Sie kombiniert und analysiert schneller als jeder Mensch – KI findet neue Medikamente in Rekordzeit

KI verändert die Medikamentenentwicklung: Sie findet Wirkstoffe schneller, macht Tests sicherer – birgt jedoch auch Risiken.

KI revolutioniert die Medikamentenentwicklung: Sie beschleunigt die Wirkstoffsuche, macht Studien sicherer – bringt aber auch neue Risiken.

Pharmaunternehmen setzen zunehmend auf künstliche Intelligenz, um altbekannte Medikamente neu einzusetzen und ungenutzte Therapiechancen zu erschließen. © Unsplash

Die Pharmaindustrie steht vor einem Umbruch. Künstliche Intelligenz verändert nicht nur, wie Medikamente entwickelt werden – sie könnte ganze Abläufe in Forschungslaboren auf den Kopf stellen. Vor allem große Sprachmodelle spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie durchforsten Datenberge, liefern Hypothesen in Sekunden und eröffnen Wege zu Therapien, die bislang undenkbar schienen. Forscher aus China haben nun untersucht, wie weit diese Technik schon ist – und welche Chancen und Risiken sie birgt.

Normalerweise dauert es mehr als ein Jahrzehnt, bis ein neues Medikament den Markt erreicht. Milliarden fließen in Studien, viele Wirkstoffe scheitern unterwegs. Hier können große Sprachmodelle (LLMs) ihre Stärken ausspielen:

  • Sie analysieren Genomdaten, Proteinstrukturen und klinische Studien in Rekordzeit.
  • Sie erkennen Zusammenhänge, die Forschern bislang verborgen blieben.
  • Sie schlagen Wirkstoff-Kombinationen vor, auch für Krankheiten ohne Therapie.

Besonders eindrucksvoll ist das Modell 3DSMILES-GPT. Es entwirft binnen Sekunden Molekülstrukturen, die auf maximale Wirksamkeit getrimmt sind – sogar Varianten, die in der Natur gar nicht vorkommen.

KI findet neue Einsatzmöglichkeiten für bereits zugelassene Medikamente

Ein Medikament gegen Migräne kann auch bei Depressionen helfen. Solche Entdeckungen geschehen oft zufällig. Mit KI funktioniert das gezielter. LLMs analysieren vorhandene Studien, Patientendaten und biochemische Reaktionen. So erkennen sie, welche bekannten Präparate auch bei anderen Krankheiten wirksam sein könnten.

Diese Technik, das sogenannte Drug Repurposing, spart Zeit, Geld und Nerven – besonders in Krisensituationen. Denn wenn ein Mittel bereits zugelassen ist, kann es schneller für neue Zwecke eingesetzt werden.

Früh warnen, bevor es gefährlich wird

Sicherheit steht bei neuen Medikamenten an erster Stelle. Doch viele Nebenwirkungen tauchen erst in späten Studienphasen oder sogar nach der Zulassung auf. Hier liefert die KI eine neue Perspektive. LLMs können schon in der präklinischen Phase abschätzen:

  • Wie ein Wirkstoff im Körper verarbeitet wird (Pharmakokinetik)
  • Ob es gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt
  • Welche Organe möglicherweise betroffen sein könnten

Das erhöht die Sicherheit. Substanzen, die später gefährlich werden könnten, lassen sich früh aussortieren. Gleichzeitig erlaubt das gezieltere Studien und effizientere Planung.

KI macht Wissen schneller und einfacher zugänglich

Komplexe Forschungsergebnisse sind oft schwer verständlich – selbst für medizinisches Fachpersonal. LLMs übersetzen solche Inhalte in klare, strukturierte Sprache. Kliniken und Forschungsteams können so schneller auf neue Erkenntnisse reagieren.

Das entlastet auch im Alltag: Patientendaten lassen sich besser dokumentieren, Studienergebnisse schneller einordnen und Verwaltungsaufwand reduzieren.

Nicht jede Prognose ist zuverlässig

Trotz der vielen Chancen gibt es auch Herausforderungen. LLMs brauchen enorme Rechenleistung und große Mengen an hochwertigen Daten. Doch genau daran fehlt es oft – gerade bei seltenen Erkrankungen oder komplexen biologischen Fragestellungen.

Weitere Risiken:

  • Falsche oder ungenaue Vorhersagen („Halluzinationen“)
  • Mangelnde Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen (Black-Box-Problem)
  • Datenschutzprobleme bei sensiblen Gesundheitsdaten

Das Forscherteam warnt: „Diese Halluzinationen können zu scheinbar plausiblen, aber fehlerhaften Vorhersagen führen – etwa bei der Sicherheit oder Wirksamkeit eines Medikaments.“

Neue Strategien für mehr Effizienz und weniger Risiko

Um diese Risiken zu minimieren, schlagen die Forscher neue Ansätze vor. Statt nur auf große Allzweck-Modelle zu setzen, empfehlen sie spezialisierte Tools wie RXN oder Protein-LLMs – kombiniert mit Techniken wie „Parameter-Efficient Fine-Tuning“ (PEFT). So lassen sich Modelle gezielter trainieren, mit weniger Rechenleistung und geringeren Kosten.

Die Forscher fassen ihre Empfehlungen in drei zentralen Forderungen zusammen, die den künftigen Einsatz von KI in der Medikamentenentwicklung leiten sollen:

  1. Jede KI-Vorhersage muss experimentell überprüft werden.
  2. Transparenz und Nachvollziehbarkeit müssen verbessert werden.
  3. Regulierungen sollen mit der Technik Schritt halten.

Dr. Peng Luo, der die Studie geleitet hat, fordert:

Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die lernübergreifenden Fähigkeiten von LLMs zu verbessern, spezialisierte Werkzeuge zu integrieren und die Vorhersagen streng zu validieren.

Kurz zusammengefasst:

  • KI verkürzt die Medikamentenentwicklung erheblich: Sprachmodelle finden neue Wirkstoffe schneller, erkennen Risiken frühzeitig und machen klinische Studien effizienter.
  • Die Technik spart Zeit und Kosten, birgt aber Gefahren durch fehlerhafte Vorhersagen, fehlende Transparenz und Datenschutzprobleme.
  • Forscher fordern klare Regeln: Jede KI-Vorhersage muss im Labor überprüft, Entscheidungen nachvollziehbarer gemacht und die Regulierung der Technik angepasst werden.

Übrigens: Der gleiche Algorithmus, der auf LinkedIn überraschende Kontakte vorschlägt, kann auch neue Einsatzmöglichkeiten für Medikamente finden. Er erkennt versteckte Verbindungen zwischen Wirkstoffen und Proteinen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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