Neue Solarfenster liefern Strom – und niemand sieht es ihnen an

Normale Fenster könnten bald Strom liefern – mit einer neuen Beschichtung, die Licht umleitet, ohne den Ausblick zu stören.

Solarfenster: So wird aus Glas ganz nebenbei ein Solarpanel

Forscher der Universität Nanjing entwickelten eine transparente Beschichtung, die Fensterscheiben in dezente Stromquellen verwandelt (Symbolbild). © DALL-E

Glasfronten gehören zum modernen Stadtbild. Sie bringen Licht ins Haus, öffnen Räume und prägen ganze Straßenzüge. Nun könnten sie auch zur Energiequelle werden: Solarfenster sollen künftig Strom erzeugen. Möglich macht das eine neue, transparente Beschichtung, die Sonnenlicht in elektrische Energie verwandelt. Entwickelt wurde die Technologie von einem Forschungsteam der Universität Nanjing in China. Sie lässt sich auf herkömmliche Glasscheiben auftragen und bleibt dabei nahezu unsichtbar.

Solarfenster als Stromquelle

Im Inneren der Beschichtung steckt eine spezielle Struktur, die einen Teil des Sonnenlichts gezielt an die Glaskante leitet. Dort sitzen kleine Solarzellen, die das gebündelte Licht in Strom umwandeln. Der Rest des Lichts fällt weiterhin ungehindert ins Gebäude – der Raum bleibt hell, der Ausblick klar.

Zum Einsatz kommen sogenannte cholesterische Flüssigkristalle. Sie lenken nur bestimmte Lichtanteile weiter – je nachdem, wie das Licht polarisiert ist. Alles andere durchdringt die Scheibe wie gewohnt. Laut den Entwicklern lässt die Beschichtung 64,2 Prozent des sichtbaren Lichts hindurch. Die Fenster bleiben also nahezu durchsichtig.

„Wir haben eine Struktur entwickelt, die kreisförmig polarisiertes Licht gezielt ins Glas leitet“, erklärt Projektleiter Dewei Zhang. So entsteht Strom – ohne die Durchsicht zu beeinträchtigen.

Farben bleiben naturgetreu

Für Gebäude mit hohen Ansprüchen an Ästhetik ist das entscheidend. Die Farbwiedergabe durch die beschichteten Fenster liegt bei 91,3 Prozent – ein Wert, bei dem Farben nahezu unverfälscht erscheinen.

Im Test reichte bereits ein Prototyp mit 2,5 Zentimetern Durchmesser aus, um einen kleinen Ventilator mit 10 Milliwatt zu betreiben. Eine zwei Meter breite Glasscheibe könnte das einfallende Sonnenlicht sogar um das 50-Fache bündeln.

Noch geringe Ausbeute – mit Luft nach oben

Die Solarfenster liefern schon Strom, aber bisher noch nicht besonders viel. Im Alltag liegt der Stromertrag bei 3,7 Prozent. Das bedeutet: Nur ein kleiner Teil der Sonnenenergie wird tatsächlich in Elektrizität umgewandelt. In Labortests mit idealen Bedingungen schafft die Beschichtung zwar bis zu 18,1 Prozent – doch dieser Wert gilt nur für das Licht, das gezielt gebündelt am Fensterrand ankommt. Die gesamte Sonneneinstrahlung nutzen die Fenster bisher also nur begrenzt.

Strom direkt am Gebäude erzeugen

Gerade in Städten mit vielen Glasfassaden könnte die neue Technik einen Unterschied machen. Denn Fenster als Solaranlagen benötigen keinen zusätzlichen Platz – weder auf dem Dach noch an der Fassade.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Materialeinsparung: Es genügt, nur eine Kante des Glases mit Solarzellen zu versehen. Der Rest bleibt frei. Nach Angaben der Forscher lässt sich so der Bedarf an Solarmodulen um bis zu 75 Prozent reduzieren.

Entlastung für Stromnetze und Nutzer

Gebäude mit eigener Stromerzeugung entlasten nicht nur das Stromnetz, sondern bieten auch handfeste Vorteile für Nutzer:

  • geringere Abhängigkeit von Strompreisen
  • Einsparungen bei Betriebskosten
  • mehr Versorgungssicherheit bei hoher Nachfrage

„Das Design ist ein praktischer und skalierbarer Ansatz zur Reduktion von CO2-Emissionen und zur Eigenversorgung mit Energie“, erklärt Ingenieur Wei Hu.

Serienfertigung noch nicht marktreif

Noch befindet sich das Verfahren im Prototypenstadium. Bis die neue Technologie im großen Maßstab einsetzbar ist, bleiben einige Fragen offen. Die Herstellung muss vereinfacht, die Stabilität unter UV-Strahlung sichergestellt und die Effizienz weiter gesteigert werden.

Langfristig könnten die Solarfenster den Blick auf Architektur verändern. Fenster wären dann nicht nur lichtdurchlässige Flächen, sondern aktive Bauteile in der Energieversorgung. Wenn weltweit Fensterflächen mit dieser Technik ausgestattet würden, ließen sich mehrere Terawatt grüner Energie erzeugen. Gleichzeitig könnten Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Solarfenster verwandeln herkömmliche Glasscheiben in Stromquellen, indem sie einen Teil des Sonnenlichts an den Rand lenken und dort durch kleine Photovoltaik-Zellen nutzen.
  • Die Beschichtung bleibt nahezu unsichtbar, lässt 64,2 Prozent des Lichts hindurch und sorgt mit 91,3  Prozent Farbtreue für unveränderte Raumwirkung – ideal für Städte mit vielen Glasfassaden.
  • Noch liegt die Stromausbeute bei 3,7  Prozent, doch die Technik hat Potenzial: Bei breiter Anwendung ließen sich weltweit Terawatt an Energie erzeugen und Milliarden Tonnen CO2 einsparen.

Übrigens: In der Schweiz könnten junge Menschen bald statt zum Militär in ein „Solarjahr“ gehen – und damit Tausende Dächer mit Panels bestücken. So will ein Empa-Team die Energiewende binnen fünf Jahren schaffen – für alle, auf jedem Dach, ganz ohne Speicherpflicht. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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