Erde ist wohl kein Einzelfall – warum eine nahe Supernova Planeten wie unseren möglich machte

Kosmische Strahlung aus einer nahen Supernova könnte Wärme und radioaktive Isotope geliefert haben – eine Voraussetzung für Exoplaneten.

Supernova-Überrest SNR 0519

Der Supernova-Überrest SNR 0519 stammt von einer Sternenexplosion vor rund 600 Jahren. © Claude Cornen/ESA/Hubble & NASA

Die Erde gilt oft als Ausnahme im Universum. Ein trockener Gesteinsplanet mit stabiler Oberfläche, flüssigem Wasser und einer langen, ruhigen Entwicklungsgeschichte. Es schien klar: Für eine solche Kombination braucht es außergewöhnliche Umstände. Doch genau dieses Bild gerät nun ins Wanken.

Eine neue Studie legt nahe, dass die Entstehung der Erde weniger ungewöhnlich war als bisher gedacht. Entscheidend könnte eine nahe Supernova gewesen sein – ein Ereignis, das nicht nur das junge Sonnensystem, sondern auch die Entwicklung vieler Exoplaneten beeinflusst haben dürfte. Die Explosion eines massereichen Sterns lieferte dem jungen Sonnensystem offenbar wichtige Zutaten für die Planetenbildung – ohne es zu zerstören.

Wie eine nahe Supernova das Sonnensystem beeinflusste

Federführend beteiligt war der Astrophysiker Ryo Sawada von der University of Tokyo. Er und sein Team gingen der Frage nach, was passiert, wenn ein junger Stern nicht isoliert entsteht, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft zu massereichen Sternen heranwächst – also in einer Umgebung, in der Supernovae zum normalen Entwicklungsverlauf gehören.

In dem Modell ist mit „junger Stern“ die frühe Sonne gemeint. Sie existierte bereits, war jedoch noch von einer dichten Scheibe aus Gas und Staub umgeben. In dieser protoplanetaren Scheibe entstanden erst später die Planeten, darunter auch die Erde.

Im Szenario der Wissenschaftler explodiert einer dieser kosmischen Nachbarn als Supernova – nicht direkt neben dem Sonnensystem, sondern in sicherer Distanz von gut drei Lichtjahren. Weit genug, um die empfindliche Staub- und Gasscheibe um die junge Sonne herum nicht zu zerreißen. Nah genug jedoch, um Wirkung zu entfalten.

Die Explosion schleuderte eine Stoßwelle durch den Raum. In ihr wurden Teilchen auf enorme Energien beschleunigt. Diese Teilchen trafen über längere Zeit auf die planetenbildende Scheibe. Kein einzelner Einschlag, kein kurzer Schock – sondern ein anhaltender Strom kosmischer Strahlung. Dieser Prozess lieferte genau jene Wärme und radioaktiven Elemente, die für die spätere Planetenbildung entscheidend waren.

Warum Hitze über Wasser entscheidet

Für die weitere Entwicklung der Planeten war das entscheidend. In der protoplanetaren Scheibe entstanden durch Kernreaktionen kurzlebige radioaktive Isotope, allen voran Aluminium-26. Beim Zerfall setzte es Wärme frei – genug, um kleine Gesteinskörper von innen aufzuheizen.

Diese frühe Erwärmung hatte Folgen. Wasser und andere leicht flüchtige Stoffe entwichen bereits in der Anfangsphase. Zurück blieben trockene Gesteinskörper, aus denen später Planeten wie die Erde hervorgingen. Ohne diesen Prozess hätten sich eher wasserreiche Ozeanwelten gebildet.

Dass Aluminium-26 im jungen Sonnensystem in großer Menge vorhanden war, gilt seit Langem als gesichert. Meteoriten tragen bis heute deutliche Spuren dieses Isotops. Rätselhaft blieb jedoch, wie es in dieser Konzentration entstehen konnte, ohne die empfindliche Umgebung der jungen Sonne zu beschädigen.

Warum frühere Modelle scheiterten

Frühere Erklärungen deuten ebenfalls auf Supernovae hin. Doch sie hatten einen Haken. Damit genug radioaktives Material ins junge Sonnensystem gelangte, hätte die Explosion sehr nah stattfinden müssen. In dieser Entfernung hätte die Druckwelle die empfindliche planetenbildende Scheibe jedoch vermutlich zerstört.

Andere Ansätze gingen den umgekehrten Weg. Sie versuchten, die radioaktiven Isotope allein durch Prozesse im Sonnensystem zu erklären. Doch diese Modelle scheiterten an den Messdaten. Weder die beobachteten Mengen noch ihre gleichmäßige Verteilung ließen sich damit überzeugend erklären.

Das neue Szenario verbindet nun beide Sichtweisen. Ein Teil der radioaktiven Elemente gelangte direkt aus der Supernova in das Sonnensystem, etwa Eisen-60 gebunden an Staub. Der größere Anteil entstand jedoch erst später – ausgelöst durch kosmische Strahlung, die innerhalb der Scheibe selbst neue Isotope erzeugte.

Was das für Exoplaneten bedeutet

Die Forscher haben ihr Modell auch auf andere Sternsysteme übertragen. Sterne entstehen häufig in Gruppen. In solchen Sternhaufen gehören Supernovae zur normalen Entwicklung. Explosionen in moderater Entfernung sind dort keine Ausnahme.

Rechnungen zeigen, dass ein erheblicher Teil sonnenähnlicher Sterne mindestens eine solche Supernova im frühen Stadium erlebt. Nach Einschätzung der Studie könnten das zehn bis fünfzig Prozent aller Systeme sein. Damit wären die Bedingungen für trockene Gesteinsplaneten weit verbreitet.

Für bekannte Exoplaneten liefert das eine plausible Erklärung. Viele von ihnen zeigen Hinweise auf sehr unterschiedliche Wassergehalte. Die Menge an Aluminium-26 könnte ein entscheidender Faktor sein, der früh festlegt, ob ein Planet eher trocken oder von Ozeanen bedeckt ist.

Warum unser Sonnensystem kein Sonderfall sein muss

Damit wirkt das Sonnensystem weniger außergewöhnlich, als es lange galt. Die Bedingungen, unter denen die Erde entstand, passen zu typischen Sternentstehungsgebieten. Eine nahe Supernova erscheint in diesem Bild nicht als seltener Glückstreffer, sondern als Teil der Umgebung, in der viele Sterne geboren werden.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass erdähnliche, wasserarme Gesteinsplaneten in der Galaxie häufiger sind als bisher angenommen“, so die Studienautoren. Entscheidend ist demnach nicht ein einzelnes extremes Ereignis, sondern die Kombination aus Abstand, Timing und Umgebung.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine nahe Supernova lieferte radioaktive Stoffe und energiereiche Teilchen, die im jungen Sonnensystem Wärme freisetzten und so auch bei Exoplaneten überschüssiges Wasser aus ihren Bausteinen entfernten.
  • Dadurch entstand ein wasserarmer Gesteinsplanet mit stabilen Ozeanen, statt einer globalen Wasserwelt, was zentrale Voraussetzungen für komplexes Leben schuf.
  • Da solche Explosionen in Sternhaufen häufig sind, könnten erdähnliche Planeten im Universum deutlich verbreiteter sein als lange angenommen.

Übrigens: Nicht jeder vermeintliche Planet ist wirklich einer – bei Fomalhaut täuschten gleich zwei Staubwolken jahrelang einen Himmelskörper vor und führten selbst Hubble in die Irre. Warum solche Irrtümer die Suche nach fernen Welten so schwierig machen, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Claude Cornen/ESA/Hubble & NASA

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