Nach Erkältungen sind Asthma-Schübe kein Zufall: Dieses Protein merkt sich Infekte und verschärft Attacken
Nach Erkältungen reagieren die Atemwege oft stärker – das erhöht das Risiko für Asthma-Schübe. Forscher erklären nun, warum das so ist.
Nach einem Schnupfen bleiben Spuren zurück: Die Atemwege reagieren bei der nächsten Infektion oft stärker. © Pexels
Eine Erkältung ist eigentlich keine große Sache. Für viele Menschen mit Asthma starten damit jedoch Wochen, in denen die Luft schneller knapp wird und das Notfallspray griffbereit liegen muss. Asthma-Schübe nach Erkältungen kommen dann häufiger – und oft heftiger.
Forscher vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum zeigen in einer Studie: Ein Botenstoff des Immunsystems, Interleukin-6 (IL-6), spielt dabei die zentrale Rolle. Die Schleimhaut der Atemwege „merkt“ sich frühere Virusreize. Beim nächsten Infekt fährt sie IL-6 schneller hoch – der Anfall beginnt schneller.
IL-6 springt schneller an – das erhöht das Risiko
Im Mausversuch löste ein Virus-Ersatzstoff eine akute Verschlechterung aus. IL-6 stieg als erstes deutlich an. Wurde IL-6 gebremst, blieb der Schub aus. Das zeigt: Ohne den starken IL-6-Anstieg kommt es nicht zum Anfall.
In Zellversuchen mit menschlichen Atemwegszellen zeigte sich dasselbe Muster. Nach wiederholten Erkältungsreizen gaben die Zellen mehr IL-6 ab. Grund ist ein „Gedächtnis“ in den Zellen: kleine Schalter am IL6-Gen, die dafür sorgen, dass IL-6 beim nächsten Infekt schneller aktiv wird.
Asthma-Schübe nach Erkältung: Risiko früh erkennen
Das Muster lässt sich in Nasen-Zellen nachweisen. Über drei Jahre Beobachtung zeigte sich: Kinder mit dem IL-6-‚Gedächtnis‘ hatten häufiger Anfälle und griffen öfter zum Notfallspray. Auch bei Erwachsenen tauchte die Signatur auf – zusammen mit höheren IL-6-Werten.
Die Befunde ziehen sich durch verschiedene Gruppen: Kinder und Erwachsene, unterschiedliche Asthma-Typen. Das macht Hoffnung auf einfache Tests per Nasenprobe. Sie könnten zeigen, wer bei Erkältungen besonders aufpassen muss.
Was hinter dem „Merken“ steckt – einfach erklärt
Erkältungsviren treffen auf Sensoren der Schleimhaut. Die Zellen stellen daraufhin diese kleinen Schalter am IL6-Gen um. Der Effekt hält an. Die Folge: Beim nächsten Infekt startet IL-6 schneller und stärker. So wird aus einem Schnupfen leichter ein Asthma-Anfall.
Wichtig: Das ist kein exotischer Sonderfall. Das Muster findet sich bei verschiedenen Asthma-Formen – auch dort, wo klassische Marker wenig helfen.
Was Betroffene und Behandelnde jetzt konkret tun können
- Frühsignal nutzen: Perspektivisch kann eine Nasenprobe zeigen, wer ein höheres Schub-Risiko hat. So lassen sich Kontrollen und Pläne besser timen.
- Therapie planen: Medikamente, die IL-6 oder seinen Rezeptor blockieren, gibt es bereits für andere Entzündungen. Ob sie Asthma-Schübe zuverlässig verhindern, müssen klinische Studien klären.
- Alltag stabil halten: Erkältungen ernst nehmen, verordnete Inhalations-Therapie konsequent anwenden, einen Aktionsplan für Infekt-Tage bereithalten. Warnzeichen (zunehmende Atemnot, häufigeres Notfallspray) früh mit der Praxis klären.
- Dokumentieren: Auslöser, Verlauf, Notfallspray-Einsätze notieren. Das hilft, das persönliche Risiko besser einzuschätzen.
Was die Studie leistet – und was noch offen ist
Die Arbeit kombiniert mehrere Ebenen: Tiermodell, Zellversuche und Patientendaten (u. a. 54 bronchiale Proben, 108 Erwachsene mit Genexpressionsdaten, 53 Kinder mit dreijähriger Nachbeobachtung). Überall zeigt sich die gleiche Kette: Erkältungsreiz → IL-6-„Gedächtnis“ → schneller IL-6-Anstieg → mehr Schübe.
Offen bleibt: Der Virus-Ersatzstoff im Tiermodell ist nicht identisch mit einer echten Erkältung. Die Gruppen sind mittelgroß. Der Nachweis in der Nase ist ein Forschungsmarker, noch kein Routine-Test. Und ob eine IL-6-Blockade Asthma-Verläufe wirklich verbessert, müssen Studien am Menschen zeigen.
Kurz zusammengefasst:
- Nach Erkältungen springt IL-6 in der Atemwegsschleimhaut schneller an; ohne diesen starken IL-6-Anstieg kam es im Mausversuch nicht zum Asthma-Schub.
- Ein Hinweis in Nasenzellen zeigt, wer ein höheres Risiko hat; in einer Kindergruppe mit dreijähriger Nachbeobachtung traten dort häufiger Anfälle auf.
- Perspektive für die Praxis: Nasenprobe als Frühsignal möglich – ob IL-6-Blocker Asthma wirklich verbessern, müssen Studien am Menschen klären.
Übrigens: Auch bei Kindern gibt es jetzt Hoffnung auf weniger Asthmaanfälle. Ein neuer Inhalator halbiert laut Studie die Zahl der Attacken – ohne zusätzliche Risiken. Mehr dazu in unserem Artikel.
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