Arbeiten auf eigene Rechnung: Warum die Gen Z in Deutschland wieder an Selbstständigkeit denkt

Eine HDI-Umfrage zeigt: 52 Prozent der Unter-25-Jährigen ziehen Selbstständigkeit in Betracht – deutlich mehr als im Vorjahr.

Junger Mann vorm PC

Selbst und ständig scheint keinen Schrecken mehr zu verbreiten – besonders junge Angestellte sehen in der Selbstständigkeit zunehmend eine echte Alternative zum klassischen Job. © Unsplash

Seit Monaten kündigt die Bundesregierung wirtschaftspolitische Korrekturen an. Bürokratieabbau, Entlastungen für Unternehmen, neue Impulse für den Arbeitsmarkt. Doch trotz dieser Ankündigungen hält sich die Kritik am Wirtschaftsstandort Deutschland. Viele Unternehmer sehen weiterhin hohe Hürden – und genau in diesem Umfeld wächst bei jungen Angestellten das Interesse an Selbstständigkeit.

Während viele Reformen weiter auf sich warten lassen, zeigt sich abseits der Politik eine bemerkenswerte Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Eine aktuelle Umfrage der HDI-Versicherung unter mehreren Tausend Erwerbstätigen zeigt: Immer mehr junge Angestellte denken darüber nach, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Die Bereitschaft zur Selbstständigkeit steigt vor allem bei den Jüngsten. Auffällig ist dieser Trend, weil er in einer Phase wirtschaftlicher Unsicherheit entsteht.

Diese Entwicklung lässt sich erstmals klar beziffern. Mehr als jeder zweite Angestellte unter 25 Jahren kann sich inzwischen vorstellen, selbstständig zu werden. Noch im Vorjahr lag dieser Anteil deutlich niedriger. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Haltung einer ganzen Altersgruppe spürbar verschoben.

Warum die Gen Z Selbstständigkeit in Deutschland neu bewertet

Auch bei den 25- bis 39-Jährigen wächst das Interesse an einer eigenen Firma. Der Zuwachs fällt moderater aus, geht aber in dieselbe Richtung. Im bundesweiten Durchschnitt bleibt der Effekt dennoch begrenzt. Insgesamt steigt die Bereitschaft zur Selbstständigkeit nur leicht.

Der Grund liegt in der Altersverteilung. Ältere Beschäftigte reagieren deutlich zurückhaltender. Ab 40 Jahren verliert die Idee der Selbstständigkeit für viele an Attraktivität. Die Generationen bewegen sich damit sichtbar auseinander.

Ältere Beschäftigte bleiben auffallend vorsichtig

Zwei Drittel der über 40-jährigen Angestellten lehnen eine Selbstständigkeit grundsätzlich ab. Nur noch gut jeder Vierte sieht darin eine realistische Option. Erfahrung allein scheint nicht auszureichen, um den Schritt ins Unternehmertum zu wagen.

Diese Vorsicht zeigt sich auch bei Menschen, die bereits selbstständig arbeiten. Unter den über 45-Jährigen schätzt mehr als ein Viertel die Zukunft des eigenen Unternehmens als unsicher ein. Jüngere Selbstständige blicken deutlich gelassener nach vorn.

Grundlage der Auswertung ist die HDI Berufe-Studie 2025: eine bevölkerungsrepräsentative YouGov-Umfrage unter 3.739 Erwerbstätigen in Deutschland, erhoben zwischen Juni und Juli 2025. © HDI-Versicherung
Grundlage der Auswertung ist die HDI Berufe-Studie 2025: eine bevölkerungsrepräsentative YouGov-Umfrage unter 3.739 Erwerbstätigen in Deutschland, erhoben zwischen Juni und Juli 2025. © HDI-Versicherung

Sicherheit und Freiheit geraten zunehmend in Konflikt

Hinter den Zahlen stehen unterschiedliche Erwartungen an Arbeit. Viele junge Beschäftigte wünschen sich mehr Gestaltungsspielraum. Sie wollen Inhalte, Zeiten und Belastung stärker selbst steuern. Gleichzeitig bleibt der Wunsch nach Stabilität präsent.

Das erklärt, warum der öffentliche Dienst an Attraktivität gewinnt. Über alle Altersgruppen hinweg würden sich viele bei einem Jobwechsel auch dort orientieren. Die klassische Privatwirtschaft verliert für manche an Reiz, vor allem bei Jüngeren.

Bestimmte Berufe inspirieren die Gründungsfantasie

Besonders ausgeprägt ist das Interesse an Selbstständigkeit in bestimmten Arbeitsfeldern. Beschäftigte aus dem IT-Bereich denken überdurchschnittlich häufig über eine eigene Tätigkeit nach. Auch regelmäßiges Arbeiten im Homeoffice scheint die Schwelle zu senken.

Geschlechterunterschiede bleiben bestehen. Männer zeigen weiterhin eine etwas höhere Gründungsbereitschaft als Frauen. Der Abstand ist nicht groß, aber stabil.

Regionale Unterschiede prägen die Haltung deutlich

Ein Blick auf die Bundesländer verstärkt das Bild. In den Stadtstaaten ist die Offenheit für Selbstständigkeit besonders hoch. In Bremen, Hamburg und Berlin zieht fast jeder Zweite eine eigene Tätigkeit in Betracht. In Sachsen und Thüringen ist es deutlich weniger.

Für viele Beschäftigte dort kommt ein solcher Schritt kaum infrage. Regionale Wirtschaftsstrukturen und geringere Gründungsnetzwerke spielen dabei eine Rolle.

Unternehmergeist trifft auf eine nüchterne Realität

Aus Sicht der Wirtschaft bleibt Unternehmertum zentral für Wachstum und Wohlstand. Jens Warkentin, Vorstandsvorsitzender der HDI Deutschland AG, sagt: „Der Unternehmergeist hat maßgeblich zum Wohlstand Deutschlands beigetragen. Deshalb ist die Förderung des Unternehmertums für unsere Gesellschaft existenziell.“

Die Zahlen zeigen jedoch ein Spannungsfeld. Die Gen Z denkt häufiger über Selbstständigkeit nach. Gleichzeitig sinkt die Zuversicht bei erfahrenen Gründern. Zwischen Aufbruch und Vorsicht entsteht eine Lücke, die den Arbeitsmarkt spürbar prägt.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Bereitschaft zur Selbstständigkeit wächst vor allem bei der Gen Z: 52 Prozent der unter 25-jährigen Angestellten in Deutschland können sich eine eigene Tätigkeit vorstellen – deutlich mehr als im Vorjahr.
  • Der Trend ist stark altersabhängig: Während Jüngere offener für das Gründen werden, lehnen zwei Drittel der über 40-Jährigen eine Selbstständigkeit ab; auch ältere Selbstständige blicken häufiger mit Sorge auf die Zukunft ihrer Unternehmen.
  • Hohe Gründungsneugier bedeutet noch keinen Gründerboom: Regionale Unterschiede, Sicherheitsbedürfnisse und wirtschaftliche Unsicherheit bremsen den Schritt in die Praxis, obwohl der Wunsch nach mehr Freiheit im Beruf wächst.

Übrigens: Während viele junge Menschen über Selbstständigkeit nachdenken, zeigt eine weitere Umfrage eine klare Priorität der Gen Z: Ein gutes Gehalt ist wichtiger als Work-Life-Balance. Warum finanzielle Sicherheit im Vordergrund steht und das Klischee der „arbeitsscheuen Generation“ nicht bestätigt, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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