Reichlich fette Beute an der Küste – Pumas stellen ihre Diät um und jagen plötzlich Pinguine

In Patagonien entdecken Pumas Pinguine als neue Beute – ein Hinweis darauf, wie Schutzgebiete Tierverhalten und Ökosysteme verändern.

Ein Puma hat einen Pinguin im Maul.

Die Magellanpinguine bieten den Pumas in der Brutzeit von September bis April eine einfache Nahrungsquelle. © Mitchell Serota

Über Jahrzehnte galten Pumas in Patagonien als Problemtiere. Wo Schafe weideten, wurden die Raubkatzen verfolgt, abgeschossen oder vergiftet. Der Schutz von Nutzvieh hatte Vorrang, große Beutegreifer verschwanden fast vollständig aus weiten Teilen der Region. Erst als ehemalige Ranchflächen Anfang der 2000er-Jahre unter Schutz gestellt wurden, änderte sich die Lage langsam.

Mit der Gründung des Nationalparks Monte León kehrte Ruhe in eine Landschaft zurück, die lange vom Menschen geprägt war. Jagd und Verfolgung endeten, Beutetiere erholten sich – und auch die Pumas kamen zurück. Sie trafen jedoch nicht auf ein früheres Patagonien, sondern auf ein verändertes Ökosystem mit neuen Nahrungsangeboten und ungewohnten Dynamiken.

Diese Entwicklung nahm ein internationales Forschungsteam genauer in den Blick. Wissenschaftler der University of California, Berkeley begleiteten die Rückkehr der Pumas über mehrere Jahre hinweg. Ihre Studie erschien im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B. Untersucht wurde eine konkrete Situation: wie sich große Beutegreifer verhalten, wenn menschlicher Druck wegfällt und Nahrung an bestimmten Orten in ungewöhnlicher Dichte verfügbar ist.

Warum ausgerechnet die Küste das Verhalten der Pumas verändert

Der entscheidende Ort liegt wenige Kilometer weiter draußen, direkt an der Atlantikküste. Dort brüten jedes Jahr Magellanpinguine in großer Zahl. Zwischen September und April nisten mehr als 40.000 Brutpaare auf einem schmalen Streifen Land. Die Tiere bleiben wochenlang an ihre Nester gebunden, Bewegungen sind vorhersehbar, Ausweichmöglichkeiten begrenzt.

Für Pumas verändert das die Jagd grundlegend. Statt weite Strecken durch die Steppe zurückzulegen, finden sie Beute an einem festen Ort. Wege werden kürzer, Aufenthalte konzentrieren sich auf wenige Küstenabschnitte. Kamerafallen und GPS-Daten zeigen, dass einzelne Tiere immer wieder an dieselben Stellen zurückkehren. Die Pinguine sind in dieser Zeit keine Ausnahme, sondern Teil des normalen Beutespektrums.

Kamerafallen im Nationalpark Monte León zeigen, wo sich die Wege von Pumas und Pinguinen kreuzen: Die gelb markierte Kolonie an der Küste wurde zum festen Anziehungspunkt für die Raubkatzen. © Studie
Kamerafallen im Nationalpark Monte León zeigen, wo sich die Wege von Pumas und Pinguinen kreuzen: Die gelb markierte Kolonie an der Küste wurde zum festen Anziehungspunkt für die Raubkatzen. © Studie

Wenn Einzelgänger ihre Distanz verlieren

Diese räumliche Konzentration bleibt nicht ohne Folgen. Pumas leben normalerweise zurückgezogen, ihre Reviere überschneiden sich kaum. Begegnungen sind selten und oft konfliktgeladen.

Im Nationalpark Monte León zeigt sich ein anderes Bild. Die Forscher ermittelten eine Dichte von rund 13 erwachsenen Pumas pro 100 Quadratkilometer – deutlich mehr als in vergleichbaren Regionen Südamerikas. Gleichzeitig nahmen direkte Begegnungen zu, vor allem zwischen Weibchen.

Statt auszuweichen, hielten sich mehrere Tiere zeitgleich in Küstennähe auf. Aggressive Auseinandersetzungen blieben die Ausnahme. Offenbar reichte das Nahrungsangebot aus, um Konkurrenz zu entschärfen. Die Pinguinkolonie wurde nicht verteidigt, sondern gemeinsam genutzt.

Warum die Veränderungen nicht mit den Pinguinen verschwinden

Wenn die Brutzeit endet und die Pinguine wieder ins Meer ziehen, verändert sich das Bewegungsmuster der Pumas erneut. Die Tiere vergrößern ihre Streifgebiete und jagen verstärkt andere Beutetiere, vor allem Guanakos, große Pflanzenfresser der patagonischen Steppe.

Diese Ausweichmöglichkeiten verhindern, dass die Puma-Population außerhalb der Brutzeit einbricht. Die Pinguine verstärken die Entwicklung, tragen sie aber nicht allein. Entscheidend ist, dass der Nationalpark ganzjährig ausreichend Nahrung bietet – und dass Jagd und Verfolgung fehlen.

So bleibt die hohe Dichte auch dann bestehen, wenn die Küste vorübergehend an Bedeutung verliert.

Was der Fall Patagonien über Naturschutz zeigt

Der Nationalpark stellt keinen früheren Zustand wieder her. Er schafft Bedingungen, auf die Tiere reagieren. Die Pumas passen ihr Verhalten an ein verändertes Nahrungsangebot an, verschieben Reviere, tolerieren Nähe und nutzen neue Räume.

Studienleiter Mitchell Serota beschreibt das so: „Renaturierung kann völlig neue Wechselwirkungen hervorrufen, die das Verhalten und die Populationen auf unerwartete Weise verändern.“ Der Fall aus Patagonien macht sichtbar, was das konkret bedeutet: Schutz verändert nicht nur, dass Tiere zurückkehren, sondern wie sie leben.

Für den Naturschutz ist das eine zentrale Erkenntnis. Schutzräume liefern keine festen Ergebnisse. Sie eröffnen Spielräume – und die Tiere füllen sie auf ihre eigene Weise.

Kurz zusammengefasst:

  • Naturschutz bringt Tiere zurück, aber nicht die alte Ordnung. Schutzgebiete verändern Bedingungen – und Tiere reagieren darauf auf ihre Weise.
  • In Patagonien jagen Pumas wegen großer Pinguinkolonien häufiger an der Küste. Sie halten sich näher beieinander auf und gehen Konflikten seltener aus dem Weg.
  • Das Beispiel zeigt, wie Schutz, viel Beute und das Ende der Verfolgung neue Gleichgewichte entstehen lassen, ohne die Pinguine zu gefährden.

Übrigens: Pinguine beeinflussen nicht nur das Verhalten von Raubtieren, sondern auch das Klima – ihr Kot setzt in der Antarktis Gase frei, die Wolken entstehen lassen und die Luft abkühlen. Wie ausgerechnet Pinguinkolonien zu einem bislang unterschätzten Kühlfaktor werden, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Mitchell Serota

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