Ein gewaltiger Vulkanausbruch kühlte Europa ab – und ebnete dem Schwarzen Tod den Weg
Ein Vulkanausbruch 1345 kühlte Europa ab, ließ Ernten scheitern – und begünstigte über Handelswege die Ausbreitung des Schwarzen Todes.
Das Fresko „Trionfo della Morte“ in Pisa zeigt, wie eine Epidemie Menschen aller Stände trifft – vom Adligen bis zum Bettler – und Dämonen ihre Seelen forttragen. © Martin Bauch
Als ein einziger Vulkanausbruch Mitte des 14. Jahrhunderts das Klima in Europa abrupt abkühlte, ahnte niemand, dass diese Naturkatastrophe weitreichende Folgen haben würde. Die Sommer wurden nass und kalt, Ernten fielen aus, die Getreidepreise stiegen. In vielen Regionen drohte Hunger, besonders in den dicht besiedelten italienischen Stadtstaaten.
Eine aktuelle Studie der Universität Cambridge und des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) zeigt, wie eng Natur und Mensch damals verflochten waren. Der durch die gewaltige Eruption ausgelöste Klimaeinbruch von 1345 setzte eine Verkettung von Ereignissen in Gang, die Europa in die größte Pandemie seiner Geschichte stürzte – den Schwarzen Tod.
Wie der Klimaeinbruch begann
Das internationale Forscherteam fand in Baumringen und Eisbohrkernen deutliche Spuren des Vulkanausbruchs. Die Daten zeigen, dass die Jahre 1345 bis 1347 zu den kältesten Sommern jener Zeit gehörten.
„Die Schwefelmengen, die damals in die Atmosphäre gelangten, übertrafen sogar die des Pinatubo-Ausbruchs von 1991“, erklärt Studienautor Professor Ulf Büntgen von der Universität Cambridge. Die Folgen waren spürbar: verdunkelter Himmel, schlechte Ernten, steigende Preise und ein Klima, das ganze Gesellschaften unter Druck setzte.

Chroniken berichten von überfluteten Feldern in der Po-Ebene, von Hagelstürmen in der Toskana und verdorbenen Weintrauben in Norditalien. In Frankreich und Spanien stiegen die Getreidepreise so stark, dass selbst wohlhabende Familien kaum noch Brot kaufen konnten.
Italien sucht Hilfe – und findet sie am Schwarzen Meer
Als sich die Versorgungslage zuspitzte, reagierten die italienischen Stadtstaaten. Venedig, Genua und Pisa nutzten ihre Handelsflotten, um Getreide aus Regionen zu beschaffen, die von der Kälte weniger betroffen waren. Zunächst kamen Lieferungen aus Süditalien und Sardinien, später auch aus dem Gebiet der Goldenen Horde am Schwarzen und Asowschen Meer.
Diese Notimporte retteten Hunderttausende Menschen vor dem Hungertod. Doch die Schiffe, die im Frühjahr 1347 mit frischem Korn in die Häfen zurückkehrten, brachten offenbar mehr als nur Nahrung. „Wir sehen eine auffällige zeitliche Nähe zwischen der Ankunft der Getreideschiffe und den ersten Pestfällen in Venedig und Genua“, sagt Büntgen.
Nach Einschätzung der Forscher könnten sich Flöhe mit dem Pestbakterium Yersinia pestis in den Getreidevorräten eingenistet haben. Sie überlebten die langen Seereisen, hielten sich vom Staub und von Nagern an Bord am Leben – und gelangten so in die dicht besiedelten Hafenstädte des Mittelmeerraums.

Vom Vulkanausbruch zur Pandemie: Der Schwarze Tod und seine Handelswege
Kaum waren die Schiffe entladen, breitete sich die Krankheit aus. Ende 1347 meldeten Venedig und Marseille erste Todesfälle, wenige Wochen später erreichten Berichte über die Pest auch Mallorca und Tunis. Die Krankheit erfasste Europa in einer Geschwindigkeit, die beispiellos war.
Auffällig ist, dass Städte wie Rom oder Mailand zunächst verschont blieben. Sie hatten kein Getreide aus dem Schwarzmeerraum bezogen. Für die Forscher ist das ein starkes Indiz, dass der Handel eine entscheidende Rolle spielte.
„Das Versorgungssystem, das Italien vor dem Hunger rettete, öffnete gleichzeitig die Tür für eine viel größere Katastrophe“, sagt Co-Autor Dr. Martin Bauch vom GWZO.
Warnung mit Blick auf die Gegenwart
Auch wenn diese Geschichte fast 700 Jahre zurückliegt, sehen die Forscher darin eine Lehre für heute. Klimaveränderungen, so ihre Schlussfolgerung, können über Umwege neue Gesundheitsrisiken schaffen. Globale Lieferketten, einst ein Symbol für Sicherheit und Wohlstand, können im Krisenfall unerwartete Folgen haben.
„Die Pest war kein isoliertes Ereignis, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Klima, Handel und Gesellschaft“, so Büntgen. „Diese Verflechtungen bestehen bis heute.“
Kurz zusammengefasst:
- 1345 brachte ein gewaltiger Vulkanausbruch das Klima Europas aus dem Gleichgewicht: Kälte, Missernten und Hunger setzten ganze Regionen unter Druck.
- Die italienischen Stadtstaaten reagierten mit Getreideimporten aus dem Schwarzmeerraum – und könnten so ungewollt den Erreger des Schwarzen Todes eingeschleppt haben.
- Forscher der Universität Cambridge und des GWZO zeigen, wie eng Klima, Handel und Gesellschaft verbunden waren – und welche Parallelen es zu heutigen Krisen gibt.
Übrigens: Warum manche Vulkane friedlich glühen, während andere explodieren, hängt von unsichtbaren Kräften im Magma ab. Wie Scherkräfte darin Gasblasen freisetzen – und so über Ruhe oder Eruption entscheiden, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Martin Bauch
