Satelliten-Schrott im Orbit: Forscher fordern Recycling im All – bevor es oben zu voll wird
Eine neue Studie beschreibt, wie Kreislaufwirtschaft im All gelingen kann – mit weniger Starts, mehr Wiederverwendung und gezieltem Recycling.
Jeder Raketenstart setzt Treibhausgase frei und verschwendet Ressourcen. Deshalb wollen Wissenschaftler Satelliten und Raumfahrzeuge künftig zu recyceln. © Unsplash
Ob Navigation, Wetterwarnungen oder die Taktgeber-Signale für Mobilfunk und Stromnetze: Satelliten merkt man erst auf der Erde, wenn sie ausfallen. Doch oben über der Erde wird es eng. Mehr als 8.000 Satelliten arbeiten bereits im Orbit, tausende weitere sind geplant. Gleichzeitig wächst der Schrottberg – von ausgedienten Geräten bis zu winzigen Splittern, die bei Kollisionen wie Geschosse wirken. Und jeder Start kostet: knappe Hightech-Metalle, energiehungrige Lieferketten, dazu Ruß und Stoffe, die die Ozonschicht belasten.
Ein Team der University of Surrey schlägt deshalb eine radikale Kurskorrektur vor: Raumfahrt soll wie eine Kreislaufwirtschaft funktionieren. Weniger Wegwerfmissionen, mehr Reparatur und Wiederverwendung, dazu Recycling als Standard im All. Die Autoren kartieren Materialflüsse der Branche und zeigen Hebel, die sofort wirken.
Satelliten sollen mehrfach genutzt werden
In ihrer Roadmap in Chem Circularity legen die Autoren konkrete Bausteine für diese Kreislauf-Strategie vor: langlebigere, modular aufgebaute Satelliten, neue Werkstoffe und Verfahren zur Rückgewinnung knapper Materialien – und digitale Werkzeuge, die den Zustand von Systemen im Orbit überwachen. Jin Xuan, Mitautor der Studie, bringt die Priorität auf den Punkt:
Recycling ist auf der Erde oft die letzte Option – im All muss es die erste sein.
Das Konzept folgt dem sogenannten 3R-Prinzip: Reduce, Reuse, Recycle – also reduzieren, wiederverwenden und recyceln. Statt immer neue Raketen zu bauen, sollen bestehende Systeme aufgerüstet und Raumstationen zu Reparatur- und Produktionszentren ausgebaut werden. Ziel ist es, die Zahl der Starts zu verringern und wertvolle Rohstoffe zu sichern.
Soft-Landungen und Recycling statt Schrott im All
Damit Raketen und Satelliten wiederverwendet werden können, brauche es neue Technologien. Die Forscher schlagen Soft-Landing-Systeme wie Fallschirme oder Airbags vor, um Raumfahrzeuge sicher zurückzubringen. Bauteile, die den extremen Bedingungen des Weltraums standhalten, müssten anschließend strenge Sicherheitsprüfungen bestehen, bevor sie erneut eingesetzt werden.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Bergung von Weltraumschrott. Alte Satelliten und Trümmerteile könnten mithilfe von Netzen oder Roboterarmen eingefangen und zur Wiederverwertung genutzt werden. So ließen sich nicht nur wertvolle Materialien zurückgewinnen, sondern auch gefährliche Kollisionen im Orbit vermeiden.
Nachhaltige Raumfahrt soll ganze Systeme verändern
Den Experten zufolge kann eine nachhaltige Raumfahrt nur funktionieren, wenn das gesamte System neu gedacht wird – von der Materialwahl bis zur politischen Regulierung. „Wir brauchen Innovation auf allen Ebenen – von wiederverwendbaren Werkstoffen bis zu Datenplattformen, die den Zustand von Satelliten überwachen“, sagt Xuan.
Dabei könne die Raumfahrt von anderen Industrien lernen: Elektroautohersteller oder Elektronikproduzenten setzen bereits auf modulare Bauweisen und recyclingfähige Komponenten. Solche Prinzipien ließen sich auch auf Raumfahrzeuge übertragen.
KI und Simulationen sollen Ressourcen sparen
Digitale Technologien spielen dabei eine Schlüsselrolle. Künstliche Intelligenz kann Missionsdaten auswerten, um effizientere Designs zu entwickeln und Kollisionen mit Trümmern zu verhindern. Simulationen ersetzen zudem teure Testflüge und senken den Materialverbrauch. Auf der europäischen Plattform OPS-SAT werden derzeit Algorithmen getestet, die selbstständig Entscheidungen treffen und Betriebsabläufe im Orbit steuern.
Der ESA-Satellit PhiSat-1 nutzt KI bereits, um unbrauchbare Erdaufnahmen herauszufiltern, bevor sie zur Erde gesendet werden. Das spart Energie, Zeit und Ressourcen.
Materialien für die Kreislaufwirtschaft im All
Ein Schwerpunkt liegt auf neuen Werkstoffen. Viele aktuelle Bauteile bestehen aus Aluminium oder Titan – Materialien, die kaum recycelt werden können. Die Forscher empfehlen deshalb reparierbare, modular aufgebaute Komponenten und neuartige Verbundstoffe, die Strahlung und Temperaturschwankungen besser aushalten.
Auch beim Energiespeicher könnte sich einiges ändern. Künftige Batterien sollen mit weniger Lithium und Kobalt auskommen, um Lieferketten zu entlasten. Langfristig könnten Rohstoffe direkt im Weltraum gewonnen werden – etwa aus Mondgestein oder Asteroiden, das sich für den 3D-Druck eignet.
Regeln für eine saubere Zukunft im All
Technologische Lösungen allein genügen nicht. Nachhaltige Raumfahrt braucht auch politische Leitlinien. Der Weltraumvertrag von 1967 verbietet zwar nationale Besitzansprüche, regelt aber weder Recycling noch Rohstoffabbau.
In den USA hat die Regulierungsbehörde FCC inzwischen festgelegt, dass Satelliten im niedrigen Erdorbit spätestens fünf Jahre nach Missionsende entfernt werden müssen. In Europa arbeitet die ESA an ähnlichen Konzepten – etwa „Design for Demise“, bei dem Raumfahrzeuge so konstruiert werden, dass sie kontrolliert verglühen oder wiederverwertet werden können. Für Professor Xuan ist das Ziel klar:
Eine wirklich nachhaltige Zukunft im All beginnt dort, wo Technologie, Materialforschung und Politik zusammenarbeiten.
Kurz zusammengefasst:
- Die Raumfahrt wächst rasant und hinterlässt immer mehr Schrott im All – aktuell kreisen über 8.000 Satelliten und Millionen Fragmente um die Erde, was langfristig gefährlich werden kann.
- Forscher der University of Surrey schlagen eine nachhaltige Raumfahrt vor, die auf das 3R-Prinzip setzt: reduzieren, wiederverwenden, recyceln – so sollen Rohstoffe geschont und Kollisionen verhindert werden.
- Künstliche Intelligenz, 3D-Druck und neue Materialien sollen den Betrieb effizienter machen, während internationale Regeln künftig festlegen sollen, wie Satelliten recycelt und sicher entsorgt werden.
Übrigens: Satelliten können inzwischen zeigen, wo Klimaanpassung tatsächlich Wirkung zeigt und wo sie scheitert. Eine internationale Studie macht sichtbar, wie sich Länder weltweit auf Hitzewellen, Dürre und Überschwemmungen vorbereiten. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash
