Archäologen zweifeln Gletscher-Theorie an – Woher die Blausteine von Stonehenge wirklich stammen könnten

Eine neue Studie zur Herkunft der Blausteine von Stonehenge stellt die Gletscher-These infrage und deutet auf gezielten Transport hin.

Keine Gletscher: Spur zur Herkunft der Blausteine von Stonehenge

Ein unscheinbares Fundstück rückt die frühe Geschichte von Stonehenge in ein neues Licht – und wirft neue Fragen zur Herkunft der Blausteine auf. © Pexels

Sie stehen mitten in der Ebene, aufgerichtet in einem Kreis, schwer wie Kleinwagen – und sind voller Rätsel. Stonehenge fasziniert bis heute, nicht nur wegen seiner gewaltigen Dimensionen, sondern wegen seiner Geschichte, die viele Fragen offenlässt. Besonders geheimnisvoll sind die sogenannten Blausteine, deren Herkunft über 200 Kilometer entfernt in Westwales vermutet wird. Eine neue Studie der Aberystwyth University liefert nun Hinweise, die das Verständnis über die Herkunft der Blausteine von Stonehenge verändern könnten – und stellt dabei eine lange vertretene Theorie infrage.

Gezielte Auswahl statt Zufallsfund

Die Blausteine bestehen aus Dolerit, einem vulkanischen Gestein, das typisch für die Gegend um Craig Rhos-y-Felin im nördlichen Pembrokeshire ist. Sie sind rund zweieinhalb Meter hoch und bis zu 3,5 Tonnen schwer. Bereits früher gab es Hinweise, dass dieses Gestein aus Wales stammen könnte. Die eigentliche Frage war jedoch, wie es nach Südengland gelangte.

Lange Zeit hielt sich die Vermutung, Gletscher hätten die Steine während der letzten Eiszeit nach Salisbury Plain geschoben. Die Vorstellung eines gezielten Transports durch Menschen galt als zu aufwendig.

Ein kleiner Stein bringt Klarheit über die Herkunft der Blausteine von Stonehenge

Ein Fundstück aus dem Jahr 1924 spielt in der neuen Studie eine zentrale Rolle: der sogenannte Newall boulder, etwa 22 Zentimeter groß. Er wurde in der Nähe von Stonehenge ausgegraben und später für mehrere Analysen verwendet. Ein Forschungsteam der Aberystwyth University untersuchte seine mineralogische und chemische Zusammensetzung im Detail.

Die Ergebnisse zeigen:

  • Der Stein stimmt in allen wesentlichen Merkmalen mit Gesteinsproben aus Craig Rhos-y-Felin überein.
  • Seine Oberfläche weist keinerlei Schleifspuren auf, wie sie beim Gletschertransport zu erwarten wären.
  • Auch in der Umgebung von Stonehenge fehlen typische Rückstände wie Gletschermaterial oder abgerundete Findlinge.

Diese Daten lassen den Schluss zu, dass ein Transport durch Gletscher äußerst unwahrscheinlich ist.

Fotografie des Newall boulder mit Markierungen der entnommenen Proben. Zu sehen sind die helle, verwitterte Oberfläche des Steins, mehrere abgegrenzte Bereiche früherer Probenentnahmen sowie eine Zeichnung der einzelnen Fragmente. Einige Stücke befinden sich heute im British Geological Survey, andere im Salisbury Museum. Ein Teil wurde für chemische Analysen zermahlen.
Der sogenannte Newall boulder wurde 1924 bei Stonehenge gefunden und diente später als wichtige Probe für mehrere wissenschaftliche Untersuchungen. Das Foto zeigt das Originalstück mit hellen Verwitterungsspuren und Ablagerungen. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden einzelne Stücke davon entnommen: Einige landeten im British Geological Survey, andere im Museum von Salisbury. Ein Teil wurde zermahlen, um die chemische Zusammensetzung zu analysieren. Die Zeichnung zeigt, wo genau diese Proben entnommen wurden. © Bevins, R. E. (2025) / Journal of Archaeological Science

Menschlicher Transport rückt in den Fokus

Die Studie stützt die Annahme, dass zumindest ein Teil der Blausteine gezielt von Menschen in die Region gebracht wurde. Laut den Autoren ist es plausibel, dass Gruppen aus der Jungsteinzeit die Gesteine mit einfachsten Mitteln über Flüsse, auf Holzrollen oder Schlitten bewegt haben – möglicherweise über mehrere Etappen hinweg. Der Aufwand hätte Planung, Kraft und Zusammenarbeit erfordert.

Herkunft nicht bei allen Steinen eindeutig

Nicht alle Blausteine lassen sich Craig Rhos-y-Felin zuordnen. Einige weisen geologische Merkmale auf, die eher auf andere Regionen in Wales hindeuten. Manche Proben bleiben bisher ohne exakte Zuordnung. Das war ein Grund, weshalb die Gletscher-Theorie lange als Erklärung galt – sie hätte eine zufällige Sammlung verschiedener Steine durch das Eis erklärt.

Die neue Studie hält dagegen: Es sei ebenso denkbar, dass die Steine von mehreren Orten gezielt ausgewählt wurden. Alternativ könnten frühere Steinsetzungen abgebaut und die Materialien wiederverwendet worden sein.

Bau über Generationen hinweg

Stonehenge entstand nicht in einem einzigen Projekt, sondern in mehreren Phasen zwischen etwa 3000 und 1520 v. Chr. Die Blausteine wurden vermutlich um 2200 v. Chr. im inneren Kreis aufgestellt. Die deutlich größeren Sarsensteine des äußeren Rings stammen aus West Woods bei Marlborough, etwa 25 Kilometer entfernt.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Herkunft vieler Blausteine von Stonehenge liegt nachweislich in Westwales – Analysen eines Fundstücks legen nahe, dass Menschen sie über 200 Kilometer weit transportiert haben müssen.
  • Gletscher sind als Transportmittel eher unwahrscheinlich, da weder der untersuchte Stein noch die Umgebung typische Spuren aufweisen.
  • Der gezielte Ferntransport dieser Steine zeigt, wie gut organisiert die Bauherren der Jungsteinzeit waren – trotz fehlender Maschinen und Straßen.

Übrigens: Während die Blausteine von Stonehenge Rätsel über ihre Herkunft aufgeben, erkundet ein Forschungsteam in deutschen Wäldern ganz andere Spuren – akustische. Mithilfe künstlicher Intelligenz haben sie Millionen Vogelrufe ausgewertet und dabei völlig neue Gesangsmuster entdeckt – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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