Auch unter Pflanzen gibt es Verschwender und Sparer – Wer auf großem Wasser-Fuß lebt
Gräser setzen bei Trockenheit alles auf eine Karte, Bäume sparen vorausschauend. Eine neue Studie zeigt, wie Pflanzen mit Wasser umgehen.

Gräser halten ihren Wasserfluss selbst bei Trockenheit aufrecht – Bäume reagieren früh und sparsam, um Schäden zu vermeiden. © Pexels
Auch Pflanzen gehen unterschiedlich mit Wasser um: Gräser verschwenden es oft, Bäume dagegen sparen – das zeigt jetzt eine weltweite Studie. Wer bei Wasserknappheit an vertrocknete Felder denkt, hat oft gelbe Wiesen und ausgedörrte Prärien im Kopf. Doch wie kommt es, dass Gräser selbst bei Trockenheit weiter Wasser nutzen, während Bäume frühzeitig auf Sparmodus schalten? Eine neue Studie der UC Santa Barbara zeigt erstmals deutlich, wie unterschiedlich Pflanzen mit Wasser umgehen.
Hinter dieser Erkenntnis steckt ein globaler Vergleich von mehr als 26.000 Trockenphasen, gemessen an über 1.000 Standorten auf allen Kontinenten. Das Ziel: herauszufinden, wie Pflanzen auf Wassermangel reagieren – und warum manche sofort sparen, während andere erst aufhören, wenn nichts mehr da ist. Entscheidend ist dabei eine einfache Frage: Wer spielt auf Risiko – und wer denkt langfristig?
Umgang mit Wasser: Gräser setzen alles auf eine Karte – Bäume sichern sich ab
Die Forscher verglichen verschiedene Vegetationstypen: Grasland, Savannen und Wälder. Ergebnis: Gräser reagieren bei Trockenheit am risikofreudigsten. Sie halten ihren Wasserverbrauch aufrecht, auch wenn der Boden immer trockener wird. Bäume hingegen drosseln frühzeitig – manchmal schon, bevor sich die Trockenheit spürbar bemerkbar macht.
„Wenn Pflanzen mit Wasserknappheit konfrontiert sind, verhalten sich Gräser wie Verschwender“, sagt Studienleiter Kelly Caylor. „Wälder dagegen wie vorsichtige Haushaltsplaner.“
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie im Überblick:
- Grasland nutzt Wasser auch dann noch intensiv, wenn der Boden fast trocken ist.
- Wälder reduzieren ihren Wasserverbrauch frühzeitig – je trockener, desto schneller.
- Savannen liegen dazwischen – mit einem Verhalten, das sich anpasst.
- Trockene Regionen fördern riskantes Verhalten – feuchte Regionen das vorsichtige.
- Je dichter die Vegetation, desto konservativer der Wasserverbrauch.
Das steckt hinter dem Wasserverhalten: Ein neuer Messwert macht’s sichtbar
Um diese Muster sichtbar zu machen, entwickelten die Forscher eine neue Kennzahl: den „q-Parameter“. Er beschreibt, wie stark Pflanzen den Wasserverbrauch bei Trockenheit reduzieren.
- q < 1 bedeutet: aggressive Strategie – Pflanzen verbrauchen das Wasser, bis es weg ist
- q > 1 bedeutet: konservative Strategie – Pflanzen bremsen frühzeitig
Der durchschnittliche q-Wert von Grasland liegt bei 0,85 – also deutlich im verschwenderischen Bereich. Wälder kommen auf 1,08 – sie sind damit die sparsamsten. Savannen liegen mit 1,01 dazwischen.
„Der Vorteil einer aggressiveren Wassernutzungsstrategie liegt in einem intensiveren Wasserumsatz – doch das erhöht auch das Risiko für gefährliche Schäden im Gefäßsystem der Pflanze“, schreiben die Autoren. Wenn Pflanzen bei Trockenheit weiterhin stark transpirieren, kann der Wasserdruck in ihren Leitbahnen zu stark sinken. Die Folge sind Luftembolie, Austrocknung – und oft das Absterben ganzer Pflanzenteile.
Warum Gräser sich Verschwendung von Wasser leisten – und Bäume nicht
Gräser verfolgen eine andere Lebensstrategie als Bäume. Sie wachsen schnell, brauchen wenig Struktur und investieren nicht viel in langfristige Stabilität. Das macht sie flexibel – aber auch kurzlebig. Für sie gilt: Lieber jetzt wachsen und blühen, als später vielleicht verdursten.
