Smarte Motorradgriffe: Nie mehr den Lenker für Navi, Telefon und Co. loslassen
Navi, Telefonie und Blinker sicher bedienen, ohne den Lenker loszulassen – eine neue Lösung fürs Motorrad soll genau das künftig ermöglichen.

Der erste Prototyp einer KI-basierten Gestensteuerung mit haptischem Feedback wurde von einem Team der TH Köln und der brehmergroup für Motorradgriffe entwickelt. © Olaf-Wull Nickel/TH Köln
Mit offenem Visier, dem Fahrtwind im Gesicht und der Straße im Blick – so sieht Freiheit auf zwei Rädern aus. Doch diese Freiheit wird zunehmend von Technik durchdrungen. Navigation, Anrufe, Musiksteuerung – all das spielte früher keine Rolle beim Motorradfahren. Heute gehört es zur Standardausstattung. Und mit jedem neuen Feature wächst auch das Risiko, im falschen Moment abgelenkt zu sein. Das kann gerade für Motorradfahrer lebensgefährlich werden – ein einziger Griff daneben, ein kurzer Blick aufs Display, und es ist zu spät.
Ein neues Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Köln will diese Gefahrenquelle ausmerzen – und das Motorradfahren sicherer machen. Damit Biker den Lenker nicht mehr loslassen müssen, soll die Steuerung direkt über den Griff laufen – da, wo die Hände sowieso sind. Smarte Motorradgriffe erkennen, ob man wischt, tippt oder drückt – und reagieren, ohne dass man den Blick von der Straße nehmen muss.
Smarte Motorradgriffe – Wie funktioniert das System?
Das Prinzip erinnert an moderne Smartphone-Gesten – nur eben direkt am Lenker. Entwickelt wurde die Technik von Kölner Forschern zusammen mit der brehmergroup, einem Unternehmen, das seit fast zwei Jahrzehnten Heizgriffe für Motorräder herstellt.
- Sensoren erkennen Bewegungen wie Wischen, Drücken oder Tippen – selbst mit Handschuhen.
- Ein kurzer Druck nimmt einen Anruf an, ein Wisch setzt den Blinker.

Warum das ein Sicherheitsgewinn ist
Wer heute mit dem Motorrad unterwegs ist, nutzt oft eine Vielzahl an digitalen Helfern – vom Navi über Musik bis hin zur Kommunikation mit Mitfahrern. Die Steuerung erfolgt meist über Tasten am Helm oder über Touchdisplays. Doch genau das birgt Risiken.
Professor Matthias Böhmer von der TH Köln bringt es auf den Punkt:
Wenn eine Hand vom Lenker zum Helm bewegt wird und in dem Moment der Notbremsassistent greift, haben Fahrer möglicherweise nicht beide Hände am Lenker.
Hinzu kommt: Viele Displays sind bei Sonnenlicht schwer lesbar. Sprachnavigation kann in der Windgeräuschkulisse untergehen. Und Touchdisplays sind mit Motorradhandschuhen oft kaum zu bedienen. Die neuen smarten Griffe aus Köln sollen all diese Probleme lösen – ganz ohne zusätzliche Geräte oder Eingabeflächen.
Alte Technik, neu gedacht – das spart Geld
Das Team greift dabei auf eine bestehende Technik zurück: die Heizfolie, die in vielen Griffen ohnehin verbaut ist. Diese dient nun gleichzeitig als Sensorfläche.
Vorteile:
- Keine teuren Neuentwicklungen nötig, da vorhandene Komponenten genutzt werden
- Einfache Nachrüstbarkeit bei vielen Motorradmodellen
Die Sensoren erkennen nicht nur Bewegungen, sondern auch, wie viele Finger den Griff berühren. So lässt sich etwa unterscheiden, ob gewischt oder gedrückt wird – eine wichtige Voraussetzung für zuverlässige Gestensteuerung bei Wind, Regen und Tempo.
Auch für E-Bikes und Roller interessant
Die Forscher denken weiter: In Zukunft könnten auch E-Bikes und Scooter von der Technik profitieren – gerade dort, wo viele Menschen ohne Erfahrung oder Führerschein unterwegs sind.
Ein paar Beispiele:
- Die Klingel wird durch Antippen des Griffs ausgelöst
- Das Licht geht an, wenn mit zwei Fingern gleichzeitig gedrückt wird
- Die Navigation erfolgt per Daumenwisch – ohne Handy am Lenker
Wann kommt die Technik auf den Markt?
Noch ist das System in der Testphase. Bis Ende 2026 läuft die Projektförderung durch das Bundeswirtschaftsministerium. Dann könnte die Technik in Serie gehen. Ziel ist ein verlässliches System, das bei jedem Wetter und in jeder Verkehrssituation funktioniert – und vor allem eins bringt: mehr Sicherheit bei der Fahrt.
Kurz zusammengefasst:
- Smarte Motorradgriffe sollen künftig Gesten wie Wischen oder Drücken erkennen. So können Fahrer wichtige Funktionen bedienen, ohne den Lenker loszulassen oder den Blick von der Straße abzuwenden.
- Entwickelt wird das System von der Technischen Hochschule Köln und der brehmergroup – auf Basis bereits vorhandener Heizgrifftechnik. Das spart Kosten und erleichtert die Nachrüstung.
- Ziel ist es, Ablenkung während der Fahrt deutlich zu reduzieren und damit die Sicherheit für Motorradfahrerinnen und -fahrer spürbar zu erhöhen – auch bei E-Bikes und Rollern könnte die Technik zum Einsatz kommen.
Übrigens: Nicht nur Motorräder werden durch smarte Steuerung sicherer – auch Kleidung kann inzwischen digitale Geräte bedienen, ganz ohne Tasten oder Displays. Wie ein einfacher Magnetring Pullover, Jacke oder Ärmel in Fernbedienungen verwandelt, lesen Sie in unserem Artikel.
Bild: © Olaf-Wull Nickel (www.nickel-photography.com) / TH Köln