Neue Bakterientherapie zerstört Krebs selbst bei geschwächtem Immunsystem

Forscher in Japan arbeiten an einer Therapie, bei der Bakterien Krebs gezielt zerstören – selbst wenn das Immunsystem kaum noch arbeitet.

Bakterien zerstören Krebs auch bei schwachem Immunsystem

Eine neue Kombination aus Bakterien greift Krebszellen direkt an – und könnte Patienten mit geschwächtem Immunsystem neue Hoffnung geben (Symbolbild). © Unsplash

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach Wegen, Krebszellen gezielt zu zerstören, ohne den Körper zusätzlich zu schwächen. Doch für viele Patienten, deren Immunsystem durch Chemotherapie oder Bestrahlung stark beeinträchtigt ist, bleiben moderne Immuntherapien wirkungslos. Jetzt liefern japanische Wissenschaftler einen möglichen Ausweg: Eine Kombination zweier Bakterien, die sich gegenseitig steuern und Krebs auch ohne die Hilfe des Immunsystems angreifen.

Die neue Therapie könnte vor allem jenen Menschen helfen, deren Abwehrkräfte nach einer Krebstherapie erschöpft sind – und für die bislang kaum Behandlungsmöglichkeiten existieren.

Zwei Mikroben arbeiten im Team

Ein Forschungsteam um Professor Eijiro Miyako vom Japan Advanced Institute of Science and Technology (JAIST) hat zwei natürliche Bakterienarten kombiniert: Proteus mirabilis und Rhodopseudomonas palustris. Im Verhältnis von drei zu 97 Prozent bilden sie ein Konsortium, das die Forscher „AUN“ nennen – nach einem japanischen Begriff für Harmonie.

Diese beiden Mikroben verhalten sich wie Partner: Proteus mirabilis dringt tief in Tumorgewebe ein und verändert dort seine Form, um Krebszellen anzugreifen. Rhodopseudomonas palustris reguliert den Prozess und verhindert, dass die Bakterien außer Kontrolle geraten oder Entzündungen auslösen. So entsteht ein fein austariertes Gleichgewicht, das Tumore von innen heraus zerstört, aber gesundes Gewebe verschont.

„Eine neue Ära der bakterienbasierten Krebstherapie beginnt – nach mehr als 150 Jahren Forschung“, sagt Studienleiter Miyako.

Wie die Mikroben Tumorzellen lahmlegen

In der im Fachjournal Nature Biomedical Engineering veröffentlichten Studie untersuchten die Wissenschaftler was im Körper geschieht, wenn AUN in die Blutbahn gelangt. Die Bakterien finden den Weg zum Tumor und beginnen, dessen Blutversorgung zu verändern. In den feinen Gefäßen entstehen kleine Gerinnsel, die nur im Tumorgewebe auftreten. Dadurch wird der Krebs vom Sauerstoff abgeschnitten – er „erstickt“ gewissermaßen von innen.

Parallel dazu bilden die Bakterien faserartige Strukturen, mit denen sie Krebszellen direkt angreifen. Diese kombinierte Wirkung führt zu einer massiven Nekrose, also zum Absterben des Tumorgewebes.

In den Tierversuchen erreichten die Forscher mit dieser Methode eine vollständige Rückbildung verschiedener Tumorarten – darunter Darm-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Besonders beeindruckend: Auch bei Mäusen ohne funktionierendes Immunsystem heilten die Tumore vollständig ab.

Live-Aufnahme zeigt, wie die Bakterien-Therapie nach der Injektion Tumorgefäße zerstört und den Krebs im Mausmodell zum Absterben bringt. © Studie
Live-Aufnahme zeigt, wie die Bakterien-Therapie nach der Injektion Tumorgefäße zerstört und den Krebs im Mausmodell zum Absterben bringt. © Studie

Doppelstrategie steigert die Wirkung deutlich

Das Team entdeckte, dass eine zweistufige Behandlung besonders effektiv ist: Zunächst eine geringe Dosis, um das Immunsystem an die Bakterien zu gewöhnen, gefolgt von einer höheren Dosis. Dieses Vorgehen führte in allen Versuchen zu einem kompletten Rückgang der Tumoren – bei gleichzeitig guter Verträglichkeit.

