen im Fachjournal Nature.
Mikroben liefern Ethylen – ohne CO2
Das Enzym stammt aus dem Bakterium Rhodospirillum rubrum und gehört zur Gruppe der methylthio-alkane-Reduktasen. Im Labor ließ es sich gezielt herstellen, isolieren und in seiner Struktur untersuchen. Es nutzt schwefelhaltige Verbindungen, um daraus kleine Kohlenwasserstoffe wie Methan, Ethan oder Ethylen zu bilden.
Im Gegensatz zu industriellen Verfahren benötigt dieser Prozess weder Sauerstoff noch hohe Temperaturen. Außerdem entsteht kein CO2 – ein entscheidender Vorteil im Kampf gegen die Klimakrise.
Ein uraltes Enzym mit modernem Potenzial
Das Enzym enthält große Metallkomplexe, sogenannte Eisen-Schwefel-Cluster – darunter das [Fe₈S₉C]-Cluster, das bisher nur bei Stickstoff-umwandelnden Enzymen (Nitrogenasen) bekannt war. Diese Cluster könnten laut der Studie zu den frühesten funktionellen Bestandteilen biologischer Katalyse gehören.
„Das Enzym ist das erste Nicht-Nitrogenase-Enzym, von dem bekannt ist, dass es diese Metallcluster enthält“, erklärt Ana Lago-Maciel, die Erstautorin der Arbeit.
Ethylenbildung im Reagenzglas funktioniert bereits
Im Versuch wurde das Enzym in einer genetisch veränderten Bakterienkultur hergestellt. Die Reaktion lief anschließend in vitro – also außerhalb lebender Zellen – erfolgreich ab. Ethylen entstand dabei in einer Reaktionsrate von 2,3 Nanomol pro Minute und Milligramm Enzym. Neben Ethylen wurden auch andere Kohlenwasserstoffe produziert:
- Aus Ethyl-methyl-sulfid entstand Ethan.
- Aus Dimethylsulfid wurde Methan.
- Sogar ohne Substrat bildete sich Wasserstoff.
Um aktiv zu sein, benötigt das Enzym ATP als Energiequelle sowie einen passenden Elektronendonor. Zwei Proteinkomponenten arbeiten dabei zusammen.
CO2-freie Reaktion als Alternative für die Industrie
Derzeit wird Ethylen in riesigen „Steamcracker“-Anlagen durch Aufspaltung von Erdöl gewonnen. Das ist energieintensiv, teuer und belastet das Klima. Die biologische Variante aus dem Labor verspricht einen alternativen Weg – effizienter und umweltfreundlicher. Vorteile der enzymatischen Herstellung sind:
- keine fossilen Rohstoffe erforderlich
- kein CO2 als Nebenprodukt
- Raumtemperatur ausreichend
- nutzbar mit einfachen Schwefelverbindungen
Zudem sind die Produkte vielseitig einsetzbar – etwa als Ausgangsstoffe für Kunststoffe, Brennstoffe oder industrielle Chemikalien.
„Unsere Arbeit liefert die Grundlage, um diese Enzyme biotechnologisch zu zähmen und ihr Produktspektrum an unsere Bedürfnisse anzupassen“, sagt Projektleiter Johannes Rebelein. Damit wäre eine nachhaltige Kunststoffproduktion auf Basis von Mikroorganismen erstmals denkbar.
Noch steht die Forschung am Anfang. Das Team plant, das Enzym weiter zu stabilisieren, effizienter zu machen und für größere Produktionsmengen zu optimieren. Auch andere Bakterien und Varianten sollen untersucht werden.
Kurz zusammengefasst:
- Mikroben können künftig helfen, Plastik klimafreundlich herzustellen – Forscher des Max-Planck-Instituts fanden ein Enzym, das den Kunststoffbaustein Ethylen ganz ohne CO2 erzeugt.
- Das Enzym aus dem Bakterium Rhodospirillum rubrum nutzt uralte Eisen-Schwefel-Cluster, die schon in der Frühgeschichte der Erde existierten, und bildet Ethylen, Methan oder Ethan bei Raumtemperatur.
- Damit entsteht erstmals ein biologischer Ansatz für eine nachhaltige Kunststoffproduktion – eine mögliche Alternative zu fossilen Rohstoffen und energieintensiven Industrieprozessen.
Übrigens: Auch bei alten Ölverschmutzungen könnten Mikroben künftig Großes leisten. Bakterien und Algen arbeiten dabei im Team – und bauen selbst zähes Altöl im Boden langsam, aber wirksam ab. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Max-Planck für terrestrische Mikrobiologie/Geisel
