Darum ist Ihre Stromrechnung oft 2–3-mal höher als in den USA
Hohe Strompreise sind kein Naturgesetz – Deutschlands überlastete Netze machen Energie in Europa doppelt so teuer wie in den USA.
Deutschlands Stromnetz gilt als Flaschenhals für Europas Energiewende – im Norden drehen sich Windräder oft umsonst, weil der Strom nicht weiterkommt. © Pexels
In Europa müssen Verbraucher für Strom deutlich tiefer in die Tasche greifen als Amerikaner – oft ist er doppelt oder sogar dreimal so teuer. Das spüren nicht nur Haushalte auf ihrer Rechnung, sondern auch Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen. Während günstige Energiepreise in den USA die Industrie beflügeln, belasten hohe Strompreise in Europa die Produktion, schwächen die Kaufkraft und treiben die Inflation an.
Der Grund liegt weniger in teuren Technologien als in der Struktur des Energiesystems: Europa hat kaum eigene Öl- und Gasvorkommen und muss große Mengen fossiler Brennstoffe teuer importieren. Das erklärt der Energieanalyst Nicolai Bech Kofoed von der Denkfabrik Concito laut dem dänischen Rundfunk DR: „Wir haben in der EU praktisch kein Gas und Öl, halten aber an einem sehr hohen Verbrauch fest.“
Warum Europa beim Importgas immer draufzahlt
Der Preisunterschied lässt sich nicht allein durch die Rohstoffabhängigkeit erklären. Kofoed hält wenig von der Vorstellung, das Problem durch mehr US-Importe zu lösen. „Besteht die Lösung nicht einfach darin, billiges amerikanisches Öl und Gas zu importieren? Nein“, sagt er, „denn europäische Unternehmen werden im Vergleich zu amerikanischen Konkurrenten immer einen Aufpreis zahlen.“
Selbst mit langfristigen Verträgen bleibe importierte Energie teurer – wegen Transportkosten, Währungsschwankungen und der aufwendigen Umwandlung von Flüssiggas (LNG) in europäischen Häfen. Für viele Firmen bedeutet das höhere Betriebskosten – und für Verbraucher letztlich steigende Strompreise auf der Rechnung.
EU will mit neuen Stromtrassen Milliarden sparen
Eine weitere Schwachstelle ist das europäische Stromnetz. Es ist alt, lückenhaft und schlecht aufeinander abgestimmt. Strom aus Wind- und Solaranlagen kann oft nicht dorthin transportiert werden, wo er gebraucht wird. So müssen Windräder in Dänemark oder Norddeutschland abgeschaltet werden, obwohl anderswo Strom fehlt.
Energiekommissar Dan Jørgensen will diesen Zustand ändern. Die Europäische Kommission plant eine umfassende Modernisierung des Stromnetzes, um Strom künftig besser zwischen den Ländern zu verteilen. „Wir verlieren jedes Jahr Milliarden, weil wir Windräder abstellen müssen, statt den Strom über Grenzen zu leiten“, sagte Jørgensen. Ziel ist ein „verbundenes Europa“, das günstige Energie effizient nutzt und Engpässe vermeidet.
Auch der Energieprofessor Brian Vad Mathiesen von der Universität Aalborg unterstützt diese Pläne. Seiner Einschätzung nach könnte ein moderneres Netz die Preise senken und die Energiewende beschleunigen: „Ohne Wind und Sonne wäre unsere Energie deutlich teurer. Erneuerbare helfen, die Kosten zu senken.“ Doch solange Stromtrassen fehlen, verpufft ihr Potenzial.
Deutschland als Elefant im Raum – wie überlastete Netze Strom für alle teurer machen
Ein Beispiel dafür sind die Stromkorridore zwischen Dänemark und Deutschland. Häufig kann der grüne Strom aus dem Norden nicht weitergeleitet werden, weil in Norddeutschland die Leitungen überlastet sind. Die Folge: Windkraftanlagen müssen heruntergeregelt werden, obwohl saubere Energie verfügbar wäre. Mathiesen nennt Deutschland in diesem Zusammenhang „den Elefanten im Raum“ – das Land habe den Netzausbau lange vernachlässigt und bremse damit auch seine Nachbarn aus.
Der geplante Umbau des Netzes gilt daher als zentraler Hebel, um Preise zu stabilisieren und Strom aus erneuerbaren Quellen vollständig zu nutzen. Laut Jørgensen will die EU-Kommission dafür Milliarden investieren und Genehmigungen beschleunigen.
Hohe Abgaben treiben die Preise
Auch Steuern und Abgaben treiben die Stromkosten in Europa nach oben. Dänemark etwa erhebt derzeit eine Stromsteuer von rund 90 Öre pro Kilowattstunde – das entspricht etwa 12 Cent. Zum Jahreswechsel soll sie dort auf knapp 0,8 Öre, also rund 0,1 Cent, sinken. Diese Entlastung dürfte sich auf vielen dänischen Stromrechnungen bemerkbar machen.
Langfristig, sagen Experten, müsse Europa zwei Dinge gleichzeitig schaffen: die Abhängigkeit von fossilen Importen reduzieren und die eigene Infrastruktur fit machen. Nur dann könnten Strompreise sinken – und Europa den Rückstand auf die USA verringern.
Warum Strom in den USA günstiger ist
In den USA bleibt Strom vor allem deshalb günstig, weil das Land sich weitgehend selbst mit Energie versorgt. Durch Fracking und eigene Gasförderung sind die Brennstoffpreise niedrig, das Netz ist einfacher organisiert, und die Abgaben auf Strom deutlich geringer als in Europa.
In Europa dagegen summieren sich mehrere Faktoren zu hohen Kosten: teure Energieimporte, alte und überlastete Netze, hohe Steuern und Abgaben – und eine starke Abhängigkeit von globalen Märkten. Solange sich daran wenig ändert, wird Strom in Europa wohl teurer bleiben als in den USA.
Kurz zusammengefasst:
- Europas Strom ist so teuer, weil die EU kaum eigene Öl- und Gasvorkommen hat und teure fossile Brennstoffe importieren muss.
- Alte, überlastete Netze verhindern, dass günstiger Wind- und Solarstrom effizient verteilt wird – dadurch gehen jedes Jahr Milliarden verloren.
- Die EU-Kommission will das Stromnetz modernisieren, Abgaben senken und so Energiepreise langfristig stabilisieren.
Übrigens: Nicht nur hohe Strompreise setzen Europas Energiebranche unter Druck – auch Hacker tun es. Ein neues EU-Handbuch zeigt, wie leicht Stromnetze lahmgelegt werden können und wo die größten Schwachstellen liegen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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