Herzinfarkt an Weihnachten: Warum Rücksicht am Tisch Leben kosten kann
An Weihnachten zögern viele Menschen, den Notruf zu wählen. Beim Herzinfarkt kostet dieses Abwarten oft wertvolle Zeit – mit schweren Folgen fürs Herz.
An Feiertagen werden Herzinfarkt-Warnzeichen besonders häufig übersehen – doch schnelle Hilfe entscheidet über das Ausmaß der Herzschäden. © Pexels
An Feiertagen bleibt man sitzen. Aus Rücksicht – und aus Angst, falschen Alarm zu schlagen. Beschwerden werden heruntergespielt, Schmerzen relativiert, der Gedanke an den Notruf bei einem möglichen Herzinfarkt beiseitegeschoben. Zwischen Essen, Gesprächen und dem Wunsch nach Ruhe vergeht Zeit, die dem Herzen fehlt. Statt den Notruf zu wählen, warten viele ab – bis zum nächsten Morgen oder sogar bis nach den Feiertagen.
In Deutschlands Notfallambulanzen zeigt sich dieses Zögern immer wieder. Patienten mit Herzinfarkt kommen zu spät in die Klinik, weil zwischen den ersten Symptomen und dem Anruf bei der 112 wertvolle Zeit vergeht. Kardiologen beobachten dieses Muster besonders zwischen Heiligabend und Neujahr.
Warum Herzinfarkte an Feiertagen besonders riskant sind
Die Folgen können gravierend sein. Je nach Schwere des Infarkts und Länge der Verzögerung drohen bleibende Herzschäden, eine Herzschwäche oder im schlimmsten Fall der plötzliche Herztod. Medizinische Hilfe wirkt beim Herzinfarkt nur dann, wenn sie früh einsetzt.
Auf diese Gefahr weist die Deutsche Herzstiftung e.V. / Deutsche Stiftung für Herzforschung seit Jahren hin. Kardiologen registrieren rund um Weihnachten und Neujahr regelmäßig verspätete Notrufe. Das Risiko sinkt an Feiertagen nicht. In vielen Fällen steigt es sogar.
Mit dem Notruf nicht zögern – beim Herzinfarkt zählt jede Minute
Ein Herzinfarkt entsteht, wenn ein Herzkranzgefäß plötzlich verschlossen wird. Das betroffene Areal erhält keinen Sauerstoff mehr. Innerhalb kurzer Zeit beginnen Herzmuskelzellen abzusterben. Mit jeder Minute vergrößert sich der bleibende Schaden.
Moderne Therapien können verschlossene Gefäße wieder öffnen. Ihr Erfolg hängt jedoch vom Zeitpunkt ab. Je früher die Behandlung beginnt, desto mehr Herzmuskel lässt sich retten.
Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Herzstiftung, erklärt das verzögerte Handeln so: „Das endet beim Herzinfarkt häufig tödlich.“ Der Zeitfaktor ist entscheidend. „Deshalb gilt auch beim Herzinfarkt ,Time is Muscle‘.“ Jede verlorene Minute kostet Herzmuskelkraft.
Warnzeichen werden häufig falsch eingeordnet
Viele Betroffene zögern, weil sie ihre Beschwerden anders deuten oder auf Besserung hoffen. Die Symptome beginnen oft plötzlich, wirken aber zunächst unspezifisch. Das macht den Herzinfarkt so gefährlich.
Typische Warnzeichen sind:
- plötzlich einsetzende, starke Schmerzen im Brustkorb über mehr als fünf Minuten
- Ausstrahlung der Schmerzen in den linken Arm, Rücken, Hals, Kiefer oder zwischen die Schulterblätter
- starkes Druck- oder Engegefühl im Brustbereich
- heftiges Brennen hinter dem Brustbein, häufig mit Sodbrennen verwechselt
Besonders schwer zu erkennen bleibt der Herzinfarkt bei Frauen. Schmerzen stehen bei ihnen oft nicht im Vordergrund. Häufig dominieren Druckgefühl, Übelkeit oder Beschwerden im Rücken oder Oberbauch. Das erhöht das Risiko einer Fehleinschätzung.
Wenn der Herzinfarkt zum Herzstillstand wird
Ein Herzinfarkt kann jederzeit schwere Herzrhythmusstörungen auslösen. Besonders gefährlich ist Kammerflimmern. Das Herz schlägt dann mit mehr als 300 Schlägen pro Minute. Innerhalb weniger Sekunden bricht der Kreislauf zusammen.
