Goldrausch im Meer – Wie der Rohstoffabbau unsere Ozeane auszehrt

Tiefseebergbau setzt nährstoffarme Sedimente frei – laut Studie drohen Störungen im marinen Nahrungsnetz und Risiken für Fischbestände.

Tiefseebergbau reißt Nahrungsketten im Meer auseinander

Tiefseebergbau wirbelt feine Sedimentwolken auf, die sich über hunderte Kilometer ausbreiten und das natürliche Nahrungsangebot im Ozean stark verringern. © Unsplash

Tiefseebergbau gilt als Hoffnung für die Energiewende. In mehreren tausend Metern Tiefe lagern Rohstoffe wie Kobalt, Kupfer und Nickel – Schlüsselmaterialien für Batterien, Windkraftanlagen und Elektromobilität. Doch eine neue Studie zeigt: Der Abbau dieser Ressourcen könnte das Leben in den Weltmeeren massiv stören. Denn zurückgeleitete Abfallwolken aus der Tiefe entziehen empfindlichen Meeresregionen wichtige Nährstoffe und gefährden so das Gleichgewicht ganzer Nahrungsketten.

Eine Forschungsgruppe der University of Hawai‘i at Mānoa hat jetzt erstmals gemessen, wie stark die sogenannten „Twilight Zones“ in 700 bis 1500 Metern Tiefe betroffen sind. In diesen mittleren Wasserschichten lebt eine enorme Zahl kleiner Tiere – darunter Zooplankton, das als Fundament mariner Ökosysteme gilt.

Feiner Staub ersetzt nahrhafte Partikel

Beim Abbau von metallhaltigen Knollen wird nicht nur der Meeresboden aufgewirbelt – auch Sedimente, Gestein und Wasserreste gelangen in Form feiner Trübewolken zurück ins Meer. In einem Testlauf 2022 wurde eine solche Abraumwolke in rund 1250 Metern Tiefe freigesetzt und analysiert.

Die Partikel darin waren zwar zahlreich, aber ernährungsphysiologisch von geringer Qualität. „Diese Sedimentwolken enthalten deutlich weniger Aminosäuren als natürliche Nahrungspartikel“, erklärt Michael Dowd, Erstautor der Studie. Aminosäuren sind entscheidend für Zooplankton und damit für alle Tiere, die sich davon ernähren.

Forscher sprechen von „leeren Kalorien“

Die Untersuchung zeigte: Mittlere Partikel (6–53 Mikrometer), die von vielen Meerestieren bevorzugt aufgenommen werden, wiesen in der Abraumwolke einen Stickstoffgehalt von nur 1,7 Nanogramm pro Mikrogramm auf. Natürliche Partikel enthielten mit 41 Nanogramm pro Mikrogramm etwa das 24-Fache.

„Es ist, als würden wir ihnen leere Kalorien servieren“, erklärt Co-Autor Jeffrey Drazen. Auch größere Tiere wie Garnelen, kleine Fische oder Quallen leiden unter der mangelnden Qualität der Nahrung – mit potenziellen Folgen für die gesamte Nahrungspyramide im Ozean.

Mehr Partikel – weniger Nutzen

Die Forscher dokumentierten in der betroffenen Zone 79 Tiergruppen, viele davon auf nahrhafte Schwebstoffe spezialisiert. Laut Studie leben rund 65 Prozent der untersuchten Arten von Partikeln, die durch den nährstoffarmen Abraum ersetzt werden. Besonders empfindlich reagieren gelatineartige Tiere wie Quallen: Sedimente lagern sich auf ihrer Haut ab, behindern Filterfunktionen oder stören ihren Auftrieb.

Hinzu kommen wandernde Arten wie Tintenfische, die zwischen Tiefe und Oberfläche wechseln. Dabei transportieren sie Kohlenstoff in die Tiefe – ein natürlicher Prozess, der zur Klimastabilisierung beiträgt. Auch dieser könnte durch trübe Schichten unterbrochen werden.

Tiefseebergbau als Gefahr für Fischbestände und Klimaschutz

Langfristig könnte die Nahrungsverknappung auch größere Meeresbewohner wie Thunfische betreffen. Sie jagen in mittleren Tiefen und sind auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen. „Wenn wir nicht verstehen, was in diesen Tiefen passiert, riskieren wir Schäden an Ökosystemen, die wir gerade erst zu erforschen beginnen“, warnt Geochemiker Brian Popp.

Insgesamt könnten Tausende Kubikkilometer Wasser jährlich von solchen Partikeln betroffen sein – eine Dimension, die schwer zu kontrollieren wäre, wenn mehrere Unternehmen gleichzeitig Rohstoffe fördern.

Die Illustration zeigt, wie Tiefseebergbau auch die mittleren Wasserschichten des Ozeans beeinflusst. © Dowd et al 2025, Amanda Merritt
Die Illustration zeigt, wie Tiefseebergbau auch die mittleren Wasserschichten des Ozeans beeinflusst. © Dowd et al 2025, Amanda Merritt

Abraum an der Oberfläche besonders riskant

Eine mögliche Lösung sehen die Wissenschaftler darin, den Abraum wieder in Bodennähe abzulassen. Dort entstehen zwar ebenfalls Trübungen, doch sie verbleiben meist nah am Grund. Dadurch könnte die empfindliche „Twilight Zone“ verschont bleiben.

Die Forscher fordern deshalb internationale Standards für Entladungstiefen. „Die Wahl der Tiefe ist entscheidend“, so Drazen. „Ein oberflächennaher Eintrag könnte noch größeren Schaden anrichten, da dort mehr Leben konzentriert ist.“

Kurz zusammengefasst:

  • Tiefseebergbau wirbelt nährstoffarme Sedimentwolken auf, die wichtige Nahrungspartikel im Ozean verdrängen.
  • Zooplankton und andere Meerestiere verlieren ihre Nahrungsgrundlage – das kann ganze Nahrungsketten schwächen.
  • Die Studie der University of Hawai‘i at Mānoa zeigt: Schon ein kurzer Testlauf veränderte die Wasserqualität messbar und birgt Risiken für das Klima und die Fischerei.

Übrigens: Selbst kleinste Veränderungen im Eisenangebot können darüber entscheiden, wie viel CO₂ die Ozeane aufnehmen – oder verlieren. Wie uralte Sedimentkerne zeigen, schwankt die Rolle des Meeres als Klimapuffer seit Millionen Jahren dramatisch. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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