Es kommt nicht nur auf die Größe an – So geschickt sichern sich Gorilla-Weibchen das Sagen

Die Geschlechterhierarchie bei Gorillas ist komplexer als gedacht – und voller unerwarteter Machtverschiebungen. Das zeigt eine neue Studie.

Gorillas brechen mit Klischees zur Geschlechterhierarchie

Weibliche Berggorillas können trotz geringerer Größe Männchen übertrumpfen. © Martha Robbins

Im Nebel der ugandischen Bergwälder spielt sich ein verborgenes Machtspiel ab. In den Familienverbänden von Gorillas gibt meist das Alpha-Männchen den Ton an – eine Rangfolge, die in der Wissenschaft lange kaum infrage gestellt wurde. Doch nun liefert eine Langzeitstudie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der Universität Turku überraschende Einblicke. Über 25 Jahre lang beobachteten Forscher Berggorillas im Bwindi-Nationalpark und fanden Hinweise, die das vertraute Bild ihrer sozialen Ordnung ins Wanken bringen.

Geschlechterhierarchie bei Gorillas bricht mit Klischees

Das Bild vom überlegenen Männchen ist bei Berggorillas nicht immer zutreffend. Zwar steht in jeder Gruppe ein Alpha-Männchen an der Spitze, doch die Studie zeigt:

  • 88 Prozent der Weibchen rangieren vor mindestens einem erwachsenen Nicht-Alpha-Männchen.
  • Weibchen gewannen 28 Prozent aller Konflikte gegen Nicht-Alpha-Männchen – vor allem gegen jüngere oder ältere Männchen.

Martha Robbins, die das Langzeitforschungsprojekt zu Berggorillas im Bwindi-Nationalpark leitet, erklärt:

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Gorilla-Weibchen in der Rangordnung mit größerer Wahrscheinlichkeit jüngere und ältere Männchen übertrumpfen, obwohl diese immer noch deutlich größer sind als erwachsene Weibchen. Neben Körpergröße und Stärke scheinen also noch andere Faktoren die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu beeinflussen.

Damit widerlegen die Forscher die Vorstellung, dass Körperkraft allein über den Rang entscheidet. Weibchen wiegen etwa die Hälfte der Männchen, setzen aber auf kluge Taktik, soziale Allianzen und Unterstützung durch das Alpha-Männchen.

Unterstützung als Schlüssel zur Macht

Weibliche Gorillas profitieren oft davon, wenn das Alpha-Männchen in Konflikten eingreift. Diese Unterstützung macht den entscheidenden Unterschied. Häufig stellt es sich schützend vor ranghohe Weibchen, wenn andere Männchen versuchen, ihnen Futter oder Raum streitig zu machen.

Auch die sozialen Netzwerke innerhalb der Gruppe spielen eine große Rolle. Weibchen, die ein enges Verhältnis zu Nicht-Alpha-Männchen pflegen, geraten seltener mit diesen in Konflikt – und wenn doch, verlieren sie öfter. Das zeigt, wie sehr Sympathien und Bündnisse die Rangordnung beeinflussen.

Nahrung als Gradmesser für Rang und Einfluss

Ein klar sichtbarer Vorteil für ranghohe Weibchen ist der bevorzugte Zugang zu knappen Nahrungsquellen. Dazu zählt etwa verrottendes Holz mit hohem Natriumgehalt, das für die Mineralstoffversorgung wichtig ist. Solche Ressourcen sind begehrt – und hier können ranghohe Weibchen ihre Position nutzen.

Bemerkenswert ist, dass dieser Status nicht auf Paarungsvorteilen beruht. Stattdessen sichern sich die Alpha-Männchen zwar den Großteil der Paarungen (rund 85 Prozent), stärken aber gleichzeitig gezielt die Machtstellung der Weibchen.

Die Studie liefert weitere Daten, die das Bild von Gorillahierarchien neu zeichnen:

  • In Mehr-Männchen-Gruppen rangieren Weibchen im Schnitt vor 26 Prozent der Nicht-Alpha-Männchen.
  • Die meisten Konfliktsiege gegen Männchen erzielen Weibchen, wenn diese sehr jung oder bereits deutlich älter sind.
  • Soziale Unterstützung und Allianzen sind entscheidender als Körpermasse.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Dominanz in der Tierwelt nicht zwangsläufig biologisch festgelegt ist. Soziale Strukturen, individuelle Beziehungen und taktisches Verhalten können körperliche Unterschiede ausgleichen.

Kurz zusammengefasst:

  • Bei Gorillas ist die Geschlechterhierarchie flexibler als gedacht: 88 Prozent der Weibchen stehen über mindestens einem erwachsenen Nicht-Alpha-Männchen.
  • Erfolge der Weibchen beruhen nicht nur auf Stärke, sondern auf Unterstützung durch Alpha-Männchen, kluge Taktik und soziale Allianzen.
  • Ranghohe Weibchen erhalten bevorzugten Zugang zu begehrten Nahrungsquellen, was ihren Einfluss sichtbar macht und unabhängig von Paarungsvorteilen ist.

Übrigens: Ob im Wahlkampf, im Büro oder im Freundeskreis – Stress kann Gruppen zusammenschweißen und zugleich Grenzen ziehen. Eine neue Studie erklärt, welche Hormone dabei den Ausschlag geben und wie sie unser Miteinander unbemerkt steuern. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Martha Robbins

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