Wenn Hörgeräte nicht mehr helfen – Smartes Implantat denkt mit und ersetzt das Hören

Ein neuartiges Cochlea-Implantat merkt sich Hördaten und ermöglicht präzisere Einstellungen, weniger Ausfälle und mehr Lebensqualität.

Smartes Cochlea-Implantat hilft, wenn Hörgeräte versagen

In einem einstündigen Eingriff setzen Erlanger Ärzte ein Implantat ein, das Patientendaten speichert und sich individuell anpassen lässt. © Uniklinikum Erlangen

Was tun, wenn das Ohr plötzlich nicht mehr hört – und kein Hörgerät mehr hilft? In solchen Fällen kommt ein sogenanntes smartes Cochlea-Implantat infrage: eine spezielle Hörhilfe, die nicht im Gehörgang sitzt, sondern direkt im Innenohr wirkt. Dort liegt die Hörschnecke (Cochlea) – eine winzige, schneckenförmige Struktur, die normalerweise Geräusche in elektrische Signale für das Gehirn umwandelt. Ist diese Funktion gestört, etwa durch einen Hörsturz oder Lärmschäden, kann ein Implantat den Hörnerv direkt stimulieren.

In Erlangen wird nun ein neues System eingesetzt, das mehr kann als bisherige Modelle: Es merkt sich selbstständig, wie gut der Nutzer hört – und verbessert das Hörerlebnis gezielt.

Gerät merkt sich individuelle Hördaten – auch bei Verlust

Im Unterschied zu herkömmlichen Implantaten speichert das neue System alle individuellen Einstellungen direkt im Körper. Wer das externe Gerät verliert oder ein neues erhält, muss nichts neu einstellen. Selbst bei Störungen im Alltag – etwa durch Feuchtigkeit, Magnetfelder oder ein verlorenes Mikrofon – bleibt das System einsatzfähig. Auch Firmware-Updates lassen sich aufspielen, ohne dass ein Eingriff nötig ist.

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe, Leiter des Cochlear-Implant-Centrums CICERO sowie Prof. Dr. Sarina Müller, Klinikdirektorin und Spezialistin für Cochlea-Implantationen, betreuen ihre Patientinnen und Patienten gemeinsam mit einem interdisziplinären Team von der ersten Beratung bis zur Nachsorge. © Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe, Leiter des Cochlear-Implant-Centrums CICERO sowie Prof. Dr. Sarina Müller, Klinikdirektorin und Spezialistin für Cochlea-Implantationen, betreuen ihre Patientinnen und Patienten gemeinsam mit einem interdisziplinären Team von der ersten Beratung bis zur Nachsorge. © Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen

Vorteile der Cochlea-Implantate:

  • Patientendaten werden im Implantat selbst gespeichert
  • Kein erneutes Setup bei Geräteverlust
  • Firmware-Updates über das externe Gerät möglich
  • Automatische Lagekontrolle der Elektroden am Hörnerv
  • Längere Akkulaufzeit durch optimierten Energieverbrauch
  • Eingriff dauert nur etwa 60 Minuten

Der Hersteller Cochlear Ltd. hat weltweit nur drei Kliniken für den sogenannten „Controlled Market Release“ ausgewählt. In Erlangen wird das System bereits seit Juli 2024 erprobt, über 100 Patientinnen und Patienten wurden seitdem versorgt. Damit zählt die Erlanger HNO-Klinik zu den führenden Zentren für smarte Hörimplantate.

„Ein Hörgerät hätte mir nicht mehr geholfen“

Eine der ersten Nutzerinnen ist Elke L., 51 Jahre alt. Nach einem plötzlichen Hörsturz auf dem rechten Ohr verlor sie 2022 fast vollständig ihr Hörvermögen – ohne erkennbare Ursache. „Ich hatte anfangs gehofft, dass es sich wieder bessert“, sagt sie. Doch das Gehör blieb taub. Erst im Februar 2025 entschied sie sich für das smarte Implantat.

„Früher wurde ich gerufen und wusste nicht, woher die Stimme kam. Jetzt kann ich wieder genau zuordnen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt“, sagt Elke L. „Das ist eine ganz neue Lebensqualität.“

Präziser Eingriff – hohes Maß an Sicherheit

Die Operation selbst ist vergleichsweise kurz: In einem etwa einstündigen Eingriff setzen die Operateure – in Erlangen sind das Prof. Dr. Sarina Müller und Prof. Dr. Joachim Hornung – das Implantat hinter dem Ohr unter die Haut. Von dort führen sie feine Elektroden direkt in die Hörschnecke ein. Der äußere Sprachprozessor wird später magnetisch auf der Kopfhaut befestigt.

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe passt bei Patientin Elke L. den externen Sprachprozessor an. Die individuelle Einstellung des Cochlea-Implantats erfolgt im CICERO-Zentrum des Universitätsklinikums Erlangen und erfordert regelmäßige Nachsorgetermine für eine optimale Hörleistung.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe befestigt den Sprachprozessor am Kopf von Patientin Elke L. Erst nach der Aktivierung und der individuellen Anpassung an ihr Hörvermögen kann sie auf dem rechten Ohr wieder hören. Für die Feinabstimmung und die langfristige Hörqualität kommt sie regelmäßig zur Nachsorge in das CICERO-Zentrum am Universitätsklinikum Erlangen. © Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen

Neues Hören braucht Geduld und gezieltes Training

Nach der Heilung wird das Implantat aktiviert. Doch dann beginnt die eigentliche Herausforderung: Der Hörnerv muss lernen, die neuen elektrischen Signale zu verarbeiten. Hierfür betreut ein interdisziplinäres Team aus Audiologen, Logopäden und Therapeuten die Patienten über mehrere Wochen. Die Nachsorge umfasst regelmäßige Feinjustierungen, Hörtrainings – und die schrittweise Anpassung an Alltagsgeräusche.

Die gespeicherten Daten helfen dabei, von Anfang an eine individuelle Grundeinstellung vorzunehmen – abgestimmt auf das jeweilige Hörvermögen. Das erleichtert den Start und verkürzt die Eingewöhnungszeit.

Smarte Technik mit alltagstauglichem Nutzen

Für Betroffene wie Elke L. bedeutet das Cochlea-Implantat mehr als nur eine technische Lösung. Es hilft, sich im Raum wieder zu orientieren, Gespräche in Gruppen besser zu verstehen – und wieder sicher am Leben teilzunehmen.

Prof. Ulrich Hoppe erklärt: „Ein Implantat ist immer dann sinnvoll, wenn ein Hörgerät nicht mehr ausreicht. Das neue System erleichtert uns nicht nur die Nachsorge – es erhöht auch die Sicherheit, etwa bei Verlust des Prozessors.“

Kurz zusammengefasst:

  • Das neue smarte Cochlea-Implantat speichert individuelle Hördaten direkt im Körper und erleichtert so die Nachsorge sowie Geräteeinstellungen.
  • Es überbrückt zerstörte Sinneszellen in der Hörschnecke (Cochlea) und leitet elektrische Signale direkt an den Hörnerv weiter – selbst bei vollständigem Hörverlust.
  • Durch automatische Anpassung, Update-Funktion und hohe Zuverlässigkeit im Alltag verbessert das System spürbar die Lebensqualität von Betroffenen.

Übrigens: Wer einen Smart Speaker zu Hause hat, hört nicht nur mehr Musik – er landet auch fast automatisch beim passenden Abo-Anbieter. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Uniklinikum Erlangen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert