Wie Regentropfen auf Dächern Stromimpulse erzeugen und so Städte vor Überflutung warnen

Regentropfen erzeugen Strom: Signale vom Dach erkennen Starkregen früh und steuern Pumpen, bevor Wasser in Keller und Straßen drückt.

Regentropfen perlen von einer stark wasserabweisenden Oberfläche ab.

Regentropfen perlen von einer stark wasserabweisenden Oberfläche ab. Der kurze Kontakt reicht aus, um elektrische Signale zu erzeugen. (Symbolbild) © Pexels

Starkregen bedeutet heute weniger Dauer, dafür mehr Wasser in kurzer Zeit. Keller laufen voll, Unterführungen stehen unter Wasser, Pumpen arbeiten am Limit. Das Problem liegt selten am Regen selbst. Es entsteht, wenn große Wassermengen gleichzeitig auf versiegelte Flächen treffen und die Entwässerung zu spät reagiert. Eine neue Technik soll hier Abhilfe schaffen: Sie misst den Regen nicht nur, sondern nutzt ihn zugleich. Jeder Tropfen, der auf das Dach trifft und sofort wieder abperlt, erzeugt ein kurzes elektrisches Signal.

Das Prinzip ist einfach, die Wirkung sehr konkret. Dächer übernehmen damit mehr als eine Schutzfunktion. Sie erkennen, wie stark es regnet, und liefern in diesem Moment einen schwachen Strom. Nicht für Haushalte oder Stromnetze, sondern für Sensoren, Warnsysteme und Pumpen. Grundlage ist eine aktuelle Studie aus Südkorea.

Warum Starkregen für Städte schnell gefährlich wird

Drei Gründe entscheiden darüber, ob Regen harmlos bleibt oder zum Risiko wird:

  • Versiegelte Flächen
    Asphalt, Beton und Dächer lassen kaum Wasser versickern. Regen fließt sofort in Straßen und Kanäle. In kurzer Zeit sammeln sich enorme Mengen.
  • Kanalisation mit festen Grenzen
    Stadtentwässerung ist auf durchschnittliche Niederschläge ausgelegt. Bei Starkregen stoßen Rohre und Pumpen an ihre Kapazitätsgrenzen. Wasser drückt zurück oder tritt aus.
  • Heftigere Starkregenereignisse
    Regen fällt heute häufiger kurz, aber extrem intensiv. In 30 Minuten kann mehr Wasser herunterkommen als früher an einem ganzen Tag.

Diese Mischung macht schnelle Reaktionen entscheidend. Systeme müssen erkennen, wann Regen kritisch wird – und sofort handeln.

Wenn ein Dach bei Regen Strom erzeugt – und damit misst

Entwickelt wurde die Technik an der Ulsan National Institute of Science and Technology (Unist). Sie nutzt einen einfachen physikalischen Effekt, der aus dem Alltag bekannt ist: statische Aufladung. Regentropfen tragen eine positive Ladung. Treffen sie auf eine negativ geladene Oberfläche und lösen sich sofort wieder, entsteht ein kurzer elektrischer Impuls.

Die Oberfläche besteht aus einem kohlefaserverstärkten Kunststoff. Er stößt Wasser extrem stark ab. Tropfen berühren das Material nur für einen Moment und rollen dann weiter. In dieser kurzen Zeit fließt Strom durch eingelassene Carbonfasern. Jeder Tropfen erzeugt ein Signal. Je stärker der Regen, desto häufiger treten diese Signale auf.

So wird aus dem Dach ein Sensor. Es misst nicht über Software oder externe Stromversorgung, sondern über den Regen selbst.

Materialwahl entscheidet über Alltagstauglichkeit

Frühere Tropfen-Generatoren bestanden meist aus Metallen wie Aluminium oder Kupfer. Im Labor funktionierten sie, im Freien jedoch deutlich schlechter. Regenwasser enthält Staub, Abgase und chemische Rückstände aus der Luft. Auf Metalloberflächen fördern diese Stoffe Korrosion. Die elektrische Leistung nimmt ab, Wartung wird nötig.

