Der Altamura-Mann: Vor über 30 Jahren wurde er entdeckt und doch stehen wir noch am Anfang

Im Jahr 1993 erstmals von zwei Forschern in Italien entdeckt, hält der Altamura-Mann noch immer viele Rätsel für Anthropologen bereit.

Der Altamura-Mann ist das am vollständigsten erhaltene Skelett eines Neandertalers, doch kaum einer kennt ihn. © Costantino Buzi

Nahe der süditalienischen Stadt Altamura, in der Lamalunga-Höhle, machten Forscher im Oktober 1993 eine außergewöhnliche Entdeckung: Das Skelett eines Neandertalers, der seitdem als Altamura-Mann bekannt ist. Fast unberührt und in einem bemerkenswerten Zustand eingebettet, gibt er Forschern bis heute Rätsel auf.

Die Entdeckung erfolgte, als lokale Forscher in der Höhle unterwegs waren und auf menschliche Knochen stießen. Sofort wurden die Anthropologen Eligio Vacca und Vittorio Pesce Delfino von der Universität Bari Aldo Moro informiert, die bereits am nächsten Abend eintrafen. Schnell war klar, dass es sich um einen der außergewöhnlichsten paläontologischen Funde in Europa handelte. Doch die Untersuchung des Altamura-Mannes gestaltete sich als schwierig, denn die Knochen waren teilweise in Kalkablagerungen eingebettet, die ihre Entnahme und Untersuchung bis heute erschweren.

Die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung

Über die Jahre konnten Forscher dank moderner Technik dennoch wichtige Erkenntnisse über den Altamura-Mann gewinnen. In einer Studie aus dem Jahr 2004 fanden Vacca und Delfino heraus, dass es sich bei den Überresten um die einer erwachsenen, männlichen Person handelte. Jahre später wurde ein Schulterblatt analysiert, das aus einer kleinen Kammer hinter dem Skelett entnommen wurde. Anhand dieses Knochens fanden die Forscher heraus, dass der Altamura-Mann vor zwischen 172.000 und 130.000 Jahren gelebt hat und ein Neandertaler war.

Fundort des Altamura-Mannes (Quelle: Studie)

Digitale Rekonstruktionen eröffnen neue Perspektiven

Mithilfe von Laserscans und 3D-Fotoanalyse gelang es im Jahr 2023 schließlich, eine virtuelle Rekonstruktion des Schädels zu erstellen. Dabei fiel auf, dass der Schädel des Altamura-Mannes Merkmale aufwies, die bei den meisten Neandertalern nicht zu finden sind – bei älteren Exemplaren aus Nordspanien aber schon. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Neandertaler in Süditalien von anderen Populationen isoliert waren.

Immer noch eine große Herausforderung

Trotz der faszinierenden Einblicke bleibt die vollständige Bergung des Skeletts eine Herausforderung. Costantino Buzi veröffentlichte erst vor kurzem eine Studie, die den Fall des Altamura-Mannes und die bisherigen Erkenntnisse zusammenfasst.

Im Austausch mit der Fachzeitschrift NewScientist vergleicht Buzi den Altamura-Mann mit Godot aus Samuel Becketts Stück „Warten auf Godot“ – „oft in der Konversation, aber niemand kann ihn wirklich sehen.“ Buzi betont, dass die Forschung zum Altamura-Mann noch in den Anfängen stecke und die veröffentlichten Arbeiten Schwierigkeiten hatten, Aufmerksamkeit zu erlangen. Sein Ziel ist es daher, einen Weg zu finden, das Skelett sicher zu bergen.

Die Knochen des Altamura-Mannes, von „Höhlenpopcorn“ – kleinen Knoten aus Calcit – bedeckt. (Quelle: Studie)

Meiner Meinung nach wäre die Extraktion der beste Weg, um das Skelett sowohl zu studieren als auch unter den idealen Bedingungen für seine Konservierung zu erhalten.

Costantino Buzi

Schutz des Fundortes

Die Region um die Lamalunga-Höhle, die Teil des Nationalparks Alta Murgia ist, beherbergt keine wertvollen Mineralressourcen, was bisher einen guten Schutz für den Altamura-Mann und die Höhle gewährleistete. Auch hat Italien eine lange Geschichte im Schutz und der Verwaltung von natürlichem und kulturellem Erbe, was Buzi als Glücksfall betrachtet.

Was du dir merken solltest:

  • Der Altamura-Mann, ein Neandertaler-Skelett, wurde 1993 in der Lamalunga-Höhle nahe Altamura, Italien, entdeckt und ist aufgrund seiner Einbettung in Kalkablagerungen schwer zu studieren.
  • Moderne Technologien wie Laserscans und 3D-Fotoanalysen ermöglichten es Forschern, den Schädel virtuell zu rekonstruieren und zu erkennen, dass der Altamura-Mann Merkmale aufweist, die typisch für ältere Neandertaler sind.
  • Trotz der Herausforderungen bei der physischen Bergung des Skeletts sammeln Wissenschaftler weiterhin wertvolle Daten, die neue Einblicke in die Evolution der Neandertaler bieten.

Bild: © Costantino Buzi und weitere via „Virtual paleoanthropology in karstic environments. The challenging case of the Neanderthal skeleton from Altamura (southern Italy)

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