Die Zukunft der Energie ist subatomar – Bill Gates sieht Kernfusion in den frühen 30er-Jahren kommen
Bill Gates investiert Milliarden in neue Reaktoren. Er glaubt, dass die Kernfusion in den frühen 2030er-Jahren Realität werden könnte.

Bill Gates glaubt, dass wir schon in naher Zukunft die Kraft der Sonne im Reaktor nutzen werden. © Wikimedia
Seit Jahrzehnten suchen Wissenschaft und Industrie nach einer Energiequelle, die unbegrenzt verfügbar, sicher und klimaneutral ist. Nun spricht einer der bekanntesten Tech-Milliardäre offen darüber, wie sie aussehen könnte. Bill Gates hält die Verschmelzung von Atomkernen – die Kernfusion – für den Schlüssel zu einer neuen Energieära. Seine Vision: Strom, der rund um die Uhr fließt, ohne CO2, ohne Risiko, ohne Abfall.
Dass ausgerechnet Gates auf diese Technik setzt, hat einen einfachen Grund. Der Mitgründer von Microsoft investiert seit Jahren Milliarden in Unternehmen, die neue Wege in der Energiegewinnung gehen. Für ihn ist klar: Solange die Welt an fossilen Brennstoffen hängt, bleiben Strompreise hoch und das Klima instabil. Doch in der Sonne sieht er das Vorbild für eine Lösung – denn dort läuft der Prozess, den die Menschheit seit Jahrzehnten nachahmen will.
Wie Kernfusion funktioniert – und warum sie so schwer zu beherrschen ist
Während bei der klassischen Atomkraft schwere Atomkerne gespalten werden, geht die Kernfusion den umgekehrten Weg: Sie verschmilzt zwei leichte Kerne, meist Wasserstoff, zu einem neuen Element. Dabei entsteht enorme Wärmeenergie – ganz ohne Kettenreaktion, die außer Kontrolle geraten könnte.
Das klingt einfach, doch die Umsetzung ist eine technische Meisterleistung. Damit zwei Atomkerne miteinander verschmelzen können, müssen sie sich extrem nahekommen. Doch sie stoßen sich elektrisch ab – ähnlich wie zwei gleich gepolte Magnete. Um diese Abstoßung zu überwinden, braucht es sehr viel Energie. In der Sonne sorgt der hohe Druck im Inneren – erzeugt durch ihre enorme Masse und Schwerkraft – dafür, dass die Teilchen eng genug aneinandergedrückt werden. Druck ersetzt hier also einen Teil der benötigten Energie.
Auf der Erde fehlt dieser Druck. Deshalb muss die nötige Energie durch extreme Hitze bereitgestellt werden – über 100 Millionen Grad Celsius. Erst bei diesen Temperaturen bewegen sich die Teilchen schnell genug, um trotz Abstoßung zusammenzustoßen und zu verschmelzen. Das dabei entstehende heiße Plasma muss mit starken Magnetfeldern stabil gehalten werden. Es darf keine Wände berühren, sonst kühlt es sofort ab. Selbst kleine Störungen können das Gleichgewicht zerstören – und die Reaktion bricht ab.
Ein jahrzehntelanges Versprechen
„Die Kernfusion wird in 30 Jahren verfügbar sein – das sagen Physiker seit 65 Jahren.“ Dieser Satz ist in Fachkreisen längst ein Running Gag. Seit den 1950er-Jahren gilt die Fusion als Energiequelle der Zukunft, die kurz vor dem Durchbruch steht – und dann doch wieder Jahrzehnte entfernt scheint.
Doch inzwischen bewegt sich etwas. 2022 gelang Forschern im Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien ein historischer Schritt: Erstmals setzte eine Fusionsreaktion mehr Energie frei, als hineingesteckt wurde. Der Moment gilt als Beginn einer neuen Phase. Seitdem treiben milliardenschwere Firmenprojekte die Technologie mit Hochdruck voran.
Bill Gates setzt auf neue Reaktoren
Gates verfolgt die Entwicklung gleich auf zwei Ebenen. Zum einen mit TerraPower, einem Unternehmen, das er 2008 gegründet hat und das an neuartigen Spaltreaktoren arbeitet. Diese sollen sicherer, kleiner und effizienter sein als klassische Kernkraftwerke. Zum anderen unterstützt er Firmen, die an der Kernfusion forschen, über seine Investmentgesellschaft Breakthrough Energy.
