Klimawandel verdunkelt die Nordhalbkugel der Erde – mit massiven Folgen
Nord- und Südhalbkugel erwärmen sich unterschiedlich schnell – die Nordhälfte schluckt mehr Sonnenlicht und wird dunkler.

Der Rückgang von Eis- und Schneeflächen der nördlichen Hemisphäre droht, das Klima auf der ganzen Welt durcheinander zu bringen. © Unsplash
Eine neue NASA-Studie zeigt: Die Nordhalbkugel des Planeten verdunkelt sich in einem erhöhten Tempo, und das schon seit Beginn der 2000er Jahre. Dieser Wandel bringt spürbare Folgen für das Klima der Zukunft – Starkregen und Trockenperioden werden so in unterschiedlichen Teilen der Welt noch wahrscheinlicher.
Während beide Hemisphären dunkler werden, schreitet der Prozess im Norden deutlich schneller voran. Dort absorbiert die Oberfläche inzwischen pro Jahrzehnt im Schnitt 0,34 Watt pro Quadratmeter mehr Sonnenenergie als die Südhalbkugel.
Messungen über zwei Jahrzehnte zeigen klaren Trend
Das Forschungsteam nutzte Daten des NASA-Programms CERES. Dieses erfasst seit 2001 die Strahlungsbilanz der Erde. Die Zahlen zeigen: In den ersten fünf Jahren lagen Süd- und Nordhalbkugel noch fast gleichauf. Heute absorbiert die nördliche Hälfte deutlich mehr Strahlung – im Zeitraum 2020 bis 2024 sogar rund 0,54 Watt pro Quadratmeter mehr als die Südhalbkugel.
Ein Grund ist der Rückgang von Eis- und Schneeflächen in der Arktis. Grundsätzlich gilt: Je heller eine Oberfläche ist, desto mehr Sonnenstrahlung reflektiert sie. Ist sie dunkler, absorbiert sie mehr. Durch das Verschwinden großer reflektierender Flächen von Eis und Schnee auf der Nordhalbkugel (welches durch den Klimawandel beschleunigt wird), entstehen dunklere Oberflächen. Diese speichern mehr Energie, wodurch sich die Oberfläche stärker erhitzt.
Die Nordhalbkugel verliert ihren Spiegel – und nimmt mehr Sonnenlicht auf
Am einfachsten kann man das sich so vorstellen: Die Erde funktioniert wie ein Spiegel. Wo Schnee, Eis oder helle Wolken sind, wird das Sonnenlicht zurückgeworfen. Wo diese Flächen schwinden, ersetzt dunkler Boden oder offenes Meer das helle Weiß – der Spiegel verliert seine Wirkung. Die Nordhalbkugel „schluckt“ dadurch immer mehr Sonnenlicht.
Gleichzeitig hat die Luftverschmutzung in Europa, China und den USA seit den 2000ern abgenommen. Eigentlich wäre dies ein Grund zur Freude, in diesem spezifischen Fall gibt es aber einen ungewollten Nebeneffekt: Weniger Aerosole führen zu weniger Wolkenbildung, und damit zu einer geringeren Rückstrahlung von Sonnenlicht.
Auf der Südhalbkugel wirkten zwischenzeitlich andere Effekte: Die Buschfeuer in Australien 2019/2020 und der Vulkanausbruch des Hunga Tonga 2022 brachten zusätzliche Aerosole in die Atmosphäre. Diese erhöhten die Reflexion kurzfristig, konnten den Trend jedoch nicht umkehren.
Wasserdampf verstärkt die Verdunkelung der Nordhalbkugel
Hinzu kommt: In der wärmeren Atmosphäre der Nordhalbkugel steigt der Wasserdampfgehalt schneller. Wasserdampf wirkt wie ein Verstärker und trägt dazu bei, dass noch mehr Strahlung im System bleibt. Zusammen mit weniger Eis und weniger Aerosolen erklärt das, warum gerade die Nordhalbkugel dunkler wird.
Die stärkere Erwärmung der Nordhalbkugel wirkt sich zudem direkt auf den globalen Wasserkreislauf aus.
- Tropische Regenzonen verschieben sich seit 2001 zunehmend nach Norden.
- Ein spezieller Niederschlagsindex zeigt, dass die Nordtropen feuchter werden, während die Südtropen weniger Regen erhalten.
Für Landwirtschaft und Wasserversorgung bedeutet dies wachsende Risiken. Regionen südlich des Äquators müssen mit längeren Trockenperioden rechnen, während im Norden häufiger Starkregen droht. Die Forscher verweisen auf die enge Verbindung zwischen Strahlungsbilanz, Wolken und Niederschlagsmustern.
Wolken gleichen nicht mehr alles aus
Wolken könnten eigentlich Strahlungsunterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel abfedern, doch die Daten zeigen: Dieser Ausgleich ist schwach. In den Tropen nehmen sie im Süden ab und im Norden zu, in höheren Breiten verläuft es umgekehrt. Global hebt sich das teilweise auf, regional bleibt der Effekt aber deutlich spürbar.
Der Studie zufolge kompensieren die Wolken die Unterschiede nicht mehr vollständig – damit bricht die bisher stabile Albedo-Symmetrie der Erde erstmals sichtbar auf. Ob sich das System wieder einpendelt oder die Kluft zwischen den Hemisphären weiter wächst, ist offen.
Folgen für Wetterzonen und Extremereignisse
Die zusätzliche gespeicherte Energie auf der Nordhalbkugel verändert auch die großen Wettersysteme.
- Klimamodelle deuten darauf hin, dass sich Sturmgürtel weiter polwärts verschieben
- Gleichzeitig könnte die innertropische Konvergenzzone, das Band intensiver Regenfälle rund um den Äquator, schmaler werden
- Beides hätte Konsequenzen für Niederschlagsmengen, Flüsse und Grundwasser
Für Europa, Nordamerika und Teile Asiens bedeutet das ein erhöhtes Risiko für Hitzewellen und Starkregen. Länder der Südhalbkugel müssen sich dagegen auf Trockenperioden einstellen, die Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung belasten können.
Wichtig ist aber auch: Obwohl die Nordhalbkugel mehr Strahlung aufnimmt, gleicht sie dies teilweise durch stärkere Abstrahlung von Wärmestrahlung (longwave radiation) wieder aus. Dadurch kippt die Gesamtenergiebilanz zwischen Nord und Süd bisher nicht vollständig – ein Hinweis darauf, dass die großen Energieflüsse zwischen den Hemisphären bislang stabil bleiben.
Noch ist unklar, wie stark sich die Unterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel in Zukunft vergrößern. Wolken könnten auf lange Sicht für Ausgleich sorgen, sicher ist das aber nicht. Klimamodelle liefern sehr unterschiedliche Prognosen.
Kurz zusammengefasst:
- Seit Beginn der 2000er Jahre absorbiert die Nordhalbkugel deutlich mehr Sonnenstrahlung als die Südhalbkugel, im Schnitt 0,34 Watt pro Quadratmeter pro Jahrzehnt.
- Ursachen sind unter anderem der Rückgang von Eis- und Schneeflächen, weniger Luftverschmutzung im Norden und zusätzliche Aerosole durch Naturereignisse im Süden.
- Die Folge: Tropische Regenzonen verschieben sich nach Norden, Extremwetter wie Hitzewellen, Starkregen und Dürren nehmen zu.
Übrigens: Die Nordhalbkugel besitzt auch große Flächen an Permafrostböden, die im Zuge der Klimaerwärmung auftauen und somit globale Klimaziele gefährden. Mehr dazu gibt es in unserem Artikel.
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