Neue CO₂-Fresser gefunden: Tiefsee-Mikroben binden viel mehr Klimagas als gedacht
Forscher entdecken Mikroben, die in der Tiefsee deutlich mehr CO₂ binden als erwartet und damit ein lange ungelöstes Rätsel klären.
In der Dunkelzone des Ozeans arbeiten Mikroben im Verborgenen: Sie binden CO₂ in einem Ausmaß, das selbst Meeresbiologen überraschte – und verändern damit das Verständnis der tiefen Kohlenstoffströme. © Pexels
Der Ozean bremst die Erderwärmung, weil er enorme Mengen CO₂ aus der Atmosphäre aufnimmt. Ein großer Teil davon sinkt in die Tiefsee, doch die gemessenen Werte passten lange nicht zu dem, was die Biologie dort eigentlich leisten kann. Die CO₂-Bindung in der Tiefsee fiel deutlich höher aus, als es die bekannten Mikroben erklären ließen. Eine neue Studie der University of California – Santa Barbara (UCSB) schließt nun diese Lücke und liefert wichtige Daten für künftige Klimamodelle.
Über viele Jahre ging die Forschung davon aus, dass vor allem ein Mikroben-Typ für die CO₂-Aufnahme verantwortlich ist. Die neuen Messungen zeigen jedoch, dass andere Gruppen viel stärker beteiligt sind. Die Zahlen verdeutlichen, wie groß diese Verschiebung ist: Archaeen tragen je nach Region nur vier bis 25 Prozent zur CO₂-Bindung bei – deutlich weniger als lange angenommen.
Warum die CO₂-Bindung in der Tiefsee bisher falsch eingeschätzt wurde
Das Team untersuchte ein Rätsel, das die Meeresforschung seit über einem Jahrzehnt beschäftigt. Die gemessenen Mengen an gebundenem CO₂ lagen wiederholt über den Werten, die sich aus dem Energieangebot der bekannten Mikroben ableiten ließen. Ammoniak-oxidierende Archaeen galten zwar als wichtige Akteure, doch ihre Energiequelle – Ammonium – ist in tiefen Wasserschichten knapp.
Um diese Widersprüche aufzulösen, testete das Forschungsteam ein neues Vorgehen. Es hemmte gezielt die Aktivität der Archaeen, um zu sehen, wie viel CO₂ tatsächlich auf ihr Konto geht. Studienleiterin Alyson Santoro sagte dazu: „Wir wollten wissen, wie viel des Kohlenstoffs wirklich von diesen Organismen aufgenommen wird.“ Die zentrale Beobachtung: Trotz deutlich eingeschränkter Aktivität änderten sich die CO₂-Werte kaum.
Andere Mikroben übernehmen größere Anteile – und arbeiten vielseitiger
Viele Arten, die vor allem als Zersetzer organischen Materials galten, nehmen zusätzlich CO₂ aus dem Wasser auf. Damit werden heterotrophe Mikroorganismen zu den zentralen Akteuren der Tiefe – sie erklären einen großen Teil der bislang rätselhaften CO₂-Bindung. Die Studie zeigt zudem einen klaren Zusammenhang: Je aktiver diese Mikroben arbeiten, desto mehr CO₂ wird gebunden – ein Befund, der die früheren Energiebilanzen verständlich macht.
Viele heterotrophe Mikroben beziehen einen Teil ihres Kohlenstoffs aus anorganischen Quellen – ein wichtiger Baustein für das Nahrungsnetz in Wasserschichten ohne Sonnenlicht. Welche Verbindungen sie dabei freisetzen und wie diese weiterverarbeitet werden, untersuchen die Forscher nun genauer.
Kurz zusammengefasst:
- Die Tiefsee bindet deutlich mehr CO₂ als bisher erklärbar war, weil nicht nur bekannte Mikroben-Typen, sondern viele zuvor übersehene Gruppen daran beteiligt sind.
- Ammoniak-oxidierende Archaeen leisten nur einen kleinen Teil der CO₂-Aufnahme, denn ihre Energiequelle ist in großen Tiefen knapp; andere Mikroben übernehmen weite Anteile.
- Heterotrophe Mikroben spielen eine zentrale Rolle im Kohlenstoffkreislauf, da sie zusätzlich anorganisches CO₂ aufnehmen und damit ein lange ungelöstes Rätsel der Ozeanforschung klären.
Übrigens: Auch in anderen Meeren arbeiten Mikroben still im Hintergrund – und verhindern, dass klimawirksame Gase ungehindert entweichen. Im Schwarzen Meer zeigt sich besonders deutlich, wie ein unsichtbares Gleichgewicht unseren Planeten schützt – mehr dazu in unserem Artikel.
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