Ein Vorzeigeprojekt ist Commonwealth Fusion Systems (CFS). Das US-Unternehmen entwickelt den Reaktor ARC, der mit Hochtemperatur-Supraleitern besonders starke Magnetfelder erzeugen kann. Diese Technik soll das Plasma stabil halten – der entscheidende Schritt, um die Energie dauerhaft zu kontrollieren.
CFS will innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Prototyp namens SPARC testen. Er soll erstmals mehr Strom erzeugen, als zur Aufrechterhaltung der Reaktion nötig ist. Der Standort für das erste Kraftwerk steht bereits fest: Chesterfield County im US-Bundesstaat Virginia. Als erste Kunden sind Google und der italienische Energiekonzern Eni dabei.
Warum Gates an die Machbarkeit glaubt
Für Gates steht die Fusion für eine Zeitenwende. „Sobald das Prinzip funktioniert, wird es exponentiell einfacher und günstiger, das zweite und dritte Kraftwerk zu bauen“, schreibt er in seinem Blog Gates Notes. Der Aufbau einer neuen Energieinfrastruktur müsse nur einmal gelingen, dann könne sie sich rasant verbreiten.
Seine Vision ist eine Welt, in der Energie nicht länger ein knappes Gut ist. „Wenn du weißt, wie man ein Fusionskraftwerk baut, kannst du überall und für immer unbegrenzt Energie haben.“ In dieser Vorstellung könnte Stromproduktion so selbstverständlich werden wie Internetzugang heute.
Was das für die Zukunft bedeutet:
- Energie wäre nahezu unbegrenzt und könnte auch entlegene Regionen versorgen
- Strompreise könnten deutlich sinken, weil keine Brennstoffe nötig sind
- Industrieländer könnten vollständig CO2-frei produzieren
Die größte Herausforderung liegt im Maßstab
So vielversprechend die Experimente auch sind – noch steht kein Fusionskraftwerk, das verlässlich Strom liefert. Der Bau der Anlagen ist teuer, und die Technik steckt in der Erprobung. Unternehmen wie CFS oder TerraPower rechnen frühestens in den 2030er-Jahren mit den ersten funktionierenden Anlagen.
Für Gates ist das kein Grund zur Skepsis. Er sieht die Forschung auf dem richtigen Weg. In Wyoming entsteht derzeit das erste Werk von TerraPower, das mit einem neuartigen Flüssig-Natrium-Reaktor arbeitet. Auch wenn es noch auf Kernspaltung basiert, gilt es als Zwischenschritt auf dem Weg zur Fusionsenergie.
Ein Wettlauf um die Energie der Zukunft
Neben den USA forschen auch China, Südkorea und die EU an eigenen Projekten. Der internationale Reaktor ITER in Südfrankreich soll in den kommenden Jahren zeigen, dass die Technik im industriellen Maßstab funktioniert. Gleichzeitig arbeiten Start-ups an kleineren, günstigeren Anlagen.
Gates beobachtet diese Entwicklung mit Optimismus. Für ihn ist Energie die Grundlage für Wohlstand, Bildung und Fortschritt. „Die Zukunft der Energie ist subatomar“, sagt er. Gemeint ist: Die Antwort auf die Energiekrise liegt im Innersten der Atome – dort, wo die Sonne ihre Kraft entfacht.
Wenn diese Pläne aufgehen, könnte der alte Physiker-Witz bald ausgedient haben.
Kurz zusammengefasst:
- Bill Gates sieht in der Kernfusion den entscheidenden Schritt hin zu sauberer, sicherer und nahezu unbegrenzter Energie.
- Erste Reaktoren könnten in den 2030er-Jahren Strom liefern – angetrieben von Prozessen, die wie in der Sonne ablaufen.
- In den USA laufen bereits milliardenschwere Projekte, die zeigen sollen, ob sich die Energie der Sonne tatsächlich kontrollieren lässt.
Übrigens: In den USA prüfen Forscher gerade, ob sich Atommüll in wertvollen Brennstoff für künftige Fusionsreaktoren verwandeln lässt. Wie genau aus radioaktiven Abfällen das seltene Isotop Tritium entstehen soll – mehr dazu in unserem Artikel.
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