Wichtige Beobachtungen aus der Studie:

  • Die Tiere zeigten keine Anzeichen schwerer Entzündungen oder Gewichtsverlust.
  • In Blut- und Organtests fanden die Forscher keine toxischen Effekte.
  • Selbst bei geschwächter Abwehr blieb die Wirkung konstant hoch.

Das AUN-Konsortium regulierte sich zudem selbst: Wenn das Mischungsverhältnis der beiden Bakterien abwich, kehrte es innerhalb weniger Tage wieder in das natürliche Gleichgewicht zurück. Das spricht für eine hohe Stabilität und biologische Kontrolle.

Hoffnung für Patienten mit geschwächtem Immunsystem

Klassische Immuntherapien, etwa sogenannte Checkpoint-Inhibitoren oder CAR-T-Zell-Therapien, wirken nur, wenn die körpereigene Abwehr intakt ist. Bei Menschen, die bereits mehrere Chemotherapien hinter sich haben, bleiben sie meist erfolglos. Genau hier setzt das neue Konzept an: Die Bakterien greifen Tumore unabhängig von Abwehrzellen an.

In der Studie berichteten die Forscher:

AUN beseitigte Tumore vollständig – selbst bei Tieren, deren Immunsystem kaum noch aktiv war.

Damit eröffnet sich ein ganz neuer Behandlungsweg für Patienten, die bisher keine Chance auf eine Immuntherapie hatten.

Natürlich statt genverändert

Besonders bemerkenswert: Die Forscher mussten die Mikroben nicht gentechnisch verändern. Beide Arten existieren in der Natur – Proteus mirabilis ist in geringen Mengen auch im menschlichen Körper zu finden, Rhodopseudomonas palustris in Böden und Gewässern.

Im Tumormilieu passen sie sich an: Das eine Bakterium wird beweglicher und aggressiver, das andere sorgt dafür, dass der Angriff gezielt bleibt. Kommt es zu unerwünschten Reaktionen, lässt sich das System mit gängigen Antibiotika stoppen. Das könnte die Anwendung für Patienten eines Tages deutlich sicherer machen als frühere Bakterientherapien.

Nächster Schritt: Erprobung am Menschen

Noch ist die Methode nicht für die klinische Praxis zugelassen. Das Team um Miyako bereitet derzeit die ersten Studien mit Menschen vor. In den kommenden Jahren sollen Sicherheit, Dosierung und Wirksamkeit getestet werden.

Ziel ist es, eine Therapie zu entwickeln, die Tumore unabhängig vom Zustand des Immunsystems bekämpft. Sollte das gelingen, könnte die AUN-Therapie eine neue Behandlungsoption schaffen – für jene Patienten, die bislang keine Hoffnung auf Heilung hatten.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine japanische Studie zeigt: Zwei natürlich vorkommende Bakterien können Krebs zerstören, ohne das Immunsystem zu benötigen.
  • Die Bakterien blockieren gezielt die Blutversorgung von Krebszellen und lösen deren Absterben aus, gesunde Zellen bleiben verschont.
  • Die Methode gilt als Hoffnung für Patienten, deren Immunsystem nach Chemo- oder Strahlentherapie stark geschwächt ist.

Übrigens: Mehrere Forschungsteams arbeiten daran, Krebszellen nicht zu zerstören, sondern sie in harmlose Zelltypen umzulenken – ein Ansatz, der klassische Therapiegrenzen infrage stellt. Erste Experimente zeigen, wie aggressive Tumorzellen ihre Identität verlieren und sich in Fett-, Nerven- oder Immunzellen verwandeln können. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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