ETH-Studie stellt Exoplaneten-Theorie auf den Kopf: „Wasserwelten“ gibt es nicht – aber neue Hoffnung für Leben im All
Forscher widerlegen die Idee ferner Wasserwelten: Exoplaneten wie K2-18b verlieren ihr Wasser im heißen Inneren – lange vor Ozeanbildung.

Illustration des Exoplaneten K2-18b: Unter seiner dichten Gashülle verbirgt sich wohl kein Ozean, sondern glühendes Gestein. © Wikimedia
Die Suche nach Leben im All folgt oft einer einfachen Idee: Wo Wasser ist, könnte es auch Leben geben. Lange galten ferne „Wasserwelten“ – Planeten mit tiefen globalen Ozeanen – als besonders aussichtsreich. Nun liefert die ETH Zürich eine nüchterne Bilanz: Bei den viel untersuchten Mini-Neptunen spricht die Chemie der jungen Planeten klar gegen solche Ozeane. Das ändert nicht nur Prioritäten in der Forschung. Es lenkt den Blick auf andere Kandidaten, die der Erde womöglich näher stehen, als bislang gedacht.
Warum echte Wasserwelten auf Exoplaneten kaum entstehen können
Veröffentlicht in den Astrophysical Journal Letters, wertet eine neue Studie eine große Modellpopulation junger Sub-Neptune aus – Planeten zwischen Super-Erden und Neptun. Entscheidend ist dabei ein Prozess, der in älteren Szenarien oft fehlte: der intensive Stoffaustausch zwischen einer sehr heißen Uratmosphäre und einem Magma-Ozean im Inneren. Genau dieser Austausch frisst das anfänglich reichlich vorhandene Wasser regelrecht auf.
Kernbefund der Forschung: Selbst wenn solche Planeten in der Entstehungsphase viel Eis und Wasser einsammeln, bleiben nach dem chemischen „Gleichziehen“ weniger als 1,5 Gewichtsprozent H₂O übrig. Die viel diskutierten Hycean-Welten – definiert mit 10 bis 90 Prozent Wasseranteil – verfehlt die gesamte Modellpopulation deutlich.
Zusätzlich zeigt die Arbeit: Hohe Wasserdampf-Anteile in der Hülle bedeuten nicht, dass sich darunter zwangsläufig ein Ozean verbirgt. Bei den Druck- und Temperaturverhältnissen nahe der Grenze zwischen Atmosphäre und Magma mischen sich Wasserstoff und Wasser vollständig. Wasser sammelt sich also unter solchen Bedingungen nicht in einer separaten Schicht, sondern geht im heißen Gasgemisch auf – ein stabiler Wasserozean kann sich dort also gar nicht bilden.
Konsequenzen für K2-18b & Co.
In den letzten Jahren stand der Planet K2-18b häufig sinnbildlich für die Möglichkeit einer „Wasserwelt“. Die neue Arbeit dämpft solche Hoffnungen: Auch dort sind Ozeane unter einer Gashülle nach aktuellem Verständnis unwahrscheinlich.
Dabei ist wichtig zu verstehen: Die Studie stellt keine einzelnen Messungen infrage, sondern zeigt, dass die physikalisch-chemischen Rahmenbedingungen das gängige Bild von Sub-Neptunen als Wasserwelten grundsätzlich in Zweifel ziehen.
Super-Erden statt Mini-Neptune
Der vielleicht überraschendste Teil der Studie: Der Wegfall der Wasserwelt-Hypothese für Mini-Neptune ist keine schlechte Nachricht. Denn die Modelle deuten darauf hin, dass Super-Erden – also Gesteinsplaneten mit Erdgröße bis etwas darüber – häufiger ausreichend Wasser anhäufen können, um Ozeane zu bilden. Diese Planeten besitzen kleinere, dünnere Hüllen. Schon vergleichsweise wenig H₂O kann dort die Oberfläche prägen, anstatt in der Tiefe „verschluckt“ zu werden. Für künftige Forschung bedeutet das:
- Beobachtungszeit und Teleskope wie JWST, ELT, PLATO oder ARIEL sollten gezielter auf erdähnliche Gesteinsplaneten ausgerichtet werden – vor allem auf solche in Bereichen, in denen Wasser flüssig vorkommen kann.
- Bei Sub-Neptunen legt man den Schwerpunkt eher auf Atmosphärenchemie und Innenstruktur, nicht auf die Suche nach Ozeansignaturen.
Warum „viel Eis“ nicht automatisch „viel Wasser“ bedeutet
In klassischen Modellen entsteht ein junger Planet jenseits der Schneegrenze, sammelt dort viel Eis – und wandert später in sternnähere Regionen. Dabei bringt er sein Wasser mit. Die neue Studie zeigt, warum das zu kurz greift. Entscheidend ist die Chemie im Magma-Ozean: Wasser wird in andere Verbindungen umgebaut, im Metallkern oder im Mantel gebunden oder geht in molekularen Wasserstoff über. Das Ergebnis: Ein Planet kann eisreich entstanden sein und später trocken wirken – zumindest in Bezug auf Ozeane.
Was das für die Suche nach Leben bedeutet
Für die Astrobiologie zählt am Ende eine einfache Frage: Wo sind stabile, mäßige Temperaturen und langfristig Flüssigwasser plausibel? Die Ergebnisse der Studie sprechen dafür, Ressourcen in genau diese Richtung zu lenken. Anstelle spektakulärer Gasplaneten werden kleinere Gesteinsplaneten für außerirdisches Leben interessant.
Kurz zusammengefasst:
- Sub-Neptune wie K2-18b verlieren ihr Wasser schon früh durch chemische Reaktionen im Magma – echte „Wasserwelten“ entstehen so nicht.
- Selbst hohe Wasserdampfanteile in der Atmosphäre bedeuten keine Ozeane, weil Wasser und Wasserstoff unter diesen Bedingungen vollständig vermischt sind.
- Die besten Chancen für lebensfreundliche Bedingungen bieten nicht Mini-Neptune, sondern kleinere, felsige Super-Erden mit stabilerem Wasserhaushalt.
Übrigens: Während Mini-Neptune wie K2-18b ihr Wasser verlieren, zeigt ein anderer Planet, was extreme Nähe zum Stern anrichtet. Auf WASP-121b herrschen über 3000 Grad – und trotzdem überlebt dort Methan. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Arndt Stelter via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0