Das Team der UNIST wählte deshalb einen anderen Weg. Es setzt auf einen Kunststoffverbund aus Kohlefasern und Kunstharz. Die Kohlefasern leiten elektrische Ladung, das Polymer schützt sie vor Feuchtigkeit und Schadstoffen. Die Forscher bezeichnen das Material als superhydrophobes, faserverstärktes Polymer (S-FRP-DEG). Solche Verbundstoffe sind leicht, stabil und nahezu korrosionsfrei. Sie kommen seit Jahren in Flugzeugen, Fahrzeugen und tragenden Bauteilen von Gebäuden zum Einsatz – ihre Eigenschaften machen sie auch für Dächer besonders gut geeignet.

Eine zusätzliche Beschichtung nach dem Vorbild von Lotusblättern verhindert, dass Schmutz haften bleibt. Regen reinigt die Oberfläche selbst. Das ist entscheidend für den dauerhaften Einsatz auf Dächern und an Abflussrohren.

Die wasserabweisende Oberfläche des Kohlefaserverbunds: Ein Regentropfen perlt sofort ab – ähnlich wie auf einem Lotusblatt – und hinterlässt nur eine feine Spur. © Unist
Die wasserabweisende Oberfläche des Kohlefaserverbunds: Ein Regentropfen perlt sofort ab – ähnlich wie auf einem Lotusblatt – und hinterlässt nur eine feine Spur. © Unist

Was ein einzelner Regentropfen tatsächlich an Strom liefert

Im Labor erzeugte ein einzelner Regentropfen mit rund 92 Mikrolitern Volumen eine Spannung von bis zu 60 Volt. Der Strom blieb gering und lag im Bereich weniger Mikroampere. Für eine klassische Energieversorgung reicht das nicht. Die Stärke der Technik liegt woanders.

Mehrere Module lassen sich kombinieren. In Versuchen reichten vier Einheiten aus, um kurzzeitig 144 LED-Leuchten zu betreiben. Dieses Beispiel zeigt die Skalierbarkeit. Es geht nicht um Dauerbetrieb, sondern um den Nachweis, dass die Signale nutzbar sind.

Dach erzeugt Strom bei Regen – und steuert Pumpen automatisch

Das Dach ersetzt jedoch kein Kraftwerk. Die erzeugte Energie bleibt gering. Sie genügt jedoch, um Sensoren, Ventile oder Pumpen zu betreiben – besonders bei Starkregen, wenn Stromnetze ausfallen oder überlastet sind. Messung und Energie entstehen dabei am selben Ort und zur selben Zeit. Das verkürzt Reaktionszeiten und erhöht die Betriebssicherheit.

Besonders wichtig ist der Praxistest. Die Forscher installierten die Module an Dachkanten und in Abflussrohren. Mit zunehmender Regenintensität stieg die Zahl der elektrischen Impulse. Das System unterschied zuverlässig zwischen leichtem, mittlerem und starkem Regen. Diese Information steuerte direkt eine Pumpe.

Bei leichtem Regen blieb sie aus. Bei starkem Niederschlag lief sie schneller. Alles geschah ohne externe Stromquelle. Der Regen selbst lieferte die Energie für Messung und Steuerung.

Warnsystem statt Energieversorger

Neben Dächern sehen die Forscher weitere Einsatzfelder. Kohlefaserverbundstoffe stecken bereits in Brücken, Fahrzeugen und Flugzeugen. Überall dort, wo Regen auftrifft, könnte die Technik Signale liefern oder Steuerungen auslösen. Auch mobile Anwendungen erscheinen denkbar.

„Diese Technologie kann dazu beitragen, städtische Infrastruktur wie Gebäude und Brücken zu steuern und Hochwasserschäden allein mit Regenwasser zu verhindern – ganz ohne externe Stromquelle“, erklärt Professor Young-bin Park.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein neues Dachsystem erzeugt aus Regentropfen einen schwachen Strom und nutzt ihn sofort als Regensensor. So lässt sich Starkregen direkt am Gebäude erkennen.
  • Je intensiver der Regen, desto mehr elektrische Signale entstehen. Diese steuern Pumpen oder Warnsysteme automatisch – ohne externe Stromquelle.
  • Die Technik ist kein Kraftwerk, sondern ein selbstversorgtes Frühwarnsystem gegen Überflutung.

Übrigens: Je wärmer die Luft, desto heftiger können Regenmassen niedergehen – vor allem, wenn Dauerregen und Gewitter zusammenfallen und Städten kaum Zeit zum Reagieren bleibt. Warum steigende Temperaturen extreme Fluten beschleunigen und was das für urbane Infrastruktur bedeutet, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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