Können Manganknollen „sauber“ gewonnen werden? – Max-Planck-Verfahren soll bis zu 90 Prozent CO₂ sparen

Max-Planck-Forscher senken CO₂ bei der Verarbeitung von Tiefsee-Knollen um bis zu 90 Prozent – mit grünem Wasserstoff. Offen bleibt, wie „grün“ der Abbau wird.

Am Meeresboden im Nordatlantik liegen Manganknollen

Am Meeresboden im Nordatlantik liegen Manganknollen. Ein neues Verfahren soll ihre Metalle mit deutlich weniger CO₂ verarbeiten – doch die Folgen des Abbaus bleiben offen. © Wikimedia

Kupfer, Nickel und Kobalt sind unersetzlich für die Energiewende. Ohne sie gäbe es keine Elektromotoren, keine Stromnetze, keine Windräder. Doch der Weg zu diesen Metallen ist brutal: An Land frisst der Bergbau Landschaften, hinterlässt belastete Böden – und lässt jedes Jahr Milliarden Tonnen Abfallgestein zurück.

Forscher am Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien stellen nun einen anderen Hebel vor: Sie wollen nicht zuerst die umstrittene Frage beantworten, ob Tiefseebergbau richtig ist, sondern zeigen, wie sich Metalle aus Tiefsee-Manganknollen deutlich klimafreundlicher verarbeiten ließen. Die rundlichen „polymetallischen Knollen“ liegen in bis zu 6000 Metern Tiefe, etwa in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik. Sie enthalten Mangan sowie nennenswerte Anteile an Nickel, Kupfer und Kobalt. Die Studie erschien in Science Advances.

Wasserstoff drückt die CO₂-Bilanz von Manganknollen drastisch

Die Forscher setzen auf ein wasserstoffbasiertes Schmelzverfahren, die sogenannte Hydrogen Plasma Smelting Reduction (HPSR). „Wir reduzieren die getrockneten Erze direkt in einem elektrisch betriebenen Lichtbogenofen mit Wasserstoffplasma“, erklärt Forscher Ubaid Manzoor, der die Experimente im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte. Statt Kohle übernimmt Wasserstoffplasma die Reduktion.

Die Forscher beziffern den möglichen Effekt so: Weil Trocknen, Schmelzen und Reduktion in einem Schritt zusammenrücken, soll der Energiebedarf um bis zu 18 Prozent sinken. Bei den Emissionen nennen sie bis zu 90 Prozent weniger direkte CO₂-Emissionen – allerdings nur, wenn der Ofen mit Ökostrom läuft und grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt. Nutzt man stattdessen blauen oder grauen Wasserstoff, schrumpft der Klimavorteil deutlich.

Links: Tiefsee-Knollen werden nach dem Trocknen im Lichtbogenofen mit Wasserstoffplasma verarbeitet. Dabei entstehen Manganoxide, eine mangan- und siliziumreiche Schlacke und eine Legierung mit Nickel und Kobalt. Gegenüber dem konventionellen, kohlebasierten Verfahren fällt deutlich weniger CO₂ an. © U. Manzoor/MPI für Nachhaltige Materialien
Links: Tiefsee-Knollen werden nach dem Trocknen im Lichtbogenofen mit Wasserstoffplasma verarbeitet. Dabei entstehen Manganoxide, eine mangan- und siliziumreiche Schlacke und eine Legierung mit Nickel und Kobalt. Gegenüber dem konventionellen, kohlebasierten Verfahren fällt deutlich weniger CO₂ an. © U. Manzoor/MPI für Nachhaltige Materialien

Kupfer fällt auch ohne Chemie aus

Die Studie enthält noch eine zweite, fast überraschendere Beobachtung. Im Labor zeigte sich, dass sich Kupfer gezielt abtrennen lässt, ohne Säuren und ohne zusätzliche Reduktionsmittel. Das Prinzip: Wird das Material unter inertem Gas geschmolzen und anschließend kontrolliert abgekühlt, kann Kupfer als Metall aus dem Schmelzgemisch ausfallen.

Die Forscher erklären das mit einem Sauerstoffaustausch im System: Manganoxide übernehmen dabei gewissermaßen die Rolle eines „internen“ Reduktionspartners. Ergebnis: Kupfer kann als eigener, vergleichsweise reiner Metallanteil entstehen – bevor die eigentliche Wasserstoffreduktion startet.

Das ist mehr als ein Labortrick. In der Logik der Autoren ließe sich daraus eine Prozessidee ableiten: Erst Kupfer ohne zusätzliche Chemikalien abtrennen – danach die verbleibende, kupferärmere Masse per HPSR zu einer Legierung aus Nickel, Kobalt (und weiteren Metallen) verarbeiten.

