Tief im Schwarzen Meer stoppt eine unsichtbare Armee von Mikroben den gefährlichen Klimakiller Lachgas – noch
Tief unter der Oberfläche des Schwarzen Meeres verhindern Mikroben, dass gefährliches Lachgas entweicht – ein Gleichgewicht, das jetzt zu kippen droht.
In der Tiefe des Schwarzen Meeres treffen zwei Welten aufeinander – dort, wo Sauerstoff verschwindet, verwandeln Mikroben das Treibhausgas Lachgas in harmlosen Stickstoff. © Wikimedia
Das Meer ist ein mächtiger Puffer gegen die Erderwärmung. Doch in seinen Tiefen entstehen Gase, die das Klima aufheizen. Eines davon ist Lachgas (N₂O), ein Treibhausgas, das rund 300-mal stärker wirkt als CO2 und zusätzlich die Ozonschicht angreift. Überraschend ist nun, was Forscher im Schwarzen Meer entdeckt haben: In den sauerstoffarmen Zonen entsteht zwar viel Lachgas – aber es verschwindet fast genauso schnell wieder.
Das liegt an einer winzigen, unsichtbaren Gemeinschaft von Mikroben, die in einem ständigen Wettlauf miteinander stehen: Einige produzieren das gefährliche Gas, andere neutralisieren es sofort wieder. Diese natürliche Balance verhindert, dass größere Mengen in die Atmosphäre gelangen. Doch sie könnte ins Wanken geraten, wenn der Sauerstoffgehalt der Meere weiter abnimmt.
Mikroben arbeiten im Verborgenen – und bewahren das Klima
Die Studie stammt vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Sie zeigt, wie sensibel das Schwarze Meer auf kleinste chemische Veränderungen reagiert. Die Wissenschaftler reisten mit dem Forschungsschiff „Poseidon“ in das westliche Becken des Meeres, um Wasserproben aus verschiedenen Tiefen zu nehmen – besonders aus einer Schicht, in der kaum Sauerstoff vorhanden ist.
Diese sogenannte suboxische Zone liegt zwischen 80 und 150 Metern Tiefe. Oberhalb gibt es noch Sauerstoff, darunter beginnt eine schwefelhaltige, anoxische Schicht. In dieser Übergangszone geschieht Entscheidendes: Mikroorganismen produzieren und verbrauchen dort Lachgas gleichzeitig.
Mit stabilen Isotopen konnten die Forscher messen, wie schnell diese Prozesse ablaufen. Die Ergebnisse sind erstaunlich: In manchen Tiefen bildeten die Mikroben täglich bis zu 20 Nanomol Lachgas pro Liter Wasser – das entspricht nur rund einem Millionstel Gramm, also winzigen Mengen. Doch selbst diese Spur genügt, um das Klima zu beeinflussen – und zugleich wurde noch mehr davon wieder abgebaut.
Wer das Gas produziert – und wer es beseitigt
Jan von Arx, Erstautor der Studie, erklärt: „Entweder wird nur wenig N₂O produziert, oder das produzierte N₂O wird entfernt, bevor es die Oberfläche erreicht.“ Die Untersuchungen zeigen, dass beide Prozesse eng miteinander verbunden sind.
- Erzeuger: Vor allem sogenannte Nitrososphaerales, eine Gruppe von Archaeen, setzen Lachgas frei, wenn sie Ammoniak oxidieren.
- Abbauer: Andere Mikroben, etwa bestimmte Gammaproteobakterien und Marinisomatia, nutzen das Gas als Energiequelle und verwandeln es in harmlosen Stickstoff (N₂).
Diese Mikroorganismen bilden einen biologischen Filter. Sie sitzen an der Grenze zwischen Sauerstoff und Schwefelwasserstoff und halten das empfindliche Gleichgewicht. In dieser Tiefe kann der Unterschied zwischen einem Überschuss oder einer vollständigen Neutralisierung von Lachgas innerhalb weniger Meter entstehen.
Forscher beobachten ein empfindliches Gleichgewicht
Die Wissenschaftler sprechen von einer engen „Kopplung“ zwischen Produktion und Verbrauch. Solange diese Balance besteht, bleibt das Schwarze Meer ein kaum messbarer Emittent. Die gemessenen Reduktionsraten – also die Umwandlung von Lachgas in Stickstoff – lagen teils höher als die Produktionsraten. Das bedeutet: Mehr Gas wird beseitigt, als entsteht.
Doch das System reagiert sensibel. In Schichten, in denen der Sauerstoff fast vollständig verschwindet, steigt die Lachgasbildung sprunghaft an. „Verschiedene Mikroorganismen produzierten durch unterschiedliche Prozesse große Mengen an Lachgas. Diese Produktion wurde aber noch übertroffen durch den Verbrauch von Lachgas“, sagt von Arx.
Im oberen Wasserbereich, wo mehr Sauerstoff vorhanden ist, können die Mikroben, die das Gas abbauen, allerdings nicht mehr mithalten. Hier bleibt ein Rest Lachgas übrig, das nach oben entweicht. Damit wird das Meer trotz seiner starken Filterwirkung zu einer leichten, aber dauerhaften Quelle für Treibhausgase.
Ein unsichtbarer Klimaschützer – unter Druck
Lachgas bleibt nach seiner Freisetzung rund 120 Jahre in der Atmosphäre und trägt sowohl zur Erderwärmung als auch zum Ozonabbau bei. Heute liegt seine Konzentration bei etwa 339 Teilchen pro Milliarde Luftmoleküle – und steigt jedes Jahr leicht an. Vor der Industrialisierung waren es etwa 270. Ein Drittel dieser Emissionen stammt aus den Weltmeeren.
„Global gesehen wissen wir leider nur sehr wenig über die Raten, mit denen N₂O in den Weltmeeren abgebaut wird“, erklärt von Arx. Die neuen Ergebnisse aus dem Schwarzen Meer helfen, diese Lücke zu schließen. Sie zeigen, dass die Natur selbst über fein abgestimmte Kontrollmechanismen verfügt – und dass diese Mechanismen vom Klimawandel bedroht sind.
Kurz zusammengefasst:
- Im Schwarzen Meer entsteht viel Lachgas, doch Mikroben wandeln es fast vollständig in harmlosen Stickstoff um – sie wirken wie ein biologischer Filter.
- Diese Balance funktioniert nur, weil sich Produktion und Abbau des Gases in sauerstoffarmen Schichten eng überlappen.
- Sinkt der Sauerstoffgehalt der Ozeane weiter, droht dieser natürliche Klimaschutz zu versagen – und mehr Lachgas gelangt in die Atmosphäre.
Übrigens: Nicht nur im Schwarzen Meer kämpfen Mikroben gegen das klimaschädliche Lachgas – auch im Pazifik produzieren und verbrauchen sie es zugleich. Wie winzige Organismen dort das Gleichgewicht des Klimas beeinflussen, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © NASA Goddard Space Flight Center via Wikimedia unter CC BY 2.0
