Lithium-Mangel im Gehirn – Harvard-Forscher entdecken möglichen Alzheimer-Auslöser

Wissenschaftler der Harvard University fanden stark verminderte Lithium-Werte im Gehirn von Alzheimer-Patienten – ein möglicher Frühfaktor für den Krankheitsprozess.

Lithium gegen Alzheimer: Ein Mineral, das alles verändert

Ablagerungen im Gehirn rauben wichtigen Mineralstoff: In einer Studie führte Lithium-Mangel zu typischen Alzheimer-Schäden – eine spezielle Verbindung stoppte sie. © DALL-E

Ein Mangel an Lithium im Gehirn könnte einer der frühesten Auslöser für Alzheimer sein – darauf deutet eine neue Harvard-Studie an menschlichem Hirngewebe und Mäusen hin. Lithium, ein Spurenelement, das natürlicherweise im Körper vorkommt, könnte nicht nur vor dem Gedächtnisverlust schützen, sondern auch krankhafte Veränderungen im Gehirn rückgängig machen – zumindest bei Mäusen. Entscheidend ist dabei nicht irgendeine Lithium-Form, sondern eine spezielle Verbindung, die Alzheimer-typischen Ablagerungen entgeht.

Lithium-Mangel als früher Warnhinweis für Alzheimer

Die Untersuchung von Gehirnproben verstorbener Menschen ergab: Bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder Alzheimer lag der Lithiumgehalt im Gehirn deutlich niedriger als bei gesunden Senioren. „Von den 27 untersuchten Metallen war Lithium das einzige, das im Gehirn von MCI- und AD-Patienten signifikant verringert war“, so die Harvard-Forscher.

Im Blut hingegen fanden sich keine Unterschiede – der Mangel betrifft offenbar gezielt das Gehirn. Dieser Effekt zeigt sich bereits in den Frühstadien, lange bevor die Nervenzellen massiv geschädigt sind.

Amyloid-Plaques entziehen dem Gehirn Lithium

Die Forscher machten auch den mutmaßlichen Mechanismus ausfindig: In den Gehirnen von Alzheimer-Patienten reichert sich Lithium in den typischen Eiweißablagerungen, den Amyloid-Plaques, an. Das gesunde Gewebe bekommt dadurch weniger von dem Mineral. Die Folge: Nervenzellen und ihre Verbindungen funktionieren schlechter.

Je weniger Lithium im nicht von Plaques befallenen Gewebe vorhanden war, desto schlechter schnitten die Patienten in Gedächtnistests ab. Damit rückt Lithium als möglicher Frühmarker und Therapieansatz in den Fokus.

Ein Paar Kästchen zeigt links weniger grüne Amyloid-Cluster und rechts mehr. Ein weiteres Paar Kästchen zeigt links einen schwachen violetten und roten Tau-Bogen und rechts einen helleren Bogen.
In einem Mausmodell für Alzheimer führte Lithiummangel (rechts) zu einem dramatischen Anstieg der Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn im Vergleich zu Mäusen mit normalen physiologischen Lithiumwerten (links). Untere Reihe: Das Gleiche galt für das Alzheimer-Neurofibrillenbündel-Protein Tau. © Yankner Lab

Mäuse zeigen, wie sich der Mangel auswirkt

Um den Zusammenhang zu prüfen, entzogen die Wissenschaftler Mäusen gezielt Lithium aus der Nahrung. Der Lithiumgehalt im Gehirn sank um bis zu 52 Prozent. Die Folgen waren gravierend:

  • Zunahme Alzheimer-typischer Eiweiße wie Amyloid-β und Tau
  • Verlust von Synapsen und schützender Myelinschicht
  • Aktivierung von Immunzellen im Gehirn, die weniger wirksam gegen Ablagerungen vorgingen
  • Messbar schlechteres Erinnerungsvermögen in Verhaltenstests

Diese Veränderungen traten selbst bei jungen Mäusen innerhalb kurzer Zeit auf – ein Hinweis, dass Lithiummangel den Krankheitsprozess beschleunigen kann.

