CO2 als Wundermaterial? Wie aus Abgasen Kunststoff, Kraftstoff – und Kosmetik wird

CO2 lässt sich gezielt verwerten: Forscher stellen daraus Kunststoff, Kraftstoff und palmölfreie Kosmetik her – ganz ohne fossile Rohstoffe.

CO2-Wunder: Aus Abgasen entstehen Plastik, Sprit und Cremes

Forscher arbeiten an neuen Verfahren zur CO2-Verwertung, mit denen sich der Ausstoß des Klimagases künftig deutlich verringern ließe. © RUB

In Abgasen steckt mehr Potenzial, als lange gedacht. Forscher der Ruhr-Universität Bochum arbeiten an Verfahren, bei denen das Treibhausgas CO2 nicht gebunden oder vermieden, sondern direkt verwertet wird – als Ausgangsstoff für die Industrie. Mithilfe von Mikroorganismen und Enzymen soll CO2 in Grundstoffe für Kunststoffe, Kraftstoffe oder Medikamente umgewandelt werden. Ziel ist eine Wirtschaft, die auf erneuerbaren statt fossilen Ressourcen basiert.

Bakterien und Hefen wie E. coli oder K. phaffii werden so verändert, dass sie CO2 oder Methanol als Energiequelle nutzen. Daraus entstehen Grundchemikalien wie Itaconsäure – ein Kunststoffbaustein – oder 3-Hydroxypropionsäure. Im Gegensatz zur herkömmlichen Industrie werden dabei keine zusätzlichen Emissionen freigesetzt. Der Kohlenstoffkreislauf bleibt geschlossen.

„Es geht uns um die Umstellung der Wirtschaft von Öl-basierten Prozessen auf nachhaltige, zirkuläre Bioökonomie“, erklärt Prof. Dr. Dirk Tischler, einer der leitenden Forscher.

Enzyme aus dem Baukasten: CO2-Verwertung auf neuem Niveau

Neben lebenden Mikroben entwickeln die Forscher auch künstliche Enzymsysteme, die CO2 effizienter verarbeiten als natürliche Stoffwechselwege. Ein Beispiel ist der sogenannte CETCH-Zyklus – ein synthetischer Enzymmechanismus, der CO2 besonders schnell bindet. In Labortests ließ sich damit achtmal schneller Stärke herstellen als in Maispflanzen. Ähnliche Systeme wie der THETA-Zyklus ermöglichen ebenfalls die CO2-Nutzung direkt in lebenden Zellen.

Vom Labor in die Industrie: Erste Anlagen arbeiten bereits

Was nach Grundlagenforschung klingt, funktioniert bereits im industriellen Maßstab. In China betreibt das Unternehmen LanzaTech eine Anlage, die jährlich 46.000 Tonnen Ethanol aus CO2 und Wasserstoff produziert. In Deutschland arbeitet die Firma b.fab an ähnlichen Verfahren – etwa zur Herstellung von Biopolymeren und Aminosäuren.

Die CO2-Verwertung eröffnet neue Chancen:

  • Industrieabgase liefern Rohstoffe, die bisher aus Erdöl stammen.
  • Müll und Emissionen gewinnen wirtschaftlichen Wert.
  • Regionen ohne fossile Ressourcen können mithilfe von CO2 und Sonnenstrom autark produzieren.

Warum CO2-Nutzung noch nicht Standard ist

Trotz erster Erfolge stehen viele Technologien noch am Anfang. Manche Enzyme sind instabil oder teuer in der Herstellung, und nicht alle Prozesse lassen sich einfach auf industrielle Maßstäbe übertragen. Doch die Entwicklung schreitet voran: Biosensoren, modulare Reaktoren und KI-gestützte Enzymtechnik versprechen effizientere Lösungen.

Entscheidend ist, dass Politik und Industrie investieren – damit CO2 künftig nicht mehr nur als Klimaproblem gilt, sondern als Teil der Lösung.

CO2 statt Palmöl: Kosmetik aus Abgasen

Auch für die Kosmetikbranche eröffnen sich neue Wege im Umgang mit CO2. Ein Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz hat ein Verfahren entwickelt, bei dem Mikroben aus Industrieabgasen ein palmölfreies Fett erzeugen. CO2 wird zunächst in Alkohol umgewandelt, spezielle Hefen stellen daraus hochwertige Öle her – ganz ohne tropische Rohstoffe. In ersten Tests zeigte sich das Produkt besonders hautverträglich und vielseitig einsetzbar.

Die Entwicklung verbindet Klimaschutz mit konkretem Alltagsnutzen: Die Nachfrage nach Palmöl könnte sinken, Regenwälder würden geschont – und Hersteller könnten künftig auf heimisch produzierte, transparente Inhaltsstoffe setzen. Auch Unternehmen, die bereits CO2 industriell nutzen, wie LanzaTech, sind an solchen Ansätzen beteiligt. Noch läuft die Herstellung im Pilotmaßstab – doch der Weg zur breiten Anwendung ist bereitet.

Kurz zusammengefasst:

  • CO2 kann mithilfe von Mikroben und Enzymen in wichtige Grundstoffe wie Kunststoffe, Kraftstoffe oder Kosmetiköle umgewandelt werden – statt als Abfallprodukt in die Atmosphäre zu entweichen.
  • Damit entsteht ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf, der fossile Rohstoffe ersetzt und neue, nachhaltige Produktionswege ermöglicht.
  • Erste Pilotanlagen laufen bereits: Aus Abgasen entstehen Ethanol, Biopolymere und sogar palmölfreie Cremes – ein möglicher Wendepunkt für Industrie und Klimaschutz.

Übrigens: In Deutschlands Küstengewässern arbeiten Forscher gerade an einer völlig neuen Art, Wasserstoff zu erzeugen – nicht mit teuren Metallen, sondern mit Mikroben aus der Nordsee. Das Ziel: Überschüssiger Windstrom soll künftig Offshore direkt grünen Wasserstoff liefern – und dabei kein Süßwasser verschwenden. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © RUB

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert