Deutsche Mikroroboter: Winzige Würfel aus Chemnitz könnten bald Krebs bekämpfen
Ein Forschungsteam der TU Chemnitz entwickelt modulare Mikroroboter, die erstmals eigenständig kommunizieren, Bewegungen koordinieren und Aufgaben gemeinsam ausführen.

Die Smartlet-Mikroroboter der TU Chemnitz sind nur einen Millimeter groß und sollen künftig komplexe Aufgaben in Gruppen koordinieren. © Jacob Müller
Winzige Maschinen, kaum größer als ein Sandkorn, könnten schon bald Aufgaben übernehmen, die bisher undenkbar waren – von medizinischen Eingriffen im Körper bis hin zur Überwachung von Wasserqualität. Am Forschungszentrum MAIN der Technischen Universität Chemnitz haben Forscher nun eine Technologie entwickelt, die diesen Weg möglich macht: Smartlet-Mikroroboter.
Diese winzigen Roboter sind nur einen Millimeter groß und können zum ersten Mal selbstständig miteinander kommunizieren, Bewegungen koordinieren und Aufgaben gemeinsam erledigen. Angetrieben werden sie durch integrierte Photovoltaikzellen, gesteuert von Mikrochips und vernetzt über optische Signale. Die neue Entwicklung wurde in der Fachzeitschrift Science Robotics veröffentlicht.
Smartlet-Mikroroboter arbeiten wie ein intelligenter Schwarm
Die Smartlets bestehen aus mehrschichtigen, flexiblen Materialien und falten sich mithilfe eines Origami-inspirierten Verfahrens selbstständig zu kleinen hohlen 3D-Würfeln. Diese Bauweise ermöglicht Platz für Sensoren, Recheneinheiten, Energiesysteme und optische Kommunikationsmodule.

Ihre größte Stärke liegt in ihrer Fähigkeit, Signale auszutauschen und koordiniert zu handeln. Nimmt ein Smartlet ein Lichtsignal auf, verarbeitet es die Information eigenständig und kann andere Smartlets zu synchronen Bewegungen anregen.
Prof. Dr. Oliver G. Schmidt, wissenschaftlicher Direktor des MAIN-Zentrums, erklärt:
Zum ersten Mal demonstrieren wir eine in sich geschlossene Mikrorobotereinheit, die nicht nur auf Reize reagiert und sich fortbewegt, sondern auch mit anderen Mikrorobotern auf programmierbare und autonome Weise interagiert.
Medizinische Perspektiven sind enorm
Aufgrund ihrer winzigen Größe und Biokompatibilität könnten die Smartlet-Mikroroboter eines Tages in menschlichen Organen oder Blutbahnen eingesetzt werden.
Weitere denkbare Anwendungsfelder sind:
- Minimalinvasive Diagnostik: Smartlets könnten Gewebeproben untersuchen oder Krankheitsmarker erkennen.
- Gezielter Medikamententransport: Wirkstoffe ließen sich präzise an betroffene Stellen im Körper bringen.
- Früherkennung von Schäden: Sensoren könnten kleinste Gewebedefekte oder Entzündungen sichtbar machen.
- Gemeinsames Handeln: Mehrere Smartlets könnten zusammenarbeiten, um Tumorzellen aufzuspüren oder Verstopfungen aufzulösen.
Smartlets überwachen Wasser gezielt und effizient
Neben der Medizin sind Umweltüberwachung und Gewässeranalyse laut den Forschern weitere mögliche Einsatzgebiete. Potenzielle Anwendungen wären:
- Aufspüren von Schadstoffen: Smartlets könnten Mikroplastik, Schwermetalle oder Krankheitserreger identifizieren.
- Frühwarnsysteme: Behörden könnten Daten über Trinkwasserverunreinigungen in Echtzeit erhalten.
- Analyse großer Wasserflächen: Dank ihrer Fähigkeit zur Schwarmbildung lassen sich mehrere Roboter gleichzeitig einsetzen und koordinieren.
Autonome Robotersysteme für Industrie und Forschung
Die Smartlet-Mikroroboter verfügen über eine drahtlose optische Kommunikationsschnittstelle. Dadurch arbeiten sie unabhängig von externen Steuerungen wie Kameras, Magneten oder Antennen. Informationen werden direkt auf den integrierten Mikrochips verarbeitet.
Diese Unabhängigkeit schafft neue Möglichkeiten für autonome Inspektionsnetzwerke. In schwer zugänglichen Umgebungen, wie Pipelines, Tanks oder Unterwasseranlagen, könnten Smartlets Messungen durchführen, Schäden melden und Sensordaten sammeln.
Grundlage für digitale Organismen
Langfristig wollen die Forscher die Smartlet-Mikroroboter zu digitalen Organismen weiterentwickeln. Jeder Roboter könnte eine spezialisierte Rolle übernehmen, etwa Wahrnehmung, Kommunikation oder Bewegung. Zusammengeschaltet ergeben sie dann ein intelligentes, kollektives System.
„Wir erforschen Möglichkeiten, die Autonomie durch Hinzufügen chemischer und akustischer Sensormodule weiter auszubauen. Die Smartlets könnten sich zu multifunktionalen Plattformen entwickeln, die ihre Umgebungen wahrnehmen, entsprechend handeln und sich anpassen“, sagt Yeji Lee, Spezialistin für Mikroherstellung.
Prof. Dr. John McCaskill, Gastprofessor an der Technischen Universität Chemnitz, ergänzt:
Wir sind zwar noch weit davon entfernt, künstliches Leben zu schaffen, aber wir beginnen zu erkennen, wie verteilte Intelligenz und modulare Hardware Systeme hervorbringen können, die die adaptiven, kommunikativen Verhaltensweisen lebender Kollektive widerspiegeln.
Kurz zusammengefasst:
- Die Smartlet-Mikroroboter der TU Chemnitz sind nur einen Millimeter groß und können erstmals selbstständig kommunizieren, Signale verarbeiten und Bewegungen koordinieren.
- Die winzigen Roboter könnten künftig in der Medizin eingesetzt werden, etwa zur minimalinvasiven Diagnostik, für gezielten Medikamententransport oder zur Früherkennung von Gewebeschäden.
- Auch die Umweltüberwachung profitiert: Smartlets könnten Schadstoffe aufspüren, Wasserqualität in Echtzeit messen und große Flächen durch vernetzte Schwarmintelligenz gleichzeitig analysieren.
Übrigens: Nicht alle Roboter müssen bleiben – einige verschwinden nach getaner Arbeit einfach spurlos. Wie biobasierte Soft-Roboter aus Zellulose und Gelatine genau das möglich machen, lesen Sie in unserem Artikel.
Bild: © Jacob Müller