COP30 in Belém: Klimaplayer treffen sich im Amazonas – Während die Welt das Klima retten will, fällt der Regenwald
In Belém, am Rand des Amazonas, ringt die Welt um neue Klimaziele, Milliardenhilfen und den Glauben daran, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar ist.
                Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (links) kündigt in Belém offiziell die Ausrichtung der COP30 an und unterzeichnet den Startschuss für neue Bauprojekte – ein Symbol für den Widerspruch zwischen Klimaschutz und Infrastrukturpolitik. © Wikimedia
Ausgerechnet im Herzen des Amazonas soll die Welt das Klima retten. Im November 2025 richtet Brasilien in der Stadt Belém die 30. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen aus – kurz COP30. Eigentlich ein Symbol für Aufbruch: neue Vereinbarungen gegen die Erderwärmung, mehr Geld für den Klimaschutz, mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien. Doch schon der Ort sorgt für Streit.
Belém liegt am Rand des Amazonasgebiets, jener grünen Lunge der Erde, die riesige Mengen Kohlendioxid bindet. Ausgerechnet dort, wo der Regenwald schützen soll, fallen Bäume – für neue Straßen, Hotels und den Ausbau des Flughafens. Selbst in Schutzgebieten wird gerodet, damit Tausende Delegierte anreisen können.
Während draußen Bagger durch den Wald fahren, wollen drinnen Politiker die Welt retten. Brasiliens Präsident Lula da Silva verspricht, sein Land werde „mit gutem Beispiel vorangehen“. Gleichzeitig treibt seine Regierung neue Ölprojekte im Amazonasdelta voran – ein Widerspruch, der weltweit Kopfschütteln auslöst.
Was die Welt von Belém erwartet
Trotz aller Kritik ist die Bedeutung der COP30 enorm. Die Konferenz gilt als „Umsetzungs-COP“: Erstmals seit dem Pariser Abkommen soll es weniger um neue Versprechen gehen – und mehr darum, ob die Staaten ihre Zusagen tatsächlich einhalten.
Im Mittelpunkt stehen fünf Erwartungen:
- Ein neues globales Finanzierungsziel (NCQG): Entwicklungsländer sollen künftig deutlich mehr Geld für Klimaschutz und Anpassung erhalten – laut UN werden bis zu 2,4 Billionen US-Dollar pro Jahr benötigt.
 - Schutz der Tropenwälder: Mit der geplanten Tropical Forests Forever Facility will Brasilien ein milliardenschweres Finanzierungsmodell für Waldschutz starten.
 - Ambitioniertere nationale Klimaziele: Viele Staaten müssen ihre NDCs (Nationally Determined Contributions, also nationale festgelegte Beiträge) nachschärfen, um das 1,5-Grad-Ziel nicht endgültig zu verfehlen.
 - Bessere Anpassung an Klimafolgen: Belém soll zeigen, wie sich Länder besser vor Dürren, Überschwemmungen und Extremhitze wappnen können.
 - Verbindliche Transparenz und Kontrolle: Artikel 6 des Pariser Abkommens – der internationale Handel mit Emissionsrechten – soll endlich klare Regeln bekommen.
 
Für Gastgeber Brasilien ist die Konferenz doppelt bedeutsam: Das Land will sich als Brücke zwischen Industrie- und Entwicklungsländern präsentieren – und gleichzeitig beweisen, dass wirtschaftliche Entwicklung und Waldschutz vereinbar sind.
USA bleiben außen vor
Die USA werden in Belém fehlen. Donald Trump kündigte zu Jahresbeginn an, die Vereinigten Staaten erneut aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen – wie schon in seiner ersten Amtszeit. Zwar würde der Ausstieg erst 2026 wirksam, doch schon jetzt verzichten offizielle US-Vertreter auf eine Teilnahme.
Laut einer Analyse der Princeton University könnte der Ausstieg den amerikanischen CO2-Ausstoß um bis zu 470 Millionen Tonnen pro Jahr steigen lassen – mehr als das Dreifache der jährlichen Emissionen der Niederlande. Einige US-Bundesstaaten handeln dennoch weiter eigenständig: Kalifornien, New York und Washington investieren Milliarden in Klimaschutzprojekte und kooperieren international.
China: Vorreiter und Bremser zugleich
China will sich in Belém als verlässlicher Partner präsentieren – und zugleich als technologischer Vorreiter. Das Land verursacht rund ein Drittel aller weltweiten Emissionen, investiert aber stärker als jedes andere in Solarenergie, Windkraft und Elektroautos.
Im September kündigte Präsident Xi Jinping an, die Emissionen bis 2035 um sieben bis zehn Prozent zu senken. Beobachter sehen darin ein Signal, dass das Thema höchste Priorität hat. Gleichzeitig entstehen im Land weiterhin neue Kohlekraftwerke – ein Widerspruch, der zeigt, wie schwierig der Umbau der Energieversorgung selbst für China bleibt.
Brasilien zwischen Waldschutz und Ölplänen
Gastgeber Brasilien will in COP30 mit einem klaren Signal überzeugen: weniger Abholzung, mehr internationale Zusammenarbeit. Über die Hälfte des Amazonasgebiets liegt auf brasilianischem Boden – ein gewaltiges Potenzial für den Klimaschutz.
