Wundergel lässt Zahnschmelz nachwachsen – und stoppt Karies, bevor Löcher entstehen
Ein neues Gel lässt den Zahnschmelz in wenigen Tagen nachwachsen – und könnte Karies schon im Ansatz verhindern.
Das Gel bildet neuen Zahnschmelz, der fest mit der natürlichen Zahnoberfläche verwächst. © Pexels
Der Zahnschmelz schützt die Zähne vor Abnutzung, Säuren und Bakterien – geht er verloren, hilft bisher nur der Bohrer. Ist die Schutzschicht einmal beschädigt, beschleunigt sich die Entstehung von Karies – bisher ließ sich das nur durch Füllungen aufhalten.
Jetzt sorgt eine neue Studie für Aufsehen: Wissenschaftler haben ein spezielles Gel entwickelt, das beschädigten Zahnschmelz wieder aufbauen kann. Erste Tests zeigen, dass sich die harte Schutzschicht innerhalb weniger Tage erneuert – ganz ohne Bohren oder Füllung.
Gel regt natürliche Regeneration von Zahnschmelz an
Das Forschungsteam der University of Nottingham arbeitet an einer Methode, die körpereigene Prozesse im Mund nutzt. Grundlage ist ein verändertes Protein, das sich wie das natürliche Amelogenin verhält – dem Protein, das in der frühen Kindheit den natürlichen Zahnschmelzaufbau steuert. Das fluoridfreie Gel könnte dank seiner Wirkung helfen, beginnende Karies zu stoppen, bevor sie sich weiter ausbreitet.
Das Gel wurde auf menschliche Zahnproben aufgetragen und anschließend in eine Lösung mit Kalzium und Phosphat gelegt – den Hauptbestandteilen des Zahnschmelzes. Dabei entstand eine stabile, glänzende Schicht, die den Zahn mehrere Wochen lang überzog und sogar regelmäßigem Zähneputzen standhielt. In zusätzlichen Tests, die Kauen und säurehaltige Nahrungsmittel simulierten, zeigte der neue Schmelz ähnliche Stabilität wie gesunder Zahn.
Forscher sehen in der Methode einen echten Fortschritt
„Das Wachstum passiert tatsächlich innerhalb einer Woche“, erklärte Projektleiter Alvaro Mata. Unter dem Mikroskop war zu sehen, dass sich die neuen Kristalle exakt an die Struktur des natürlichen Schmelzes anpassten – ein sogenanntes epitaktisches Wachstum, das den Zahnschmelz stabil und langlebig macht. Diese präzise Ausrichtung sorgt dafür, dass die Oberfläche nicht nur fest, sondern auch elastisch bleibt.
Das Gel konnte selbst größere Schäden schließen – etwa dann, wenn das darunterliegende Dentin bereits frei lag. Es bildet eine Art Gerüst, auf dem neue Kristalle anwachsen. Dadurch entsteht eine schmelzähnliche Schutzschicht, die Überempfindlichkeit reduziert, die Haftung von Füllungen verbessert und Karies vorbeugen kann.
Neuer Ansatz übertrifft frühere Methoden
Die Idee, beschädigte Zahnoberflächen wiederherzustellen, ist nicht neu. Ein ähnlicher Ansatz wurde bereits 2019 in der Fachzeitschrift Science Advances vorgestellt. Damals entstanden jedoch nur dünnere Schichten, und die innere Schmelzstruktur ließ sich nur teilweise wiederherstellen. Die jetzt entwickelte Methode erreicht dagegen eine deutlich dickere und widerstandsfähigere Schicht. Der neu gebildete Zahnschmelz misst rund zehn Mikrometer – genug, um eine dauerhafte Schutzbarriere zu bilden.
Bemerkenswert ist, dass der Aufbau auch funktioniert, wenn statt einer Laborlösung menschlicher Speichel verwendet wird. In Versuchen mit gespendetem Speichel konnte das Material denselben Effekt erzielen, da die nötigen Mineralien bereits im Mund vorhanden sind. Das Gel füllt dabei Mikrorisse und Poren in der Zahnoberfläche, nutzt Kalzium und Phosphat aus dem Speichel für ein kontrolliertes Kristallwachstum – und kann so verhindern, dass aus kleinen Schmelzdefekten echte Kariesherde entstehen.

Klinische Tests und erste Produkte in Aussicht
Das Team plant, Anfang des kommenden Jahres klinische Studien zu starten. Wenn sie erfolgreich verlaufen, könnte das Produkt schon 2026 in Zahnarztpraxen eingesetzt werden. Dafür gründete Mata das Start-up Mintech-Bio, das den Weg von der Forschung zum marktreifen Medizinprodukt begleitet.
Zunächst sollen Zahnärzte das Gel in der Praxis auf betroffene Stellen auftragen, um dort gezielt die Regeneration zu fördern. Die Anwendung ist ähnlich einfach wie eine herkömmliche Fluoridbehandlung – nur ohne Fluorid. Langfristig denken die Entwickler über Anwendungen für den Alltag nach – etwa in Form von Zahnpasta oder Spülungen, die den Aufbau der Zahnoberfläche unterstützen.
Weltweit ist fast die Hälfte der Menschen von Zahnschmelzabbau betroffen. Das neue Gel könnte also weit mehr bewirken, als nur einzelne Zähne zu schützen – es könnte helfen, ein verbreitetes Gesundheitsproblem einzudämmen und Karies schon im Ansatz zu verhindern.
Kurz zusammengefasst:
- Ein neues Gel lässt Zahnschmelz innerhalb weniger Tage natürlich nachwachsen.
- Grundlage ist ein Protein, das wie Amelogenin den Schmelzaufbau steuert und beginnende Karies stoppen kann.
- So lässt sich Karies schon im Ansatz aufhalten – ein wichtiger Fortschritt für die Zahnmedizin.
Übrigens: Viele Menschen putzen ihre Zähne falsch – und riskieren damit unbemerkt Karies und Zahnfleischentzündungen. Warum die richtige Reihenfolge beim Zähneputzen entscheidend ist und Fluorid länger wirken sollte, mehr dazu in unserem Artikel.
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