Wenn Hunde an Krebs erkranken – und ihre Therapie auch Menschen hilft

Hunde mit Krebs helfen Forschern, neue Therapien schneller in die Humanmedizin zu bringen. Erste Studien zeigen positive Ergebnisse.

Hunde mit Krebs als Hoffnungsträger der modernen Onkologie

Hundepatienten leben im gleichen Umfeld wie Menschen – ihre Reaktionen auf Krebstherapien gelten daher als besonders realitätsnah und medizinisch relevant. © Penn State

Krebs ist nicht nur ein menschliches Leiden. Auch Hunde sind betroffen – oft mit denselben Symptomen, Tumorarten und genetischen Ursachen. Doch was bisher kaum bekannt war: Diese tierischen Patienten können dazu beitragen, neue Therapien zu entwickeln, die später auch Menschen helfen. Ein Forschungsteam an der University of Pennsylvania nutzt dafür ein neuartiges Modell, bei dem Hunde mit Tumorerkrankungen an klinischen Studien teilnehmen – nicht als Versuchstiere, sondern als Mitpatienten.

Die Idee dahinter ist so einfach wie bestechend: Wenn ein Hund an einer Krankheit leidet, die beim Menschen ähnlich verläuft, lässt sich an ihm nicht nur der Therapieerfolg prüfen, sondern auch das Zusammenspiel zwischen Tumor und Immunsystem beobachten. Diesen Gedanken verfolgt auch die Ärztin und Tiermedizinerin Nicola Mason. Sie leitet das Comparative Immunotherapy Program – ein interdisziplinäres Projekt, das Human- und Tiermedizin verbindet.

Gemeinsamer Kampf gegen Krebs

Masons Ansatz gilt als Meilenstein für die moderne Krebsforschung. Die Wissenschaftler impften Hunde, die nach einer Amputation und Chemotherapie wegen Knochenkrebs behandelt wurden, mit einer Immuntherapie auf Basis von Listerien-Bakterien. Diese war ursprünglich zur Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs beim Menschen entwickelt worden. Die Ergebnisse waren überraschend:

  • Bei vielen Hunden verzögerte sich die Bildung von Metastasen deutlich.
  • In einigen Fällen blieb die Krankheit sogar vollständig aus.

„Wir konnten zeigen, dass sich der Ausbruch der Metastasen sicher verzögern lässt – und in bemerkenswerten Fällen sogar verhindern“, so Mason. Die Studie, veröffentlicht im Rahmen des Programms, wurde später auch im Dokumentarfilm „Shelter Me: The Cancer Pioneers“ vorgestellt, der in den USA für zwei Emmys nominiert ist.

Damit war der Grundstein gelegt für ein neues Verständnis von Krebsbehandlung – eines, das die Grenzen zwischen Human- und Tiermedizin auflöst.

Nicola Mason, Mary Beth Boland und Antonia Rotolo mit Rex, dem ersten Hund, der im Rahmen einer Studie zum metastasierten Osteosarkom behandelt wurde.
Nicola Mason, Mary Beth Boland und Antonia Rotolo betreuen Rex, den ersten Hund, der im Rahmen einer Studie zu metastasierendem Osteosarkom behandelt wurde. © Penn State

Warum Hunde so wertvoll für die Krebsforschung sind

Im Gegensatz zu Labortieren entwickeln Hunde Krankheiten spontan, also ganz natürlich – wie Menschen auch. Sie leben in derselben Umwelt, atmen dieselbe Luft, essen industriell hergestellte Nahrung und altern ähnlich. Das macht ihre Krankheitsverläufe besonders aussagekräftig.

„Viele dieser Krankheiten – vor allem Krebs und Autoimmunerkrankungen – verlaufen bei Hunden und Menschen biologisch und klinisch erstaunlich ähnlich“, erklärt Mason. „Wir haben also natürliche Krankheitsmodelle direkt an unserer Seite – Hunde, deren Erkrankungen denen des Menschen sehr ähnlich sind.“

Für die Forschung bedeutet das:

  • Erkenntnisse aus der Behandlung von Hunden lassen sich schneller auf den Menschen übertragen.
  • Neue Medikamente können sicherer getestet werden, bevor sie in klinische Studien mit Menschen gehen.
  • Die Tiere selbst profitieren, weil sie Zugang zu innovativen Therapien bekommen, die es sonst noch nicht gibt.

Neue Hoffnung durch Zelltherapien

Das Team in Pennsylvania arbeitet inzwischen an weiteren innovativen Verfahren. Eines davon ist die CAR-T-Zell-Therapie, bei der körpereigene Abwehrzellen gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen gezielt angreifen. Mason und ihre Kollegen nutzen sogenannte „gepanzerten“ CAR-T-Zellen, die zusätzlich einen Botenstoff (Interleukin-18) freisetzen, um die Immunabwehr weiter zu stärken.

Diese Behandlungen werden aktuell bei Hunden mit B-Zell-Lymphomen und Leukämien getestet – Erkrankungen, die in vielen Aspekten den menschlichen Varianten gleichen. Parallel dazu läuft eine zweite Studie, die von den US National Institutes of Health (NIH) gefördert wird. Dabei werden invariante natürliche Killerzellen (iNKT-Zellen) eingesetzt, die aus gesunden Spendern stammen und sich ohne Abstoßungsreaktion übertragen lassen.

Mason bezeichnet diesen Schritt als „echte Annäherung an eine Therapie, die man künftig als ‚fertige Zellbehandlung aus dem Regal‘ anbieten könnte“. Ein solches „off-the-shelf“-Verfahren wäre ein Durchbruch – nicht nur für die Veterinärmedizin, sondern auch für Kinder mit seltenem Knochenkrebs (Osteosarkom), für die bislang kaum Behandlungsmöglichkeiten existieren.

Die Idee der „One Health“ wird Realität

Das Programm steht für eine wachsende Bewegung in der Medizin: „One Health“ – der Gedanke, dass die Gesundheit von Mensch und Tier untrennbar miteinander verbunden ist. Krankheiten, Medikamente und Immunsysteme unterscheiden sich weniger, als man lange annahm.

Aktuell arbeitet Masons Team mit Partnern des Children’s Hospital of Philadelphia und der Columbia University zusammen, um Zelltherapien gegen Autoimmunerkrankungen wie Pemphigus, einer schweren Hautkrankheit, zu entwickeln. Auch Tumorzelllinien und sogenannte „Organoide“ – Mini-Tumoren im Labor – werden mit Hundezellen getestet, um Medikamente frühzeitig auf Wirksamkeit zu prüfen.

Kurz zusammengefasst:

  • Hunde mit Krebs helfen der Forschung, weil ihre Erkrankungen dem Menschen sehr ähnlich sind. Sie entwickeln Tumore auf natürliche Weise und reagieren vergleichbar auf Behandlungen.
  • An der University of Pennsylvania erproben Forscher neue Immuntherapien wie CAR-T-Zellen und HER2-Impfstoffe direkt bei Hundepatienten. So lassen sich Ergebnisse schneller in die Humanmedizin übertragen.
  • Die Erkenntnisse aus der Tiermedizin liefern realistische Daten und beschleunigen die Krebsforschung. Sie eröffnen neue Chancen bei schweren Krankheiten wie Osteosarkom oder Autoimmunstörungen.

Übrigens: Eine mRNA-Impfung gegen Covid-19 kann das Immunsystem so stark aktivieren, dass Immuntherapien bei Krebs besser wirken. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Penn State

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert