Wer zu wenig Wasser trinkt, nimmt schneller zu – Studie entdeckt erstaunlichen Fett-Mechanismus im Körper
Flüssigkeitsmangel kann den Fettstoffwechsel beeinflussen: Eine Studie zeigt, dass der Körper bei Wassermangel vermehrt Fett speichert.
Fett als Wasserquelle: Bei Wassermangel speichert der Körper Fett, um daraus Flüssigkeit zu gewinnen – ein Überlebensmechanismus aus der Evolution. © Pexels
Wer tagsüber vergisst zu trinken, riskiert offenbar mehr als trockene Lippen oder Kopfschmerzen. Eine internationale Studie zeigt, dass Flüssigkeitsmangel weit tiefere Folgen haben kann: Der Körper reagiert auf Wassermangel mit einem uralten biologischen Programm – und beginnt, Fett zu speichern. Nicht, weil er Energie braucht, sondern um Wasser zu sichern. Der Mechanismus stammt aus der Tierwelt und könnte erklären, warum viele Menschen trotz normaler Ernährung an Gewicht zulegen.
Die Studie erschien im Journal of Internal Medicine und wurde unter anderem von der Veterinärmedizinischen Universität Wien mitgetragen. Das Team um den amerikanischen Mediziner Richard J. Johnson hat untersucht, wie Tiere und Menschen auf Wassermangel reagieren – und stieß auf erstaunliche Parallelen zwischen Fettleibigkeit und Winterschlaf.
Im Winterschlaf herrscht Wassermangel – der Körper greift zu Fett
Viele Säugetiere – etwa Igel, Murmeltiere oder Bären – verbringen den Winter monatelang ohne Nahrung oder Wasser. Damit sie nicht austrocknen, wandeln ihre Körper Fettreserven in Energie und sogenanntes „metabolisches Wasser“ um. Dieses Wasser entsteht beim Fettabbau und hält den Flüssigkeitshaushalt stabil.
Das Hormon Vasopressin spielt dabei eine zentrale Rolle. Es steuert, wie viel Wasser der Körper speichert, und beeinflusst zugleich den Stoffwechsel. Im Herbst, kurz vor dem Winterschlaf, steigt der Vasopressin-Spiegel deutlich an. Das führt zu Durst, erhöhter Wasseraufnahme und zum Aufbau von Fettreserven. Während des Winterschlafs sinkt der Hormonspiegel wieder, die Tiere leben von ihrem Fett – und gewinnen daraus Wasser.
Laut Studie könnte Fettleibigkeit ursprünglich einen natürlichen Zweck erfüllen: das Überleben in Zeiten von Knappheit zu sichern. Dieser Gedanke, so die Autoren, sei auch für das Verständnis von Adipositas beim Menschen relevant.
Johanna Painer-Gigler vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni Wien erklärt: „Wir vermuten, dass die Wasserproduktion aus Fett nicht mit dem Bedarf Schritt halten kann. Durch die flache Atmung entsteht eine Übersäuerung des Bluts, die Tiere zwingt, kurz aufzuwachen. Dabei wechseln sie zum Kohlenhydratstoffwechsel, gewinnen rasch Wasser und können danach wieder in den Winterschlaf zurückkehren.“
Warum der Mensch ähnlich reagiert wie Winterschläfer
Auch beim Menschen scheint dieser Mechanismus aktiv zu sein – nur unbemerkt. Wenn wir zu wenig trinken, setzt der Körper denselben Prozess in Gang wie bei einem Tier in Trockenzeiten: Er speichert Fett, um sich für mögliche Wasserknappheit zu rüsten. „Menschen mit Adipositas haben häufig erhöhte Vasopressin-Werte im Blut und zeigen Anzeichen von Dehydrierung“, berichten die Autoren.
Das bedeutet: Fettpolster sind nicht immer nur Folge von zu viel Essen. Sie können auch ein Zeichen dafür sein, dass der Körper versucht, Wasserreserven anzulegen. In Zeiten häufiger Hitzewellen und höherer Temperaturen bekommt diese Erkenntnis zusätzliche Brisanz. Denn wer regelmäßig dehydriert ist, aktiviert diesen Schutzmechanismus ständig neu.
Zucker und Salz verstärken den Effekt
Die Studie weist zudem auf einen weiteren Faktor hin: Fruktose. Der Fruchtzucker, der in vielen verarbeiteten Lebensmitteln und Softdrinks steckt, fördert die Ausschüttung von Vasopressin – und verstärkt so den Kreislauf aus Durst, Wasserentzug und Fettaufbau. „Der Prozess wird durch Salzaufnahme zusätzlich stimuliert“, erklärt Co-Autorin Szilvia Kalgeropoulu.
Damit entsteht ein doppelter Effekt: Salz erhöht den Durst, Fruktose verstärkt die hormonelle Reaktion. Der Körper legt Fettreserven an, obwohl eigentlich kein Wassermangel besteht. Für den modernen Menschen, der süße Getränke und salzige Snacks konsumiert, kann das zu einer dauerhaften Aktivierung dieses uralten Mechanismus führen.
Wasserhaushalt und Fettaufbau sind eng verknüpft
Die Forscher fanden auch Hinweise darauf, dass Menschen mit Adipositas im Durchschnitt weniger Wasser trinken und gleichzeitig eine höhere Konzentration des Hormons Vasopressin aufweisen. Dieses Ungleichgewicht kann die Fettbildung fördern und die Fettverbrennung bremsen.
Die Autoren der Studie gehen noch einen Schritt weiter: Sie vermuten, dass moderne Abnehmmittel wie Semaglutid (GLP-1-Agonisten) möglicherweise auch deshalb beim Gewichtsverlust helfen, weil sie die Produktion von Vasopressin und Glukagon hemmen. Diese Hemmung könnte den beschriebenen biologischen Regelkreis abschwächen, der bei Wassermangel die Fettspeicherung aktiviert. Es handelt sich dabei nicht um einen bewiesenen Mechanismus, sondern um eine Hypothese der Studienautoren.
Ausreichend trinken hilft dem Stoffwechsel
Wer genug trinkt, kann den beschriebenen Prozess offenbar unterbrechen. Wasser hält den Hormonspiegel im Gleichgewicht und verhindert, dass der Körper in einen Sparmodus wechselt. In Deutschland empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Erwachsenen, täglich rund 1,5 Liter Flüssigkeit zu trinken – vorzugsweise Wasser oder ungesüßte Getränke. Bei Hitze, Sport oder starkem Schwitzen steigt der Bedarf entsprechend.
Kurz zusammengefasst:
- Wassermangel aktiviert im Körper ein uraltes Programm: Das Hormon Vasopressin fördert die Bildung von Fett, um Wasserreserven anzulegen.
- Fett dient nicht nur als Energiespeicher, sondern auch als Wasserquelle – ein Mechanismus, der bei Menschen mit geringer Trinkmenge unbewusst aktiv bleibt.
- Ausreichend Wasser zu trinken kann diesen Prozess bremsen und den Stoffwechsel entlasten – ein einfacher, aber entscheidender Faktor für das Gewicht.
Übrigens: Fett abbauen und Muskeln aufbauen gelingt nur, wenn Training und Ernährung im Gleichgewicht sind, weiß Fitness-Experte Stephan Geisler. Wie das gelingt – mehr dazu in unserem Artikel.
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