Babys früh an Erdnüsse gewöhnen – so sinkt das Risiko einer Erdnussallergie um bis zu 80 Prozent

Neue Studien zeigen: Wer Säuglingen früh Erdnussprodukte gibt, kann das Risiko einer Erdnussallergie langfristig deutlich senken.

So sinkt das Risiko für Erdnussallergie bei Babys deutlich

Schon kleine Mengen Erdnussmus ab dem vierten Monat können Babys langfristig vor einer Erdnussallergie schützen, zeigen neue Studien aus den USA. © Pexels

Allergien gehören inzwischen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Besonders die Erdnussallergie bereitet Eltern Sorge – schon kleinste Mengen können gefährliche Reaktionen auslösen. Lange Zeit galt deshalb der Rat, Babys sollten Erdnüsse möglichst spät essen. Heute ist klar: Genau das war ein Irrtum. Neue Studien zeigen, dass eine frühe Gewöhnung an Erdnussprodukte das Risiko deutlich senken kann – um bis zu 80 Prozent.

Die Erkenntnis beruht auf einer der wichtigsten Kinderstudien der letzten Jahrzehnte – der sogenannten LEAP-Studie (Learning Early About Peanut Allergy). Sie bildet die Grundlage für aktuelle Empfehlungen des Children’s Hospital of Philadelphia und anderer US-Kliniken. Diese besagen: Wer Babys schon ab dem vierten Monat in kleinen Mengen mit Erdnussprodukten vertraut macht, schützt sie langfristig besser vor Allergien.

Frühe Einführung schützt besonders gut

Die ursprüngliche LEAP-Studie aus Großbritannien begleitete 640 Babys mit hohem Allergierisiko über fünf Jahre. Die Hälfte erhielt regelmäßig Erdnussprodukte, die andere sollte sie strikt meiden. Das Ergebnis war eindeutig: Nur 1,9 Prozent der Kinder, die früh Erdnüsse aßen, entwickelten eine Allergie – in der Vergleichsgruppe waren es 13,7 Prozent. Selbst bei Kindern, die schon empfindlich reagierten, sank das Risiko um 70 Prozent.

Damit stellte die Studie frühere Empfehlungen komplett auf den Kopf. Ärzte hatten jahrzehntelang geraten, potenziell allergene Lebensmittel wie Erdnüsse, Eier oder Fisch im ersten Lebensjahr zu vermeiden. Das Gegenteil erwies sich als wirksam: Das Immunsystem muss früh lernen, harmlose Eiweiße als unbedenklich zu erkennen.

Immunsystem lernt Toleranz

Warum frühe Einführung schützt, erklären die Forscher mit dem sogenannten Prinzip der oralen Toleranz. Wenn Säuglinge Erdnussbestandteile über die Nahrung aufnehmen, gewöhnt sich das Immunsystem an die Eiweiße. Wird der Kontakt zu spät hergestellt, kann der Körper sie als fremd einstufen und eine Überreaktion auslösen – die eigentliche Allergie.

Untersuchungen zeigten zudem, dass Kinder mit früher Erdnusszufuhr mehr schützende Antikörper vom Typ IgG4 bilden. Sie verhindern, dass das Immunsystem zu stark reagiert. In den Vermeidungsgruppen stiegen dagegen die typischen IgE-Antikörper, die für allergische Reaktionen verantwortlich sind.

Neue Daten belegen langfristigen Effekt

Zehn Jahre nach der LEAP-Studie liegen jetzt erstmals Daten aus der Praxis vor. Forscher am Children’s Hospital of Philadelphia und der Northwestern University analysierten elektronische Gesundheitsdaten von Hunderttausenden Kindern. Sie fanden: Seit Einführung der neuen Empfehlungen 2015 ist die Zahl der Erdnussallergien bei Kleinkindern um etwa 40 Prozent gesunken.

„Ich kann heute sagen, dass es weniger Kinder mit Nahrungsmittelallergien gibt, weil wir diese Empfehlungen umgesetzt haben“, sagt der Kinderallergologe David Hill aus Philadelphia. „Diese Daten liefern vielversprechende Belege, dass die frühe Einführung von Allergenen tatsächlich angenommen wird und messbare Wirkung zeigt.“, ergänzt Studienautorin Ruchi Gupta.

So gelingt der Einstieg sicher

Für Eltern ist die Umsetzung einfacher, als viele denken. Zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat können kleine Mengen Erdnussprodukt in den Speiseplan aufgenommen werden – am besten, wenn das Baby bereits Brei isst.
Sicher sind vor allem:

  • Verdünntes Erdnussmus (z. B. mit Muttermilch oder Joghurt)
  • Snacks auf Erdnussbasis, die leicht zergehen
  • Keine ganzen Nüsse – sie bergen Erstickungsgefahr

Wichtig ist die Rücksprache mit dem Kinderarzt, besonders bei Babys mit Neurodermitis oder Ei-Allergie. In Studien traten kaum ernsthafte Reaktionen auf, dennoch sollte die erste Einführung gut beobachtet werden.

Auch andere Allergien lassen sich vorbeugen

Die Erkenntnisse zur Erdnussallergie haben das Verständnis von Allergieprävention grundsätzlich verändert. Heute empfehlen viele Kinderärzte, auch andere potenzielle Allergene früh einzuführen – etwa Milch, Soja oder Ei. Das stärkt die Toleranz des Immunsystems und kann auch das Risiko anderer Nahrungsmittelallergien verringern.

Zudem zeigen Nachuntersuchungen, dass die Schutzwirkung über Jahre bestehen bleibt. Viele Kinder aus der ursprünglichen LEAP-Studie reagierten auch im Schulalter noch unempfindlich auf Erdnüsse, selbst wenn sie zwischendurch weniger davon aßen.

Eltern zögern oft noch

Trotz der eindeutigen Daten ist die Umsetzung in vielen Ländern schleppend. Laut Umfragen folgen nur etwa 30 Prozent der Kinderärzte vollständig den neuen Richtlinien. Manche Eltern fürchten allergische Reaktionen oder fühlen sich unsicher, wie sie vorgehen sollen.

Fachleute werben deshalb für Aufklärung. Frühzeitiger Kontakt bedeute keine Gefahr, sondern Schutz, betont Hill. „Es muss nicht viel sein – kleine Geschmacksproben reichen, um das Immunsystem an die neuen Eiweiße zu gewöhnen.“

Kurz zusammengefasst:

  • Babys, die schon ab dem vierten Monat kleine Mengen Erdnussprodukte bekommen, entwickeln deutlich seltener eine Erdnussallergie – das Risiko sinkt um bis zu 80 Prozent.
  • Grundlage ist die LEAP-Studie, die den früheren Rat zur späten Einführung von Erdnüssen widerlegte und heute die Leitlinien weltweit prägt.
  • Frühzeitiger Kontakt trainiert das Immunsystem, fördert Toleranz und schützt langfristig – eine einfache, sichere Maßnahme mit großer Wirkung.

Übrigens: Ob eine Therapie gegen Erdnussallergie bei Kindern Erfolg hat, lässt sich womöglich schon bald vorab bestimmen. Ein einfacher Bluttest verrät, wer sicher profitiert – und wer eher gefährdet ist. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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