Der Forscher Ubaid Manzoor stellt im Lichtbogenofen den Wasserstoffanteil ein, um Kupfer, Nickel und Kobalt aus Tiefsee-Mangan-Knollen zu gewinnen. © Yasmin Ahmed Salem
Der Forscher Ubaid Manzoor stellt im Lichtbogenofen den Wasserstoffanteil ein, um Kupfer, Nickel und Kobalt aus Tiefsee-Mangan-Knollen zu gewinnen. © Yasmin Ahmed Salem

Tiefsee statt Tagebau: Die Mengen sind verlockend

Der Bedarf steigt rasant. Für 2050 kalkuliert die Studie Größenordnungen von etwa 60 Millionen Tonnen Kupfer, 10 Millionen Tonnen Nickel und rund 1 bis 1,4 Millionen Tonnen Kobalt pro Jahr. An Land sinken vielerorts die Erzgehalte. Für eine Tonne Kupfer müssen im Schnitt rund 200 Tonnen Gestein bewegt werden. Für Nickel und Kobalt fällt ebenfalls extrem viel Abraum an – global summiert sich das auf 4 bis 5 Milliarden Tonnen Abfallgestein und Tailings jährlich.

In der Clarion-Clipperton-Zone liegen nach Angaben der Autoren gewaltige Mengen Manganknollen: rund 274 Millionen Tonnen Nickel, 226 Millionen Tonnen Kupfer und 44 Millionen Tonnen Kobalt – dazu Mangan in noch deutlich größerem Umfang. Eine Modellrechnung vergleicht zudem die Abfallmengen für die Metalle von „einer Milliarde E-Auto-Batterien“: Aus Land-Erzen entstünden demnach grob 63 Milliarden Tonnen fester Abfälle, aus Knollen etwa 9 Milliarden Tonnen – weil keine Abraumdecken abgetragen werden müssen und mehrere Metalle in einem Rohstoff stecken.

Drei Produkte – und ein Nebenprodukt, das in der Praxis zählt

Im Prozess entstehen nach Darstellung der Forscher drei Hauptströme:

  • eine Metalllegierung (reich an Kupfer, Nickel, Kobalt; Zusammensetzung ändert sich mit der Prozesszeit),
  • eine silikatreiche Schlacke, die als Vorprodukt für andere Legierungen taugen kann,
  • und Manganoxid als potenzieller Batterierohstoff.

Wichtig ist dabei ein Detail, das im Alltag über Erfolg oder Scheitern entscheidet: In späteren Phasen kann Mangan in großem Umfang verdampfen und als MnO-reicher Staub wieder kondensieren. Das ist kein „Abfall“ im klassischen Sinn – es kann wertvoll sein. Aber es verlangt Technik, die den Staub sicher abscheidet und weiterverarbeitet.

Kein Freifahrtschein für die Tiefsee

Dierk Raabe, Direktor am Institut, spricht offen über den Zielkonflikt: Auch die Gewinnung der Knollen in der Tiefsee hinterlässt Spuren. Er war deshalb früher gegen eine Nutzung – heute hält er sie unter Bedingungen für denkbar, wenn die Welt aus der CO₂-intensiven Wirtschaft herauskommen will.

Beides gilt gleichzeitig: Die Verarbeitung der Knollen könnte mit dem neuen Verfahren deutlich klimafreundlicher werden. Ob der Abbau vertretbar ist, hängt jedoch an strengen Regeln – und an unabhängigen Studien, die die Folgen für das Meeresökosystem belastbar bewerten.

Kurz zusammengefasst:

  • Das neue Verfahren HPSR des Max-Planck-Instituts nutzt Wasserstoffplasma statt Kohle, um Metalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt aus Tiefsee-Knollen fast ohne CO₂-Ausstoß zu gewinnen.
  • Es spart bis zu 90 Prozent Emissionen und 18 Prozent Energie, liefert nutzbare Nebenprodukte und vermeidet riesige Abfallmengen im Vergleich zum Abbau an Land.
  • Der Ansatz gilt als möglicher Wendepunkt für den Tiefseebergbau, wenn er verantwortungsvoll betrieben und mit grünem Wasserstoff umgesetzt wird.

Übrigens: Während Forscher an klimafreundlichen Verfahren für den Tiefseebergbau arbeiten, warnen andere vor seinen Folgen. Wie Abraumwolken aus der Tiefe das Leben im Meer gefährden könnten – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © NOAA via Wikimedia unter Public Domain

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