Selbst Experten sind erstaunt: Pottwale bilden Vokale fast wie wir Menschen

Pottwale kommunizieren mit komplexen Klicklauten, die menschlichen Vokalen ähneln. Ihre Sprache folgt Mustern, die an unsere eigene erinnern.

Eine Pottwal-Mutter schwimmt mit ihrem Kalb vor Mauritius. Forschende vermuten, dass auch zwischen Mutter und Jungtier komplexe Laute zur Sprache gehören.

Pottwale leben in komplexen Sozialstrukturen und kommunizieren über große Entfernungen – ihre Laute zeigen nun erstaunliche Parallelen zu unserer Sprache. © Wikimedia

Wenn Wale sprechen, klingt es für das menschliche Ohr wie ein rhythmisches Klicken. Laut einer aktuellen Studie steckt hinter diesen Lauten mehr. Pottwale scheinen über ein komplexes Kommunikationssystem zu verfügen – eines, das unserer Sprache erstaunlich ähnlich ist.

Ein Forschungsteam der University of California, Berkeley hat Tausende Klickfolgen sogenannter Codas analysiert. Das Ergebnis überrascht selbst erfahrene Linguisten: Die Tiere formen Laute, die den menschlichen Vokalen „a“ und „i“ ähneln. „Ihre Rufe sind keine einfachen Klicks, sondern sehr, sehr langsame Vokale“, erklärt Studienleiter Gašper Beguš, Professor für Linguistik an der UC Berkeley. „Das deutet auf eine Komplexität hin, die sich der menschlichen Sprache annähert.“

Sprache der Pottwale folgt klaren Regeln

Die Untersuchung zeigt zwei zentrale Muster – eines mit einer einzelnen Resonanz, das andere mit zwei. Diese liegen zwischen 3.700 und 6.600 Hertz und damit im Frequenzbereich menschlicher Vokale. Die Forscher fanden zudem Anzeichen für „Diphthonge“ – also Lautkombinationen, die im Verlauf ihre Klangfarbe verändern.

Bisher galt die Kommunikation der Pottwale als eine Art akustischer Morsecode, bei dem die Bedeutung aus Rhythmus und Pausen entsteht. Die neue Studie erweitert dieses Bild deutlich. Neben der zeitlichen Struktur spielt auch die Klangfarbe eine Rolle. Rund 78 Prozent der untersuchten Codas zeigten klar voneinander getrennte Muster.

„Die Unterschiede in den Lauten sind deutlich und wahrscheinlich aktiv kontrolliert“, heißt es in der Studie. Diese Präzision spricht dafür, dass Pottwale ihre Klänge gezielt steuern – unabhängig von Tiefe oder Bewegung. Kleinste Veränderungen im Nasaltrakt oder in Luftsäcken genügen offenbar, um Tonhöhe und Resonanz zu verändern.

Wenn Wale aufeinander reagieren

Die Analyse zeigt, dass Pottwale ihre Laute offenbar gezielt einsetzen, um miteinander in Kontakt zu treten. Sie tauschen nicht einfach Signale aus, sondern scheinen in echten akustischen Wechseln zu kommunizieren. In den Aufnahmen war deutlich zu hören, wie einzelne Tiere ihre a- und i-artigen Töne abwechselnd äußern – manchmal in derselben Reihenfolge, manchmal im rhythmischen Dialog.

Diese Interaktionen wirken wie ein Gespräch unter Wasser. Die Laute folgen festen Mustern und wiederholen sich über längere Zeiträume, was auf eine koordinierte Form der Verständigung schließen lässt. Die Forscher sprechen deshalb von „Dialogsequenzen“, in denen die Wale offenbar aufeinander reagieren und Informationen austauschen – möglicherweise über Identität, Nähe oder soziale Bindung innerhalb ihrer Gruppe.

Laut Beguš ist dieses Verhalten ein Hinweis auf bewusste Kommunikation: „Wir wissen noch nicht, was die Laute bedeuten, aber wir wissen, dass Wale sie absichtlich erzeugen und unterscheiden können.“ Die Studie untermauert damit Beobachtungen aus früheren Projekten, wonach einzelne Walgruppen über eigene akustische „Dialekte“ verfügen.

