Salzwasser statt Süßwasser – Schaffen Mikroben die Wasserstoff-Wende?

Offshore-Windräder liefern oft mehr Strom, als genutzt werden kann. Wissenschaftler hatten eine ungewöhnliche Idee, um mit dem Energieüberschuss aus Salzwasser Wasserstoff zu gewinnen.

Grüner Wasserstoff aus Salzwasser: Lösen Mikroben das Problem?

Forscher entwickelt ein Verfahren, das mithilfe von Titanstrukturen und Mikroben Wasserstoff direkt an Offshore-Windanlagen erzeugen soll. © Carolin Skottke

Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende und ist ein zentraler Baustein für das Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland. Doch viele Verfahren zur Herstellung sind teuer, umweltschädlich – oder verschwenden wertvolles Süßwasser. Ein Forschungsteam in Kiel geht nun einen anderen Weg: Es will Wasserstoff direkt aus Salzwasser gewinnen. Kein einfaches Unterfangen, aber mit Mikroben als Helfer könnte es gelingen. Und direkt dort, wo der Wind weht – auf hoher See.

Offshore-Windparks liefern häufig mehr Strom, als über die bestehenden Leitungen an Land transportiert werden kann. In solchen Momenten bleibt saubere Energie ungenutzt – die Anlagen müssen gedrosselt oder sogar ganz abgeschaltet werden. Statt den wertvollen Windstrom zu verschwenden, ließe er sich direkt vor Ort nutzen: Ein sogenannter Elektrolyseur kann mit überschüssigem Strom Wasser in seine Bestandteile aufspalten – in Sauerstoff und Wasserstoff.

Der gewonnene Wasserstoff lässt sich dann speichern, transportieren und vielseitig weiterverwenden – ein echter Vorteil für eine nachhaltige Energieversorgung.

Wie funktioniert Elektrolyse – und warum ist grüner Wasserstoff aus dem Meer schwierig?

Ein Elektrolyseur ist ein Gerät, das mithilfe von viel Strom Wasser spaltet. Dafür braucht es normalerweise gereinigtes Süßwasser – also Wasser ohne Salz, Schwebstoffe oder Mineralien. In klassischen Anlagen stammt dieses Wasser meist aus Flüssen oder Trinkwasserleitungen. Das Problem: Nur etwa 2,5 Prozent des weltweiten Wasservorkommens ist Süßwasser. Und davon ist der größte Teil in Gletschern oder im Grundwasser gebunden. Trinkbares Wasser ist heute schon vielerorts knapp – und wird durch die Erderwärmung noch knapper.

Meerwasser direkt zu nutzen klingt naheliegend – ist aber technisch heikel. Denn Salz greift die Elektrolyse-Anlage an, führt zu Korrosion, giftigem Chlorgas und unerwünschten chemischen Nebenreaktionen. „Auch eine schnellere Korrosion der Elektroden oder unerwünschte Nebenreaktionen können auftreten. Dies wollen wir durch geeignete Werkstoffe in Kombination mit den Mikroorganismen verhindern“, sagt Werkstoffexpertin Jana Schloesser von der Fachhochschule Kiel.

Mikroben als Katalysatoren – Salzwasser als Rohstoff

Das Projekt „SalYsAse“ will dieses Problem lösen: Wasserstoff direkt aus Meerwasser gewinnen – und dabei auf teure oder seltene Materialien verzichten. Statt der üblichen chemischen Katalysatoren wie Iridium versprechen sich die Forscher vom Einsatz der Mikroben aus der Nord- und Ostsee einiges. Die Bakterien sind an salzhaltige Bedingungen gewöhnt und sollen helfen, die Elektrolyse auch im Meerwasser effizient in Gang zu bringen – ohne teure Rohstoffe und ohne giftige Nebenprodukte.

„Oftmals wird das chemische Element Iridium als Katalysator genutzt, da es sehr beständig gegenüber Korrosion ist. Allerdings ist es selten und daher nur begrenzt verfügbar. Deshalb wollen wir Biokatalysatoren in Form von Mikroben nutzen“, erklärt Projektleiterin Mirjam Perner.

Für die Gewinnung von Wasserstoff aus Meerwasser setzen Forschende auf Mikroben aus Nord- und Ostsee. Diese salztoleranten Bakterien sollen als Biokatalysatoren die Elektrolyse unterstützen und chemische Katalysatoren ersetzen.
Mikroben aus der Nord- und Ostsee sind an salzhaltige Bedingungen angepasst – deshalb sollen sie bei der Salzwasserelektrolyse als natürliche Biokatalysatoren eingesetzt werden. So kann die Wasserstoffproduktion effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger ablaufen. © Mirjam Perner, GEOMAR

Die Mikroben siedeln sich auf einer porösen Trägerschicht aus Titan an – einem besonders salzwasserbeständigen Metall. Diese Struktur übernimmt gleich zwei Aufgaben: Sie leitet Strom und Reaktionsstoffe und dient zugleich als stabiler Lebensraum für die Mikroben. „Wir gestalten die Transportschicht so, dass sie auch als Träger für die Mikroben fungiert. Damit findet die biologische Katalyse direkt in der Elektrolysezelle statt“, erklärt Florian Gerdts vom Projektpartner Element22. Die Kombination aus Materialtechnik und Biologie soll den Prozess besonders effizient und korrosionsbeständig machen – ein entscheidender Vorteil für den Einsatz im Meer.

