KI erschafft erstmals Viren – Neue Waffe gegen resistente Killer-Keime
Erstmals hat KI Viren erschaffen, die resistente E.-coli-Stämme befallen. Die Methode gilt als möglicher Ansatz gegen Antibiotikaresistenzen.

Escherichia coli gilt als hartnäckiger Keim, der oft resistent gegen Antibiotika ist – nun greifen ihn erstmals KI-erschaffene Viren an. © Wikimedia
Zum ersten Mal ist es gelungen, mithilfe künstlicher Intelligenz Viren zu erzeugen, die gezielt Bakterien angreifen. Da Antibiotika bei immer mehr Infektionen versagen, weil Keime Resistenzen entwickeln, gewinnt dieser Ansatz besondere Bedeutung. Ein Team der Stanford University konstruierte dafür Genome, aus denen funktionsfähige Bakteriophagen entstanden. Diese Viren konnten selbst resistente Stämme von Escherichia coli (E. coli) befallen und abtöten – ein möglicher Durchbruch im Kampf gegen schwer behandelbare Infektionen, wie das Fachmagazin Nature berichtet.
„Dies ist das erste Mal, dass KI-Systeme kohärente Genomsequenzen schreiben können“, sagt Bioinformatiker Brian Hie von der Stanford University. Für ihn ist klar: „Der nächste Schritt ist KI-generiertes Leben.“
Forscher testen KI an E.-coli-Bakterien
Die Wissenschaftler nutzten zwei Modelle namens Evo 1 und Evo 2. Diese Systeme analysieren DNA-, RNA- und Proteinsequenzen und sind mit Millionen Virengenomen trainiert. Als Ausgangspunkt diente das bekannte Virus ΦX174, ein kleines DNA-Virus mit rund 5400 Bausteinen, das schon seit Jahrzehnten in der Forschung verwendet wird.
Auf dieser Grundlage erzeugte die KI tausende neue Varianten. Das Team prüfte die Ergebnisse und wählte 302 Kandidaten aus, deren DNA im Labor synthetisiert und in Bakterien eingeschleust wurde. Die so entstandenen Phagen vermehrten sich in den Wirtszellen.
16 künstliche Viren greifen E.-coli erfolgreich an
Von den 302 getesteten Viren zeigten 16 eine klare Wirksamkeit gegen E.-coli. Manche konnten sogar Stämme befallen, gegen die das ursprüngliche ΦX174 machtlos war. „Es war ein überraschendes Ergebnis, das uns sehr begeistert hat, weil es zeigt, dass diese Methode potenziell sehr nützlich für Therapeutika sein könnte“, sagt Samuel King, der an der Studie beteiligt war.
Die Methode bietet Möglichkeit, Bakterien gezielt mit maßgeschneiderten Viren zu bekämpfen – besonders dort, wo Antibiotika nicht mehr wirken. Die Arbeit gilt deshalb als potenzieller Baustein im Kampf gegen multiresistente Keime.
Forscher erklären Nutzen und Risiken von KI-entwickelten Viren
Die Studie wurde am 17. September auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlicht und ist noch nicht begutachtet. Dennoch sehen Experten darin ein wichtiges Beispiel, wie KI künftig in der Biotechnologie eingesetzt werden könnte. „Es ist ein Paradebeispiel für ein interessantes Anwendungsfeld“, sagt Peter Koo vom Cold Spring Harbor Laboratory.
Koo erklärt, dass die KI nicht völlig autonom arbeitete. Filtermechanismen und Entscheidungen der Forscher waren notwendig, um die brauchbaren Genome auszuwählen. „Aber ich denke, als Gesamtsystem zeigt es, dass dieser Ansatz zu funktionalen Genomen führen kann“, so Koo.
Biosicherheit bleibt entscheidend
Sorgen bereitet die sogenannte Dual-Use-Problematik: Technologien können sowohl für nützliche als auch für gefährliche Zwecke missbraucht werden. Kerstin Göpfrich, Biophysikerin an der Universität Heidelberg, ordnet die Studienergebnisse ein: „Ich denke, in der Forschung hast du generell immer ein Dual-Use-Dilemma. Es ist nichts Spezifisches für KI, und man kann Fortschritte immer zum Guten oder zum Schlechten verwenden.“
Um Risiken zu minimieren, schlossen die Forscher Viren, die Menschen oder andere Eukaryoten befallen, von Anfang an aus. Sie arbeiteten mit einem nicht krankmachenden Bakterium und einem Phagen, der seit Jahrzehnten sicher im Labor genutzt wird.
KI erschafft jetzt auch Viren – was folgt als Nächstes?
Trotz aller Vorsicht bleibt die Frage nach den nächsten Schritten. Ein komplettes, künstliches Lebewesen ist mit heutigen Methoden noch nicht machbar. King sagt dazu klar: „Noch viele experimentelle Fortschritte sind nötig, um einen vollständigen lebenden Organismus zu entwickeln.“
Gleichzeitig sehen die Autoren großes Potenzial für medizinische Anwendungen. KI könnte künftig helfen, passgenaue Viren gegen gefährliche Bakterien zu entwickeln – eine dringend benötigte Waffe gegen die wachsende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen.
Kurz zusammengefasst:
- Künstliche Intelligenz hat erstmals Viren erzeugt, die gezielt resistente E.-coli-Bakterien angreifen können.
- Grundlage waren tausende von der KI entworfene Genome, aus denen 16 funktionsfähige Bakteriophagen hervorgingen.
- Die Methode gilt als möglicher neuer Ansatz gegen Antibiotikaresistenzen, ist aber bisher nur in einer Vorabstudie belegt.
Übrigens: Neben KI-erschaffenen Viren sorgt auch eine Schweizer Technik für Aufsehen – sie tötet Keime allein mit Licht, ganz ohne Antibiotika. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Gene Drendel via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0