2010 begannen Afrikas Wälder zu kippen – drei zerstörerische Kräfte machten sie zur CO₂-Schleuder

Afrikas Wälder kippen – und mit ihnen verschiebt sich das Klima: Seit 2010 geben sie mehr CO₂ ab, als sie speichern können.

Der Ituri-Regenwald im Osten der Demokratischen Republik Kongo

Der Ituri-Regenwald im Osten der Demokratischen Republik Kongo gehört zum zweitgrößten Regenwaldgebiet der Erde. Er zeigt exemplarisch, wie Afrikas Wälder vom CO₂-Speicher zur Quelle werden. © Wikimedia

Afrikas Wälder haben ihre Rolle als grüne Lunge des Planeten verloren. Seit gut einem Jahrzehnt stoßen sie mehr Kohlendioxid aus, als sie aufnehmen. Satellitendaten zeigen nun, wann dieser Kipppunkt erreicht wurde – und wie er zustande kam. Der Kontinent, der einst große Mengen CO₂ speicherte, hat seine Klimabilanz ins Negative gedreht.

Ein Forschungsteam der University of Leicester analysierte gemeinsam mit internationalen Partnern elf Jahre Satellitendaten. Zwischen 2007 und 2010 nahmen Afrikas Wälder jährlich rund 439 Millionen Tonnen Kohlenstoff auf. Doch nach 2010 kippte das System: Von 2010 bis 2015 verloren sie im Schnitt 132 Millionen Tonnen pro Jahr, zwischen 2015 und 2017 weitere 41 Millionen.

Satellitendaten belegen den Wandel in Afrikas Wäldern

Die Studie zeigt erstmals, dass vor allem die tropischen Feuchtwälder im Kongo-Becken für den Verlust verantwortlich sind. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar oder Liberia sind riesige Flächen durch Rodung verschwunden. Professor Heiko Balzter spricht von einem Wendepunkt für die globale Klimapolitik: „Wenn Afrikas Wälder kein Kohlendioxid mehr binden, müssen andere Regionen ihre Emissionen noch stärker senken.“

Die Forscher kombinierten Daten aus Lasersatelliten (GEDI) der NASA und Radarmessungen aus Japan mit maschinellem Lernen. So konnten sie den Wandel der oberirdischen Biomasse – also die in Bäumen gespeicherte Menge an Kohlenstoff – präzise nachzeichnen. Diese Methode ist deutlich genauer als frühere Schätzungen.

Abholzung frisst Afrikas CO₂-Speicher auf

Hauptgrund für den Verlust ist die anhaltende Abholzung. Wälder werden gerodet, um Platz für Ackerflächen, Viehzucht oder Holzeinschlag zu schaffen. Allein in Zentralafrika sind seit 2010 jedes Jahr Milliarden Tonnen Holz verschwunden. Diese Zerstörung betrifft besonders Gebiete, die zuvor enorme Mengen Kohlendioxid gebunden hatten.

Ein zweiter Faktor ist der zunehmende Einsatz von Feuer in der Landwirtschaft. Brandrodungen setzen gespeicherten Kohlenstoff frei und zerstören den Waldboden. In Kombination mit Bevölkerungswachstum und steigender Holznachfrage entsteht ein Kreislauf, der kaum zu stoppen ist.

Klimastress schwächt die Wälder zusätzlich

Neben menschlichen Eingriffen spielt auch das Klima eine Rolle. Steigende Temperaturen und längere Trockenzeiten machen die Wälder anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Bäume wachsen langsamer oder sterben ab, wodurch weniger CO₂ aufgenommen wird. „Die Verluste sind inzwischen so groß, dass kleine Zuwächse in Savannengebieten sie nicht mehr ausgleichen können“, sagt Mitautorin Dr. Nezha Acil.

Zwar nehmen Sträucher in Savannen aufgrund des steigenden Kohlendioxidgehalts etwas zu, doch dieser Effekt reicht nicht aus. Die Forscher sprechen von einem „teilweisen Ausgleich“, der die Gesamtbilanz aber nicht mehr ins Positive dreht.

Afrikas Wälder büßen ihre Speicherfunktion ein

Nach Schätzungen der Studie speichern Afrikas Wälder insgesamt rund 59 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – ein gewaltiges Potenzial, das nun verloren geht. Die Wissenschaftler warnen: Bleibt dieser Trend bestehen, wird es deutlich schwieriger, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Auch wirtschaftlich hat der Wandel Folgen. Wenn Wälder kein Kohlendioxid mehr aufnehmen, verlieren sie ihren Wert für den Handel mit Klimazertifikaten. Projekte, die auf Aufforstung als Ausgleich setzen, geraten damit unter Druck. „Abholzung ist kein lokales Problem – sie verändert das weltweite Gleichgewicht des Kohlenstoffs“, sagt Dr. Pedro Rodríguez-Veiga, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Forscher fordern schnelle Gegenmaßnahmen

Die Wissenschaftler sehen nur einen Ausweg: stärkere Kontrolle gegen illegale Abholzung, bessere Forstverwaltung und mehr internationale Unterstützung. Programme wie AFR100, das bis 2030 hundert Millionen Hektar Landschaft wiederherstellen will, könnten helfen. Entscheidend sei jedoch, dass Geld und politische Verantwortung zusammenkommen.

Kurz zusammengefasst:

  • Seit 2010 haben Afrikas Wälder ihre CO₂-Bilanz verschlechtert: Statt Kohlenstoff zu speichern, stoßen sie nun jedes Jahr Millionen Tonnen aus – ein Wendepunkt für das Weltklima.
  • Drei Hauptursachen treiben diese Entwicklung an: Abholzung für Landwirtschaft und Holz, Brandrodungen und zunehmender Klimastress durch Trockenheit und Hitze.
  • Die Folgen reichen weit über Afrika hinaus: Ohne Wälder als CO₂-Senke wird es schwieriger, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen – und selbst der Markt für Klimazertifikate gerät ins Wanken.

Übrigens: Nicht nur in Afrika kippt die grüne Lunge der Erde. Auch Australiens Regenwälder stoßen inzwischen mehr CO₂ aus, als sie aufnehmen – Hitze, Dürre und Stürme treiben sie an ihre Belastungsgrenze. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © MONUSCO Photos via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0

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