Nach Angaben der brasilianischen Regierung sank die Entwaldung im Amazonas in den zwölf Monaten bis Juli 2025 um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichte mit rund 5.796 km² den niedrigsten Wert seit elf Jahren.
Unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro war die Abholzung des Regenwalds stark gestiegen, nun soll sie durch Fonds wie die Tropical Forests Forever Facility gestoppt werden. „Es wäre das erste Mal, dass der Schutz ungenutzter Flächen tatsächlich vergütet wird“, sagt Thelma Krug, Vorsitzende des COP30-Wissenschaftsrats.
Doch während Geld für den Wald fließt, lässt Präsident Luiz Inácio Lula da Silva neue Straßen durch den Regenwald bauen und Ölprojekte im Amazonasdelta planen. Ein Balanceakt zwischen ökologischen Versprechen und wirtschaftlichen Interessen – und ein Testfall für Brasiliens Glaubwürdigkeit als Gastgebernation.
Indien: Erfolgsmeldungen mit Schattenseiten
Indien hebt seine Fortschritte hervor: Schon heute stammt die Hälfte seiner Stromkapazitäten aus erneuerbaren Quellen – fünf Jahre früher als geplant. Premierminister Narendra Modi will diesen Kurs fortsetzen, auch ohne westliche Finanzhilfen.
Doch der Ausbau fossiler Energie geht weiter. Indien verweist auf seine niedrigen Emissionen pro Kopf und das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung. Laut Energieexpertin Rajani Rashmi hängt es vom internationalen Druck ab, ob das Land seine Klimaziele in Belém nachschärft.
Europa: Ehrgeiz trifft auf Widerstand
Auch die Europäische Union reist gespalten an. Seit 1990 hat sie ihre Emissionen um 37 Prozent gesenkt, doch in vielen Mitgliedsstaaten wächst der Widerstand gegen neue Auflagen.
Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, den Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Doch hohe Energiekosten und politische Spannungen bremsen den Kurs. Das Ziel von Belém lautet deshalb: die eigene Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen – trotz wachsender Skepsis im Inneren.
Die wichtigsten Begriffe der COP30
Wer den Gipfel verstehen will, braucht den Überblick über zentrale Fachbegriffe. Diese fünf Themen bestimmen die Diskussion in Belém:
- NDCs (Nationally Determined Contributions):
So heißen die nationalen Klimaziele, die jedes Land selbst festlegt – etwa zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes. Sie müssen regelmäßig nachgebessert werden, damit die Welt das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen kann. - NCQG (New Collective Quantified Goal):
Dahinter steht das neue weltweite Finanzierungsziel ab 2026. Reiche Länder sollen deutlich mehr Geld bereitstellen, um ärmere Staaten beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Bisher sind rund 300 Milliarden US-Dollar zugesagt, gebraucht werden aber über zwei Billionen pro Jahr. - Loss and Damage (Verluste und Schäden):
Gemeint ist ein Ausgleichsfonds, der Länder unterstützt, die besonders unter den Folgen der Klimakrise leiden – etwa durch Überschwemmungen, Dürren oder Stürme. Damit sollen Staaten, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber stark betroffen sind, finanzielle Hilfe bekommen. - Artikel 6 (CO₂-Handel):
Dieser Teil des Pariser Abkommens legt fest, wie Länder untereinander mit Emissionsrechten handeln dürfen. Das Ziel: Klimaschutz soll dort stattfinden, wo er am effizientesten ist – ohne dass Staaten sich durch Rechentricks einen Vorteil verschaffen. - Rulebook (Regelwerk):
Es ist so etwas wie das Handbuch des Pariser Abkommens. Darin steht, wie Staaten ihre Fortschritte messen, melden und vergleichen müssen. Das soll für Transparenz sorgen – und verhindern, dass Klimaversprechen folgenlos bleiben. 
Mehr als Symbolpolitik
Belém wird zur Bewährungsprobe für die internationale Klimapolitik. Die Erwartungen sind hoch, die Konflikte sichtbar. Ob die Staaten liefern – in Zahlen, Gesetzen und echtem Handeln – entscheidet mit über die Glaubwürdigkeit des Pariser Abkommens.
Am Ende steht eine einfache Frage: Kann die Welt ausgerechnet dort, wo der Regenwald schwindet, zeigen, dass sie den Planeten noch schützen will?
Kurz zusammengefasst:
- Die COP30 in Belém ist die wichtigste Klimakonferenz seit Paris – sie soll zeigen, ob die Staaten ihre bisherigen Zusagen endlich umsetzen.
 - Im Mittelpunkt stehen mehr Geld für den globalen Süden, strengere Klimaziele, klarere Regeln für den Emissionshandel und der Schutz der Tropenwälder.
 - Gastgeber Brasilien will mit sinkender Abholzung punkten, steht aber wegen neuer Ölprojekte im Amazonasgebiet weiter im Spannungsfeld zwischen Umwelt und Wirtschaft.
 
Übrigens: Auch fernab der Amazonasregion zeigen sich alarmierende Folgen der Erderwärmung. In Australiens Tropen haben Forscher beobachtet, dass Regenwälder dort inzwischen mehr CO2 ausstoßen, als sie speichern – ein Wendepunkt im globalen Klimasystem. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Ricardo Stuckert/PR; Palácio do Planalto via Wikimedia unter CC BY 2.0
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      