„Herzinfarkte ereignen sich meistens zu Hause“, so Voigtländer. In dieser Situation hilft nur ein alarmierter Rettungsdienst. Defibrillatoren können den normalen Herzrhythmus wiederherstellen. Anschließend zählt der schnelle Transport in eine Klinik mit Herzkatheter-Bereitschaft.
Feiertage als zusätzlicher Belastungstest fürs Herz
Rund um Weihnachten steigt die Zahl der Herzinfarkte. Internationale Studien sprechen vom sogenannten „Christmas Holiday Effect“. Besonders betroffen sind Menschen über 75 Jahre. Auch chronisch Erkrankte tragen ein erhöhtes Risiko. Diabetes, koronare Herzkrankheit oder Bluthochdruck verstärken die Gefahr.
Mehrere Faktoren kommen zusammen: Stress durch Vorbereitungen, Termine und emotionale Belastungen. Bewegung fällt weg, der Schlaf wird kürzer. Alkohol wird häufiger konsumiert, das Essen fällt üppiger aus. Treffen diese Belastungen in kurzer Zeit aufeinander, gerät ein vorerkranktes Herz schnell an seine Grenzen.
Alkohol als unterschätzter Auslöser
Auch Alkohol beeinflusst den Herzrhythmus. An Feiertagen steigt der Konsum oft deutlich. Das kann akute Rhythmusstörungen begünstigen. Mediziner sprechen dabei vom Holiday-Heart-Syndrom. Die Beschwerden treten teils erst Stunden nach dem Trinken auf.
Besonders gefährdet sind ältere Menschen und Personen mit familiärer Vorbelastung. Schon moderate Mengen können ausreichen. Viele unterschätzen den Zusammenhang, weil der zeitliche Abstand zwischen Alkoholkonsum und Symptomen irritiert.
Notruf: Auch an Feiertagen ohne Zögern die 112 wählen
Ein hartnäckiger Irrtum hält sich dennoch: die Annahme, Rettungsdienste seien an Feiertagen eingeschränkt erreichbar. Das Gegenteil trifft zu. Leitstellen, Notaufnahmen und spezialisierte Herzkliniken arbeiten rund um die Uhr – auch zwischen den Jahren.
„Deswegen besteht auch an den Festtagen überhaupt kein Grund zur Scheu vor der 112“, sagt Voigtländer. Das gilt nicht nur beim Herzinfarkt. Auch Schlaganfälle, schwere Rhythmusstörungen oder eine akute Herzschwäche erfordern sofortige Hilfe.
Zahlen machen das Risiko greifbar
Der Herzinfarkt zählt weiterhin zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Jährlich sterben rund 44.000 Menschen daran. Etwa 186.000 Patienten werden jedes Jahr stationär behandelt.
Diese Zahlen zeigen, wie alltäglich dieser Notfall ist – und wie entscheidend schnelles Handeln bleibt, gerade an Tagen, an denen viele aus Rücksicht oder Unsicherheit zu lange warten.
Kurz zusammengefasst:
- Beim Herzinfarkt entscheidet Zeit über Leben und Tod: Jede Verzögerung zerstört Herzmuskelgewebe; auch an Feiertagen sollte bei Verdacht sofort der Notruf 112 gewählt werden.
- Herzinfarkt-Warnzeichen werden häufig falsch eingeschätzt: Brustschmerz, Druckgefühl, Ausstrahlung in Arm oder Rücken sowie Brennen im Brustkorb werden oft verharmlost, bei Frauen besonders häufig fehlgedeutet.
- Feiertage erhöhen das Risiko zusätzlich: Stress, Alkohol, wenig Bewegung und veränderte Routinen verstärken laut Studien den „Christmas Holiday Effect“, obwohl Rettungsdienste auch an Weihnachten und Neujahr uneingeschränkt erreichbar sind.
Übrigens: Schon ein täglicher Spaziergang von 15 Minuten am Stück kann das Herz deutlich schützen und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall stark senken – selbst bei Menschen, die sich sonst kaum bewegen. Warum längeres Gehen wirksamer ist als viele kurze Wege und was Studien dazu zeigen, mehr dazu in unserem Artikel.
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