Moos überlebt das kalte Vakuum des Alls – trotz minus 150 Grad und tödlicher UV-Strahlung
Winzige Moossporen überlebten neun Monate im All – trotz Vakuum, Kälte und Strahlung – und begannen auf der Erde wieder zu wachsen.
Die Internationale Raumstation ISS umkreist die Erde in rund 400 Kilometern Höhe – an ihrer Außenwand herrschen Temperaturen zwischen plus 120 und minus 150 Grad Celsius. Dort überlebten Moossporen monatelang das Vakuum des Alls. © Wikimedia
Andere Pflanzen überstehen das nicht: Während die ultraviolette Strahlung im All menschliche Zellen in Sekunden zerstören würde, hielten Moossporen diese Bedingungen neun Monate lang ungeschützt aus – bei Temperaturen zwischen plus 120 und minus 150 Grad Celsius. Kein Samen, kein Trieb und kein Blatt anderer Pflanzen zeigte bislang eine solche Widerstandskraft. Ihre Sporenhülle schützt sie wie ein natürlicher Raumanzug vor Hitze, Kälte, Austrocknung und der intensiven UV-Strahlung.
Die Entdeckung klingt fast unglaublich, hat aber eine solide wissenschaftliche Grundlage. In ihrer Studie beschreiben Forscher der Hokkaido University, wie Moossporen selbst extreme Weltraumbedingungen überstehen. Ihre Proben des Mooses Physcomitrium patens waren monatelang ungeschützt im Orbit – und blieben trotzdem lebensfähig.
Wie aus einem einfachen Moos ein Überlebenskünstler wurde
Moose gehören zu den ältesten Pflanzen der Erde. Sie waren die ersten, die sich vor rund 500 Millionen Jahren vom Wasser auf das Land wagten – und mussten schon damals extreme Bedingungen aushalten: Trockenheit, Kälte, starke Strahlung. Ihre Zellen entwickelten über die Jahrmillionen ausgeklügelte Strategien, um sich zu schützen.
Diese Fähigkeiten wollten die Forscher nun auf die härteste Probe stellen: den Weltraum. Sie verpackten die Sporenkapseln des Mooses, sogenannte Sporophyten, in kleine Halterungen und schickten sie mit dem Versorgungsschiff „Cygnus NG-17“ zur Internationalen Raumstation. Dort montierten Astronauten die Proben außen an der ISS – ohne jede Schutzverkleidung.
UV-Strahlung, Hitze, Frost – alles überstanden
Im All herrschen extreme Bedingungen: Das Vakuum entzieht allen Zellen Feuchtigkeit, und die ultraviolette Strahlung ist so stark, dass sie menschliche Haut binnen Sekunden zerstören würde.
Trotzdem überlebten mehr als 80 Prozent der Sporen. Nach ihrer Rückkehr auf die Erde keimten sie ganz normal – als wäre nichts gewesen. „Wir erwarteten fast null Überlebensrate. Das Ergebnis war das Gegenteil: Die meisten Sporen blieben vital“, zeigt sich Tomomichi Fujita, Hauptautor der Studie, überrascht.

Warum die Sporen im All überleben konnten
Die entscheidende Rolle spielt ihre Hülle, das Sporangium. Es schützt die Sporen wie ein natürlicher Raumanzug:
- Es absorbiert gefährliche UV-Strahlen.
- Es hält Feuchtigkeit im Zellinneren.
- Es stabilisiert die empfindliche DNA gegen kosmische Strahlung.
Vergleichsversuche auf der Erde zeigten, dass andere Zellformen des Mooses – etwa junge Triebe oder Stammzellen – schnell abstarben. Nur die fest verschlossenen Sporen überstanden die Kombination aus Vakuum, Strahlung und Temperaturwechseln.
Forscher rechnen mit Überlebenszeit von bis zu 15 Jahren
Zurück auf der Erde testete das Team, wie lange die Zellen unter ähnlichen Bedingungen überleben könnten. Ein mathematisches Modell ergab: bis zu 15 Jahre. Auch wenn das theoretisch ist, zeigt es, wie widerstandsfähig diese Pflanzenzellen sind.
In weiteren Experimenten setzten die Forscher die Sporen künstlich simulierten All-Bedingungen aus – und wiederholten die erstaunlichen Ergebnisse. Selbst bei Temperaturen von minus 80 Grad blieb ein Großteil keimfähig. Bei minus 196 Grad sank die Keimrate zwar auf rund 9 Prozent, doch selbst das ist bemerkenswert.
Leben im All: Was das Experiment bedeutet
Für die Astrobiologie – die Wissenschaft vom Leben im Universum – hat die Entdeckung weitreichende Folgen. Wenn einfache Pflanzenzellen so extreme Bedingungen überstehen, könnte Leben theoretisch auf Meteoriten reisen oder sich zwischen Planeten verbreiten.
Fujita sagt dazu: „Das Leben, das auf der Erde entstanden ist, besitzt auf zellulärer Ebene Mechanismen, um die Bedingungen des Alls zu überstehen.“ Das weckt alte Ideen neu – etwa die Hypothese, dass Leben durch kosmische Staubpartikel oder Gesteinsbrocken von einem Himmelskörper auf den anderen gelangt sein könnte.

Moos als möglicher Pionier für Ökosysteme auf dem Mars
Die Forscher der Hokkaido University sehen in ihren Ergebnissen aber nicht nur eine Antwort auf die Frage nach außerirdischem Leben. Sie denken auch an praktische Anwendungen für künftige Raumstationen oder Marsbasen.
Moos wächst mit wenig Licht, produziert Sauerstoff und kann Kohlenstoff binden. Es könnte also helfen, geschlossene Ökosysteme zu schaffen, die sich selbst regulieren – ähnlich wie kleine Biotope. Die Pflanzen könnten das Leben von Astronauten langfristig unterstützen.
Kurz zusammengefasst:
- Moossporen der Art Physcomitrium patens überlebten neun Monate ungeschützt im All – sie hielten Vakuum, extreme Temperaturen und starke UV-Strahlung aus.
- Ihre schützende Hülle, das Sporangium, bewahrt die Zellen vor Austrocknung und Strahlung und macht sie bis zu 1000-mal widerstandsfähiger als andere Pflanzenzellen.
- Die Ergebnisse der Hokkaido University zeigen, dass einfache Pflanzenzellen nicht nur erstaunlich robust sind, sondern auch künftige Lebenserhaltungssysteme im Weltraum ermöglichen könnten.
Übrigens: Nicht nur auf der Erde zeigt Moos erstaunliche Widerstandskraft – eine Art namens Syntrichia caninervis übersteht sogar Bedingungen wie auf dem Mars und regeneriert sich nach extremer Kälte und Strahlung. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © NASA via Wikimedia unter Public Domain