Bäume dagegen sind über Jahrzehnte oder Jahrhunderte auf Standorte angewiesen. Sie müssen ihre Gefäße schützen und dürfen bei Trockenheit nicht kollabieren. Deshalb reagieren sie sensibler – und sparen frühzeitig, um sich selbst zu schützen. Caylor erklärt:
Graslandschaften sind wie Sprinter, die alles geben, bis sie an ihre Grenze kommen. Wälder dagegen wie Marathonläufer, die sich ihre Kräfte einteilen.
Wie Umweltfaktoren das Verhalten zusätzlich beeinflussen
Nicht nur die Pflanzenart entscheidet, wie Wasser genutzt wird – auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle. Zwei davon stechen besonders hervor:
- LAI (Leaf area index) – der Blattflächenindex: Je mehr Blattfläche, desto mehr Wasser verdunstet – aber auch desto mehr muss geschützt werden.
- Aridität – der Trockenheitsgrad einer Region: Je trockener die Region, desto größer der Druck, Ressourcen schnell zu nutzen.
Grasland und Savannen reagieren sehr sensibel auf diese Faktoren. Ihre Wasserstrategie lässt sich zu 77 Prozent durch LAI und Aridität erklären. Bei Wäldern liegt der Wert bei immerhin 53 Prozent – sie verhalten sich etwas unabhängiger, aber nicht völlig.
Ein Wendepunkt im Waldverhalten – Wenn Dürre und Konkurrenz zu groß werden
Die Forscher stellten außerdem fest: Wälder reagieren nicht nur vorsichtig – sie passen sich auch an. Wird es zu trocken oder wächst die Konkurrenz um Wasser, wechseln auch sie in einen aggressiveren Modus. Allerdings gibt es einen Wendepunkt: Wird der Druck zu hoch, schalten viele Bäume zurück – in den Sparmodus.
„Alle Biome reagieren auf steigenden Nachfragedruck mit aggressiveren Strategien“, so die Studie. „Aber in Wäldern beobachten wir eine Rückkehr zum konservativen Verhalten.“
Das zeigt, wie dynamisch das Wasserverhalten von Pflanzen ist. Es passt sich nicht nur der Art, sondern auch der Umgebung an – sogar innerhalb eines Jahres, wie etwa im Wechsel der Jahreszeiten.
Warum diese Erkenntnisse wichtig sind – auch für unser Klima
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, die Dynamik der Wasserstrategien besser zu erfassen“, erklärt Bryn Morgan, Mitautorin der Studie. Der Umgang von Pflanzen mit Wasser bestimmt nämlich maßgeblich, wie Ökosysteme auf den Klimawandel reagieren. Denn:
- Etwa 60 bis 80 Prozent des Wassers, das von Land in die Atmosphäre gelangt, stammt aus Pflanzenverdunstung.
- Wer mehr Wasser verdunstet, beeinflusst Regenzyklen, Hitzeentwicklung und Bodenqualität.
- Auch die Kohlenstoffspeicherung hängt mit dem Wasserhaushalt zusammen – etwa über das Pflanzenwachstum.
Die neue Kennzahl hilft dabei, diese Prozesse künftig besser zu verstehen – und genauer zu modellieren. Denn bisherige Klimamodelle unterschätzen oft, wie stark Pflanzen ihren Wasserverbrauch anpassen.
Kurz zusammengefasst:
- Gräser verbrauchen bei Trockenheit weiterhin viel Wasser, während Bäume frühzeitig sparen – das hängt mit ihrer Lebensdauer und Strategie zusammen.
- Eine neue Kennzahl, der q-Parameter, zeigt weltweit messbar, wie unterschiedlich Vegetationstypen mit Wassermangel umgehen.
- Je trockener und dichter bepflanzt ein Gebiet ist, desto stärker verändert sich das Wassernutzungsverhalten – mit Folgen für Klima und Kohlenstoffkreisläufe.
Übrigens: Während Gräser bei Trockenheit weiter Wasser verschwenden und Bäume frühzeitig sparen, stellt sich längst die Frage: Welche Baumarten kommen mit dem Klimawandel überhaupt noch zurecht? Ein digitales Waldmodell der TU München gibt erstmals Antworten – mehr dazu in unserem Artikel.
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