Neue Verbindung umgeht Plaque-Falle

Besonders spannend: Die Forscher testeten Lithium-Orotat, eine Form, die nicht so leicht an Amyloid-Plaques bindet. Bekamen Mäuse diese Verbindung, blieben ihre Gehirne weitgehend gesund. Bereits bestehende Schäden besserten sich deutlich: Eiweißablagerungen gingen zurück, die Gedächtnisleistung stieg, und es traten keine Nebenwirkungen an Niere oder Schilddrüse auf – selbst bei jahrelanger Gabe.

Diese Ergebnisse wecken Hoffnung auf eine wirksame und verträgliche Behandlung, die nicht nur Symptome verlangsamt, sondern grundlegende Prozesse der Krankheit beeinflusst.

Ein Enzym liefert weiteren Puzzlestein

Ein Lithium-Mangel erhöhte in der Studie die Aktivität des Enzyms GSK3β, das seit Langem mit Alzheimer in Verbindung steht. Höhere Aktivität dieses Enzyms fördert schädliche Veränderungen an Tau-Proteinen. Das spricht dafür, dass Lithium nicht nur indirekt über Plaques wirkt, sondern mehrere krankheitsrelevante Mechanismen beeinflusst.

Was das für die Prävention bedeuten könnte

Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Lithiumspiegel künftig ähnlich wie andere Nährstoffe überwacht werden könnten. Ist der Wert zu niedrig, könnten amyloid-resistente Lithiumverbindungen wie Lithium-Orotat helfen, das Alzheimer-Risiko zu senken oder den Verlauf zu verlangsamen.

Eine regelmäßige Kontrolle hätte mehrere Vorteile:

  • Früherkennung von Personen mit erhöhtem Risiko
  • Gezielte Vorbeugung noch vor dem Auftreten erster Symptome
  • Individuelle Dosierung, um Nebenwirkungen zu vermeiden

Keine Empfehlung zur Selbstmedikation

Trotz der ermutigenden Daten warnen die Forscher: Lithiumpräparate sollten keinesfalls ohne ärztliche Begleitung eingenommen werden. Klinische Studien am Menschen stehen noch aus. „Man muss vorsichtig sein, wenn man Ergebnisse aus dem Mausmodell überträgt. Aber die bisherigen Resultate sind sehr ermutigend“, sagte Studienleiter Bruce Yankner.

Geplant sind nun Studien, die Lithium-Orotat am Menschen testen. Dabei soll geklärt werden, ob sich die positiven Effekte aus den Tierversuchen bestätigen lassen – und welche Dosierungen langfristig sicher sind. Ein wichtiger Vorteil: In den Experimenten reichte bereits ein Tausendstel der bei psychiatrischen Erkrankungen üblichen Dosis aus, um Wirkung zu zeigen.

Ziel: Mehr als nur Symptome bremsen

Für Yankner ist klar: Eine erfolgreiche Lithium-Therapie müsste mehr leisten als die bisher verfügbaren Alzheimer-Medikamente, die oft nur den Krankheitsverlauf leicht verlangsamen. „Mein Ziel ist, den Rückgang nicht nur zu stoppen, sondern Gedächtnis und Lebensqualität der Patienten zu verbessern“, so der Neurologe.

Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, könnte Lithium tatsächlich das Potenzial haben, die Alzheimer-Krankheit zu erklären – und zu behandeln.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Mangel an Lithium im Gehirn könnte ein früher Auslöser für Alzheimer sein, da Amyloid-Plaques das Mineral binden und dem Gewebe entziehen.
  • In Tierversuchen führte Lithium-Mangel zu typischen Alzheimer-Merkmalen, während Lithium-Orotat Schäden verhindern oder rückgängig machen konnte.
  • Die Ergebnisse legen nahe, dass die Überwachung und gezielte Ergänzung von Lithium ein neuer Ansatz zur Vorbeugung und Behandlung sein könnte – klinische Studien stehen jedoch aus.

Übrigens: Unsere Gene beeinflussen nicht nur, wie wir Düfte wahrnehmen, sondern könnten auch ein frühes Warnsignal für Alzheimer liefern. Neue Forschungen zeigen, dass ein Verlust des Geruchssinns bei Menschen mit erhöhtem Alzheimer-Risiko möglicherweise auf neuronale Veränderungen hinweist. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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