Haut aus dem Drucker: Forscher testen neue Therapien an einer künstlichen Kopie
Forscher haben 3D-gedruckte Hautmodelle entwickelt, um menschliche Haut so genau wie möglich nachzubilden. So lassen sich präzisere Medikamententests und Untersuchungen durchführen.
Hautkrankheiten wie Akne oder Neurodermitis gehören zu den häufigsten chronischen Krankheiten. © Pexels
Hautkrankheiten gehören zu den häufigsten chronischen Leiden. Schuppenflechte, Neurodermitis oder Akne betreffen Millionen Menschen in Deutschland. Die Beschwerden reichen von starkem Juckreiz bis zu schmerzhaften Entzündungen. Viele Betroffene probieren über Jahre verschiedene Therapien aus. Oft helfen Medikamente nur begrenzt oder wirken anders als erwartet.
Ein Grund dafür liegt in der Forschung selbst. Neue Wirkstoffe werden bislang häufig an Tieren getestet. Doch tierische Haut unterscheidet sich deutlich von menschlicher Haut. Struktur, Immunreaktionen und Entzündungsprozesse folgen anderen Regeln. Hier könnten künstliche Hautmodelle helfen, Krankheiten besser zu verstehen und Behandlungen gezielter zu entwickeln.
Gedruckte Haut ersetzt Tierversuche immer realistischer
Forscher an der Technischen Universität Wien arbeiten seit Jahren an Hautmodellen aus dem 3D-Drucker. Sie wollen menschliche Haut so genau wie möglich nachbilden. Eine aktuelle Übersichtsarbeit fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen. Sie zeigt, wie weit diese Technik inzwischen ist und warum die Dermatologie an einem Wendepunkt stehen könnte.
Der Kern der Methode ist präzise Planung. Statt Zellen zufällig wachsen zu lassen, entsteht Haut Schicht für Schicht. Dafür mischen die Teams lebende Hautzellen mit sogenannten Hydrogelen. Diese gelartigen Substanzen bilden das Gerüst, in dem sich die Zellen anordnen und vermehren. Aus dieser Mischung entsteht eine dickflüssige Bio-Tinte, die der 3D-Drucker gezielt aufträgt.
„Wir bauen aus lebenden Zellen, Biopolymeren und sorgfältig ausgewählten Materialien Schicht für Schicht ein dreidimensionales Gewebe auf“, sagt Aleksandr Ovsianikov von der TU Wien. Der Vorteil liegt in der Kontrolle: Form, Dicke und Zusammensetzung der Haut lassen sich exakt festlegen.
Hautkrankheiten näher am Menschen untersuchen
Bisherige Hautmodelle hatten klare Schwächen. Klassische Zellkulturen wachsen oft ungleichmäßig. Ihre Struktur bleibt instabil. Auch sogenannte Selbstorganisationsmethoden benötigen viel Zeit und liefern schwer vergleichbare Ergebnisse. Für die Erforschung chronischer Entzündungen reicht das nicht aus.
3D-gedruckte Haut schafft hier neue Möglichkeiten. Die Modelle lassen sich gezielt mit Immunzellen ausstatten. Gerade bei Erkrankungen wie Psoriasis (Schuppenflechte) spielen diese Zellen eine zentrale Rolle. Fehlgeleitete Immunreaktionen in der Haut lösen Entzündungen aus – sichtbar etwa als gerötete, schuppende und oft juckende Hautareale.
„Wir haben psoriatische Modelle entwickelt, die T-Zellen enthalten“, erklärt Andrea Gabriela Ulloa-Fernández von der TU Wien. An diesen Modellen lasse sich beobachten, wie Entzündungen entstehen und wie Medikamente darauf reagieren. Die Haut verhält sich dabei deutlich menschlicher als frühere Labormodelle.
Blutgefäße und Entzündung lassen sich kombinieren
Die Technik geht inzwischen noch weiter. Forscher können sogar Blutgefäße in die künstliche Haut integrieren. Das ist wichtig für Krankheiten, bei denen Durchblutung und Gefäßschäden eine Rolle spielen. Dazu zählen etwa diabetische Hautveränderungen oder chronische Wunden.
„Mit unserer Methode können wir gezielt definieren, welche Form die extrazelluläre Matrix haben soll“, sagt Ulloa-Fernández. Diese Matrix gibt den Zellen Halt und beeinflusst ihr Verhalten. Durch die gezielte Gestaltung entsteht ein realistisches Umfeld für Hautzellen, Immunzellen und Gefäße.
Für die Forschung bedeutet das einen großen Schritt. Prozesse, die bisher getrennt untersucht wurden, lassen sich nun gemeinsam betrachten. Entzündung, Durchblutung und Medikamentenwirkung greifen im Modell ineinander.
Warum neue Hautmodelle den Alltag verändern könnten
Der Nutzen reicht über das Labor hinaus. Realistischere Tests können helfen, Fehlschläge in späteren Studien zu vermeiden. Wirkstoffe, die im Modell nicht überzeugen, gelangen gar nicht erst in aufwendige klinische Prüfungen. Das spart Zeit und Kosten.
Zudem wächst der gesellschaftliche Druck, Tierversuche zu reduzieren. Alternative Methoden stoßen auf breite Akzeptanz. Gleichzeitig verlangen Behörden verlässliche Daten. 3D-gedruckte Hautmodelle könnten beide Anforderungen verbinden.
Besonders relevant sind dabei diese Vorteile:
- Bessere Vorhersage: Die Reaktion menschlicher Haut lässt sich genauer abschätzen.
- Hohe Vergleichbarkeit: Modelle entstehen reproduzierbar und unter gleichen Bedingungen.
- Mehr Ethik: Tierversuche lassen sich in vielen Fällen vermeiden.
Ein Werkzeug mit großem Potenzial
Auch für die Entwicklung neuer Therapien eröffnen sich Chancen. Forscher können Hautmodelle gezielt anpassen. Je nach Krankheit kommen unterschiedliche Zelltypen und Materialien zum Einsatz. Noch steht der Ansatz am Anfang. Gedruckte Haut ersetzt nicht jede Form der Forschung. Doch die Richtung ist klar: Die Forschung kommt näher an den Menschen heran.
Für Betroffene von Hautkrankheiten bedeutet die künstliche Haut vor allem eines: Therapien könnten in Zukunft besser geprüft werden, bevor sie auf den Markt kommen. Die Hoffnung besteht, dass Medikamente gezielter wirken und weniger Nebenwirkungen verursachen.
Kurz zusammengefasst:
- 3D-gedruckte Hautmodelle bilden menschliche Haut deutlich realistischer ab als Tierversuche, weil sie gezielt Immunzellen, Entzündungsprozesse und sogar Blutgefäße enthalten können.
- Medikamente lassen sich dadurch präziser testen, da Reaktionen unter kontrollierten, reproduzierbaren Bedingungen untersucht werden, die der menschlichen Haut sehr nahekommen.
- Für Forschung und Patienten bedeutet das mehr Aussagekraft und weniger Tierversuche, was die Entwicklung wirksamerer und besser verträglicher Therapien bei Hautkrankheiten erleichtern kann.
Übrigens: Nach künstlicher Haut rücken auch künstliche Muskeln in den Fokus der Medizin – sie lassen sich per Ultraschall steuern und kommen ganz ohne Kabel aus. Wie diese Technik Eingriffe erleichtern soll, mehr dazu in unserem Artikel.
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