Grüner Wasserstoff aus Salzwasser – und warum die Herkunft entscheidend ist

Wasserstoff ist nicht per se klimafreundlich. Entscheidend ist, wie er hergestellt wird – und ob dabei Treibhausgase entstehen:

  • Grauer Wasserstoff: aus Erdgas, klimaschädlich, bisheriger Standard
  • Blauer Wasserstoff: ebenfalls aus Erdgas, CO2 wird aber gespeichert
  • Türkiser Wasserstoff: durch Pyrolyse, CO2 fällt als Feststoff an
  • Grüner Wasserstoff: durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen – CO2-frei

Der Großteil des weltweit produzierten Wasserstoffs stammt bislang aus fossilen Quellen – vor allem aus Erdgas. Bei der sogenannten Dampfreformierung entsteht dabei grauer Wasserstoff, der große Mengen CO2 freisetzt. Laut KfW trifft das auf rund 95 Prozent des in Deutschland erzeugten Wasserstoffs zu. Auch international liegt der Anteil fossiler Verfahren auf ähnlich hohem Niveau.

Das Projekt SalYsAse verfolgt das Ziel, grünen Wasserstoff direkt an Offshore-Windanlagen zu erzeugen – dort, wo der Wind ohnehin regelmäßig mehr Strom liefert, als ans Festland transportiert werden kann.

Diese Zahlen zeigen, worum es geht

SalYsAse wird über drei Jahre mit 733.000 Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert. Beteiligt sind:

  • GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Leitung)
  • Fachhochschule Kiel (Materialforschung)
  • Element22 GmbH (Titanbauteile)
  • CAPTN Energy (Netzwerk für maritime Energietechnologie)

Die Technik soll künftig direkt auf Windparks zum Einsatz kommen – ohne den Umweg über lange Kabel und große Speicheranlagen. Der Wasserstoff kann gespeichert, per Schiff transportiert oder direkt in industrielle Prozesse eingespeist werden.

Forschende von GEOMAR, der Fachhochschule Kiel und dem Unternehmen Element22 arbeiten im Projekt SalYsAse zusammen, um mithilfe von Mikroben grünen Wasserstoff aus Meerwasser zu erzeugen.
Das Team hinter dem Projekt SalYsAse entwickelt gemeinsam neue Wege zur Wasserstoffgewinnung aus Meerwasser – mit Fachleuten vom GEOMAR, der FH Kiel und dem Unternehmen Element22. © Louisa Trippe, GEOMAR

Wie grüner Wasserstoff aus Salzwasser gleich vier Ressourcenprobleme entschärft

Die Verbindung von Windkraft, Meerwasser und Biotechnologie löst mehrere Probleme zugleich:

  • Offshore-Strom wird besser genutzt.
  • Süßwasser wird geschont – ein immer knapperes Gut.
  • Teure Edelmetalle wie Iridium werden überflüssig.
  • Mikroben übernehmen die Arbeit – wartungsarm und ressourcenschonend.

„Ziel des Projekts ist es, Wasserstoff mittels Salzwasserelektrolyse umweltschonend und kostengünstig herzustellen – aber mit optimiertem Wirkungsgrad und geringerem Einsatz von chemischen Katalysatoren“, sagt Perner. Ein Ansatz, der nicht nur für Küstenregionen interessant ist – sondern überall dort, wo erneuerbare Energie auf salziges Wasser trifft.

Kurz zusammengefasst:

  • Grüner Wasserstoff aus Salzwasser soll direkt auf Offshore-Windanlagen erzeugt werden – mit Hilfe von Mikroben statt teuren Edelmetallen.
  • Das Verfahren schont wertvolles Süßwasser, das in klassischen Elektrolyseuren bislang unverzichtbar ist, und nutzt überschüssigen Windstrom effizient.
  • Ziel des Projekts SalYsAse ist eine umweltfreundliche, kostengünstige Alternative zur herkömmlichen Wasserstoffproduktion aus fossilen Quellen.

Übrigens: Tief unter Gebirgen wie den Alpen könnte auf natürliche Weise Wasserstoff entstehen – und das in überraschend großen Mengen. Warum gerade bestimmte Gesteinsformationen dabei entscheidend sind – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Carolin Skottke / GEOMAR

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