Künstliche Intelligenz als Übersetzer

Für ihre Analyse nutzten die Experten ein KI-System auf Basis sogenannter Generative Adversarial Networks (GANs). Diese Modelle lernen, Muster in Datensätzen selbstständig zu erkennen – ähnlich wie Kinder Sprache durch Zuhören und Nachahmen erlernen.

Die KI identifizierte bereits vor der klassischen Auswertung charakteristische Frequenzmuster. „Das Kommunikationssystem der Pottwale besteht nicht nur aus Klicktimings, sondern ist auch spektral differenziert“, so die Studienautoren. Damit ist gemeint, dass sich die Wale nicht allein über den Rhythmus ihrer Klicklaute verständigen, sondern auch über deren Klangfarbe. Die Tiere variieren gezielt Tonhöhe und Resonanz – ähnlich wie Menschen beim Sprechen verschiedene Vokale bilden.

Pottwale halten ihre Töne stabil – wie Menschen bei Vokalen

Die Datensätze stammen aus jahrelanger Feldarbeit in der Karibik. Zwischen 2005 und 2018 sammelte ein internationales Team rund 3.948 Codas von 14 Pottwalen vor der Insel Dominica. Nach einer Qualitätsprüfung wurden 1.214 Signale ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigen, dass Tiefe oder Bewegung der Tiere kaum Einfluss auf die Tonhöhe haben. Die Form der Laute blieb stabil – ein weiterer Hinweis auf gezielte Kontrolle. Diese Präzision erinnert an die Art und Weise, wie Menschen Vokale formen.

Forscher zeigen erstmals, dass die Laute der Pottwale sprachähnliche Strukturen aufweisen. © UC Berkeley via YouTube

Studie stellt unser Verständnis von Sprache infrage

Das Projekt verfolgt ein langfristiges Ziel: die Kommunikation von Pottwalen zu entschlüsseln. Es vereint Linguisten, Meeresbiologen, Informatiker und Akustikexperten. Für Beguš reicht die Bedeutung der Forschung weit über Biologie hinaus:

Wenn Tiere über sprachähnliche Strukturen verfügen, müssen wir neu über Sprache, Bewusstsein und Rechte von Tieren nachdenken.

Diese Erkenntnisse werfen ethische Fragen auf: Sind Sprache und Intelligenz tatsächlich ausschließlich menschliche Eigenschaften? Oder gibt es ein Kontinuum zwischen Mensch und Tier?

Was die Sprache der Pottwale über ihre Intelligenz verrät

Pottwale leben in engen Familienverbänden, erkennen sich gegenseitig und koordinieren Jagden über große Distanzen. Dass ihre Laute nun auch linguistische Strukturen aufweisen, erweitert das Bild von tierischer Intelligenz.

Beguš beschreibt die Bedeutung der Studie so: „Wir tauschen durch Sprache unsere inneren Welten aus. Diese Forschung ist ein kleiner Schritt, um die inneren Welten von Tieren zu verstehen – ihre Kulturen und ihre Intelligenzen.“

Kurz zusammengefasst:

  • Forscher der UC Berkeley haben entdeckt, dass Pottwale Klänge erzeugen, die menschlichen Vokalen ähneln – sie formen „a“- und „i“-ähnliche Laute, die gezielt gesteuert werden und auf ein komplexes Kommunikationssystem hinweisen.
  • Die Tiere verwenden ihre Klicklaute offenbar nicht nur rhythmisch wie einen Morsecode, sondern auch mit unterschiedlicher Klangfarbe; rund 78 Prozent der untersuchten Lautfolgen zeigten klar getrennte Muster, unabhängig von Tiefe oder Bewegung.
  • Mit Hilfe künstlicher Intelligenz konnten diese Strukturen sichtbar gemacht werden – ein Hinweis darauf, dass die Sprache der Pottwale vielfältiger und bewusster ist, als bisher angenommen.

Übrigens: Im Golf von Kalifornien jagen Orcas jetzt gezielt junge Weiße Haie – und fressen nur ihre Leber. Mehr über diese neue Taktik steht in unserem Artikel.

Bild: © Gabriel Barathieu via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0

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